Acht Wochen in Ghana

Reisezeit: Juli - September 2003  |  von Baris Yildirim

Die Arbeit in Shekhinah

9. Eintrag:

Die Arbeit in Shekhinah

Heute hatte ich Zeit verschiedene Arbeiten zu erfüllen. Bis zur Teepause half ich Miriam bei der Medikamentenausgabe. Als der Patientenansturm vorbei war, begann ich mit dem Erstellen einer Liste für Medikamente, die später im Computer gespeichert werden kann,

Es gibt im anderen Shekhinah Krankenhaus, welches in Tamale steht, einen Krankenpfleger namens Muniro. Er war früher Patient, wurde geheilt und war so dankbar, dass er sich entschloss ohne Bezahlung für Dr. David zu arbeiten. Mit der Zeit machte er sich für die Klinik immer unentbehrlicher. Er alleine hat die Schlüssel verschiedener Häuser, welche voller Medikamente sind. Medikamente die dringend gebraucht werden, die teilweise aber schon ihr Verfallsdatum überschritten haben. Nora hatte Zeit ihres Aufenthalts in der Klinik Probleme den Schlüssel für den Lagerraum der Apotheke zu bekommen.

Das Problem bei der Medikamentenvergabe ist, dass das Klinikpersonal sich nicht an die Regelung hält, alle verwendeten Medikamente aufzulisten, um sicherzugehen, dass nichts gestohlen wird. Es ist klar, dass Dr. David den Spenderorganisationen über den Medikamentenverbrauch Rechenschaft ablegen muss. Er teilte deshalb Muniro die Aufgabe der Kontrolle der Medikamentenabgabe zu. Das Klinikpersonal akzeptiert Muniro jedoch nicht als gleichberechtigten Partner. Viele machen sich über ihn lustig, meinen der "Ordnungswahn" sei eine Beschäftigungstherapie.

Ich habe bereits mit dem Arzt über diesen Missstand gesprochen. Wenn er wieder gesund ist, will er dieses Problem angehen. Ich hoffe er hat Erfolg.

Nach der Arbeit verbrachte ich bis zum Einbruch der Dunkelheit, meine Zeit im Internetcafe. Tamale hat bei Nacht eine ganz andere Atmosphäre. Überall brannten Lichter, die Hauptmoschee von Tamale war in Dunkelheit getaucht und sah so wesentlich schöner aus als am Tage. Während ich auf dem Rücksitz von Abdallahs des Rollers nach Hause fuhr kam mir die Idee, dass ich gerne mal mit einer Videokamera durch die Stadt fahren würde. Kurz nach Sonnenuntergang wäre dafür der beste Zeitpunkt. Man sieht nicht mehr so viel. Leute tauchen plötzlich aus dem Dunkel auf. Viele Menschen sind unterwegs. Das ganze Leben auf der Strasse kam mir intensiver vor. Quer durch Tamale in 15 Minuten. Das wäre ein Eindruck von Ghana, der sowohl den positiven, als auch den negativen Seiten des Landes gerecht würde. Afrika bedeutet mehr als nur Krieg und Elend. Es ist eine lebensfrohe Welt hier in Afrika!

Als ich am nächsten Morgen zur Apotheke hinüber ging traf ich per Zufall Muniro. Er war gerade damit beschäftigt, Medikamente auszuwechseln. Ich sprach ihn auf den Apotheken-schlüssel an und erhielt ihn nach einigem Zögern tatsächlich!

Vielleicht war es für Muniro einfacher den Schlüssel mir zu geben, als Sandra, einer Frau. In der Tradition werden Frauen ziemlich oft benachteiligt, leider!

Der Vormittag war wieder sehr arbeitsintensiv. Bis zur Teepause half ich in der Apotheke aus und danach schrieb ich an der Liste für den Computer weiter.

Mit dieser Liste versuche ich dem Krankenhaus Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Ich will den Angestellten des Krankenhauses die Übersetzung möglichst vieler Medikamente in deutscher Sprache geben. Sie sollen die Medikamente danach selbst zuordnen können. Bisher ging das nur begrenzt, den viele Medikamente werden aus Deutschland und Österreich gesendet und haben deshalb deutsche Anwendungsbeschreibungen. Da die Ghanaer der deutschen Sprache nicht mächtig sind, waren sie bisher immer auf die Hilfe von Volontären angewiesen, wenn sie die deutschen Medikamente benutzen wollten.

Seit ich den Computer aufgebaut habe steht dem Klinikpersonal nun die Möglichkeit offen eine Datenbank aller Medikamente aus Deutschland, samt Beschreibung und Dosierungsangaben zu führen. Ich werde eine Excel-Tabelle erstellen, diese kann später dann beliebig fortgeführt werden. Die Angestellten der Klinik können dann die Medikamente größtenteils selbst sortieren. Neue Volontäre haben die Möglichkeit die Liste fortzuführen und den Datenschatz zu erweitern.

Heute Nachmittag habe ich mein altes Zimmer ausgeräumt und bin in Sandras Zimmer gezogen. Der Raum ist geräumiger und schöner. Es gibt einen Schrank und ein Tischchen. Durch zwei Fenster ist er viel heller. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil ist die Position des Lichtschalters. Im alten Zimmer war der Lichtschalter außerhalb des Raumes. Ab 18.30 Uhr musste ich immer durch das stockfinstere Zimmer tappen, um zum Schalter zu gelangen.

Gerade wollte ich anfangen zu schreiben, da ging plötzlich das Licht aus. Stromausfall! Es passiert mehrmals im Monat, dass in Ghana der Strom ausfällt. Deshalb war ich nicht sehr überrascht. Ich ging zu Theas Haus, um mir eine Öllampe auszuleihen. An diesem Abend schrieb ich im matten Licht einer Öllampe. Es war wirklich idyllisch. Das Licht suggerierte mir den Eindruck einer "Lagerfeueratmosphäre". Es war nicht wirklich hell, aber auch nicht richtig dunkel. Manchmal flackerte die Lampe ein wenig und die Moskitos schwirrten um den Lichtkegel umher.

Seitdem Sandra umgezogen war, lebte ich alleine im Haus. Zunächst befürchtete ich, dass ich mich einsam fühlen würde, aber zu meiner eigenen Überraschung war ich überhaupt nicht traurig. Es war schön, am Abend mal alleine zu sein, wenn man den ganzen Tag von Menschen umgeben war.

Mehr Infos auf: www.shekhinah.de

© Baris Yildirim, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Dieser Bericht umfasst eine Reise durch zahlreiche Regionen des Landes Ghana. Meine Aufenthaltsorte waren: Accra, Akosombo, Cape Coast, Kumasi, Tamale (Shekhinah-Klinik), Bunkpurugu, Yendi, Mole- Nationalpark und Hohoe.
Details:
Aufbruch: 31.07.2003
Dauer: 8 Wochen
Heimkehr: 26.09.2003
Reiseziele: Ghana
Der Autor
 
Baris Yildirim berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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