Auf dem Weg nach Albanien (2023)

Reisezeit: September - November 2023  |  von Andreas Kirchner

Zurück in Albanien

Wir sind zurück in Albanien. Dieses Mal sind wir sogar noch besser vorbereitet. Wir haben uns zusätzliches Anschauungsmaterial besorgt: "Durch das Land der Skipetaren" von Karl May. Wer noch nie etwas über Albanien wusste, der sollte diese Reiseerzählung lesen, wenn er sicherstellen will, über Albanien auch weiterhin nichts zu wissen. In Worten: NICHTS. Diese rastlose Sammlung von Taten deutschen Heldentums, gepaart mit kolonialistischem Moralgetue und selbstherrlichem Machtgehabe ist schwere Kost. Für eine Frau sind gewiss mehr wie drei Seiten nicht lesbar, bis sie, wenn nicht angewidert, so doch kopfschüttelnd und ratlos das Buch zur Seite legt angesichts des selbstgerechten Gebarens von Kara Ben Nemsi und seinem devoten Diener Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah, der strotzenden Dummheit des Bösewichts Mübarek und der Einfältigkeit der übrigen Skipetaren in der Geschichte. Als Jungs haben wir es geliebt! Oder nicht?

Ganz in der Nähe der griechisch-albanischen Grenze liegt Butrint, die Nummer 4 der Big Five. Wir lassen sie aus. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Nummer 5 (Berat) auch. Stattdessen wählen wir erneut einen Platz am Meer, wandern von dort zu einer kleinen, abgelegenen, einsamen Bucht – die alles andere als einsam ist, worauf wir gleich wieder umkehren und direkt vor unserem Stellplatz baden gehen. Dort ist der kilometerlange Strand beinah menschenleer. Was nicht verwundert: die Hotels sind geschlossen, die Strandbars verrammelt. Alles wirkt verlassen und trostlos. So muss es aussehen, wenn die Aliens von Beteigeuze die Menschheit ausgetilgt haben und nur noch wir (und eine Handvoll andere Pechvögel) übrig sind – allein, hoffnungslos, ohne Zukunft.

Inventar in der einsamen Bucht - auch irgendwie trostlos

Inventar in der einsamen Bucht - auch irgendwie trostlos

Okay, ein bisschen viel Dramatik. Aber über unsere Zukunft machen wir uns schon Gedanken. Wir bewegen uns wieder in Richtung Norden, also hat der Rückweg begonnen. Keine Ahnung, welchen Weg wir nehmen wollen, wo wir noch Station machen möchten. "Must see" stehen nicht mehr auf der Liste. "Must eat" schon eher: nördlich von Tirana gibt es eines, wenn nicht das beste Restaurant Albaniens. Also planen wir erst einmal bis dorthin, als Womo Sapiens (Danke, Schwesterherz!) natürlich immer das Wetter im Blick: Regen und Sturm stehen an.

Zuallererst geht es jedoch in ein albanisches Museum für zeitgenössische Kunst. Davon gibt es schließlich nicht viele in Albanien. Und dieses in der Nähe von Himarë ist möglicherweise auch nur den Wenigsten bekannt. Die Kunstwerke sind "ausgestellt" in den Ruinen einer alten Fabrik zur Verarbeitung von Oliven – eine Handvoll zum Teil sehr gelungene Graffitis (N 40.08836, E 19.76556).

Dann Zwischenstopp bei Apollonia, sozusagen unsere Abbitte dafür, dass wir Butrint die kalte Schulter gezeigt haben. Zuvor geht es über den Llogara-Pass auf 2000 m Höhe mit herrlichem Blick über die albanische Riviera bis hinüber nach Korfu. Bei schönem Wetter. Wir allerdings sind froh, überhaupt 50 Meter weit sehen zu können. Der Pass ist komplett nebelverhangen, die Temperaturen gehen oben auf 9° zurück.

Direkt bei der Ausgrabungsstätte Apollonia liegt ein kleiner, neu angelegter Stellplatz, auf dem wir dem jetzt aufgekommenen Starkwind den Rest des Tages und die Nacht hindurch trotzen. Man sieht förmlich die Hoffnung des Besitzers, durch den zwar mit einfachsten Mitteln, aber umso mehr mit viel Sorgfalt errichteten Platz ein wenig zu Geld zu kommen. Nicht nur an dieser Stelle fühlen wir uns in unserer Haltung bestätigt, nicht immer und überall frei zu stehen - in Albanien erlaubt und an vielen Stellen unproblematisch. Diese Menschen haben das bisschen Einkommen verdient, auf das sie mit ihren Anstrengungen und Investitionen hoffen. Und es gibt sowieso mehr als genug nicht vollendete oder Pleite gegangene Bauprojekte in Albanien, da muss dieser Campingplatz nicht auch noch dazu gehören. Ganz vorne in der Liste der Bauruinen rangieren unserem Anschein nach im übrigen geschlossene Tankstellen – geschätzt ebenso viele wie Tankstellen, die (noch) in Betrieb sind.

Apollonia - Original und...

Apollonia - Original und...

...Reste

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© Andreas Kirchner, 2023
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Tour mit dem Wohnmobil nach Albanien
Details:
Aufbruch: 16.09.2023
Dauer: 9 Wochen
Heimkehr: 14.11.2023
Reiseziele: Kroatien
Montenegro
Albanien
Slowenien
Der Autor
 
Andreas Kirchner berichtet seit 9 Monaten auf umdiewelt.
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