Bolivien

Reisezeit: Oktober / November 2006  |  von Ilona Fallaschek

Potosí

06.10.2006 - 07.10.2006 Potosí - Tupiza

Gegen 16 Uhr sind wir dann in Potosí auf ca. 4100m Höhe. Der Bus hält interessanterweise vor dem Terminal ... wir wundern uns, holen dann unsere Rücksäcke und marschieren dann ins Terminal um die Bustickets für morgen zu kaufen. Der kurze Weg zum Terminal hoch ist schon ganz schön anstrengend ... die Höhe lässt grüßen!
Per Taxi fahren wir dann zum Hostal Felcar. Im Hostal unterhalten wir uns mit ein paar frustrierten Engländern (Höhe nix, Essen nix, Internet-Café zu langsam ....) und einer frustrierten Israelin (nix wie weg aus Bolivien, da zu viele Streiks ....) ... aber wir beschliessen, uns davon nicht beeinflussen zu lassen! Wir gehen ins Internet-Café, buchen dann für morgen eine Minen-Tour bei Koala-Tours und gehen dann noch Abendessen. Dazu gibts viel Mate de Coca ... soll ja bekanntlich gegen die Höhenkrankheit helfen!

Die Nacht haben wir beide dann ziemlich bescheiden geschlafen. Trotz dass ich eigentlich totmüde war, lag ich die ganze Nacht lang wach im Bett. Das Zimmer war zwar ganz ok, aber da die Bolivianer von Heizung noch nie was gehört haben (ich wüsste auch nicht, von was die hier heizen sollten ... auf dieser Höhe gibt es ja kaum Bäume!) hatten wir jeder 4 Teppiche (für Nicht-Schwaben: Wolldecken) zum zudecken ... das war dann in etwa so gemuetlich wie in ner Schachtel schlafen ... voellig störrisch und schwer. Petra hat dann irgenwann mitten in der Nacht frustriert aufgegeben und ihren Schlafsack rausgekrustelt. Tja, und die Höhe hat ihr übriges zu unserem Schlafmangel beigetragen!

Am Samstag stehen wir dann nach der schlaflosen Nacht um 6:45 Uhr auf, packen, machen eine "Schnellwäsche" (das Wasser ist viel zu eisig!), zahlen unsere Hotelrechnung und suchen uns dann was zum frühstücken. Leider hat noch alles zu und so landen wir schliesslich im Internet-Café von gestern. Wie wir später feststellen, hat sich hier die halbe Koala-Tours-Tourgruppe versammelt ... die anderen haben wohl auch nix anderes zum frühstücken gefunden! Immerhin war das Frühstück gut und Petra hat sogar noch ein "agua con gas" erstanden nach dem sie schon tagelang gesucht hatte. Ein paar von den Tourguides wollten das dann später auch mal probieren (die kannten das nicht ...) .... allerdings hat es ihnen überhaupt nicht geschmeckt! Die Gesichter waren echt komisch, die haben geschaut, als hätten wir ihnen was total ekliges zu trinken gegeben ....

Um 8:15 Uhr ging dann die Tour in die Minen von Potosí los.
Das war ja mal ein Erlebnis, sowas gibts woanders auf der Welt bestimmt nicht so schnell wieder! Zuerst wurden wir mit Hosen, Jacken, Gummistiefeln, Helmen und Helmlampen eingkleidet. Dann gings auf den Markt um Geschenke fuer die Miner zu kaufen. Dort gabs dann zuerst mal Kokablätter fuer uns ... danach fühlt man sich doch gleich viel besser! Ist wirklich gut für die Höhe! Dann haben wir Soda, Kokablätter und Dynamit (0,80 Euro für das Dynamit, 0,40 Euro für den Zünder und 0,50 Euro für Lunte und irgendso Kügelchen die das ganze besser detonieren lassen) gekauft.

Petra und das Dynamit.
Petra and the dynamite.

Petra und das Dynamit.
Petra and the dynamite.

Weiterverarbeitungs"fabrik"
Processing-plant

Weiterverarbeitungs"fabrik"
Processing-plant

Dann gings zum Cerro Rico (dem reichen Berg). Hier wird seit hunderten von Jahren Silber abgebaut. Heutzutage ist der Silberanteil allerdings recht gering und es werden hauptsächlich andere Mineralien abgebaut. Im Cerro Rico arbeiten zur Zeit 39 Minengesellschaften. In der Candelabria-Mine die wir besuchen, arbeiten etwa 200 Mann in 13 "Familien-Gruppen". Jede Gruppe arbeitet in einem Sektor unabhänging von den anderen Gruppen .... ich frag mich nur, wer das ganze koordiniert ... irgendwann muss doch die eine Mine in die andere einbrechen ....

Potosí

Potosí

Cerro Rico

Cerro Rico

Die Mine war dann das absolute Erlebnis!

Candelabria-Mine

Candelabria-Mine

Ich glaub, dahin bringt mich so schnell keiner mehr! Da gehts zu wie vor 200 Jahren!

Petra im 1. Level

Petra im 1. Level

Petra ist nach den ersten paar hundert Meter (auf denen man zumindest noch fast aufrecht laufen konnte!) umgedreht (mit ein paar anderen). Hab das leider nicht mitbekommen und bin also weiter .... durch superenge Tunnel auf allen Vieren (alles total staubig, daher mit Atemmaske) ging es zwei Level bergab ... bin nur froh, dass mir nix aufn Kopf gefallen ist! Unten waren dann die Miner bei der Arbeit ... 30° C ... ein paar schieben volle Loren (1 Tonne Gestein) rennend hin und her.

3. Level ...

3. Level ...

Unser Weg ging auch über diese Leiter ...
Our way went via this ladder as well ...

Unser Weg ging auch über diese Leiter ...
Our way went via this ladder as well ...

Ein paar andere schaufeln und einer haut mit Hammer und Meisel Löcher für das Dynamit in den Fels. Er sitzt in einem Loch, in dem ich gerade mal aufrecht knien kann, hat die ganze Backe voller Koka und hämmert 12 Stunden lang (heute, da Samstag ist, nur 10 Stunden!) Löcher ... für eins braucht er vier Stunden ....

Backe voll mit Kokablättern.
Cheek full with Cocaleaves

Backe voll mit Kokablättern.
Cheek full with Cocaleaves

Die Miner fangen meist schon im Alter von 10 oder 11 Jahren an dort unten zu arbeiten (die kleinen Jungen passen auch viel besser durch die engen Tunnel!) und werden meist nicht älter als 40 Jahre. Die meisten sterben an Lungenfibrose. Während der Schicht in der Mine wird nichts gegessen (das wäre wegen des Staubs zu ungesund und die Zeit um aus der Mine raus zu gehen wäre vergeudet!), die Männer trinken nur und kauen natürlich den ganzen Tag lang Koka.
Tja, und dann mussten wir das ganze wieder hoch, auf allen vieren bei mindestens 80 Grad Gefälle (oder jetzt Steigung ..) ... und das ganze auf 4500 Meter Höhe .... heissa, da kommt Freude auf!

Nach der Mine gehen wir nochmal zurück ins Hotel und wollen eigentlich den Staub abduschen. Es gab sogar warmes Wasser ... allerdings nirgends eine Steckdose für den Fön. Die gabs nur auf den Zimmern, aber das hatten wir ja keines mehr. Also fiel das Haare waschen leider aus und wir haben uns mit verstaubten Haaren auf den Weg zum Busterminal gemacht.

Es folgte eine etwas abenteuerliche Busfahrt. Das war in etwa so: wir haben bei irgendeiner Busgesellschaft (wir kannten ja keine und hatten somit sowieso keine Vergleiche ...) ein Ticket von Potosí nach Tupiza gekauft. Abfahrt 20 Uhr, Ankunft 4 Uhr.

Dann standen wir im Terminal und haben auf den Bus gewartet, da kam ein Bus angefahren ...

Petra: Hey schau Dir mal den Bus an, der ist ja total verratzt ... und schau Dir mal die Sitze hinter dem Fahrer an ... Gott sei Dank ist das nicht unserer!

Ilona: Bis Du Dir sicher??? Schau mal was auf dem Bus steht!

Petra: Chiceño .... oh, das ist ja doch unserer ... Scheiiiisse!

Die Sitze hinter dem Fahrer waren natürlich unsere!

Petra: Hey, guck mal, das Schaf .... das fährt bestimmt bei uns im Bus mit .... das wird bestimmt unten in den Gepäckraum eingeladen ... Schönes Schaf!

Ilona: Naja, dann hoffen wir mal, dass das schöne Schaf nicht auf unsere Rucksäcke pinkelt und so ...

Petra: Ohhhh, da hab ich ja noch gar nicht dran gedacht ...

Wir also in den Bus rein, unsere "tollen Plätze" hinter dem Fahrer eingenommen (diesmal hat uns keine Tür vom Fahrer getrennt ..). Meine Stuhllehne war nur noch provisorisch verstellbar ... sprich wenn ich mich angelehnt habe ist die Lehne automatisch nach hinten ... sobald der Druck weg war wieder vor ...

Das neueste an dem Bus war sowieso das Autoradio ... das war mindestens 30 Jahre jünger als sämtliche anderen Busteile.

Neben uns hat sich dann so eine Quechua-Frau (so um die 40) mit einer abfaulenden Frontzahnpartie niedergelassen und gleich heftigst mit dem Fahrer geflirtet.

Derweil wurden oben vom Busgesellschafts-Büro im Terminal die Gepäckstücke an einem Seil runtergelassen und unten in den Bus eingeladen. Dem Schaf wurden die Beine zusammengebunden und ebenfalls unten eingeladen.

Mit 20 Minuten Verspätung gings dann los .... meistens ohne Licht, für was auch, in Potosí fahren ja genug Autos mit Licht rum und ausserdem gibts ja auch Strassenlaternen. Das Licht wurde dann nur eingeschaltet, wenn irgendwelche anderen Fahrzeuge im Weg rumstanden ...

Kaum aus Potosí raus, haben wir schon das erste mal angehalten. Der Busboy (= der Mitfahrer fuer die Hilfsdienste) ist zur Mautstelle gerannt und die Quechua-Frau hat Schnaps furer den Fahrer gekauft. Dann gings weiter. Busboy hat alle 2 Minuten die Scheibe von innen geputzt ... die Lüftung hat wohl nicht funktioniert! Quechua-Frau hat sich derweil samt ihrer "Türkentasche" auf dem Boden neben dem Fahrer (sprich: in MEINEM Fussraum!) niedergelassen und hat im heftigst ins Ohr gesäuselt. Dann gabs gleich mal Schnapps und Zigaretten und weiter gings .... Fussraum Ade!

Nach ner guten Stunde hat der Bus auf einmal ausserst komische Geräusche von sich gegeben ... wir haben schon eine Reifenpanne vermutet. War dann aber doch irgendein Riemen. Es wurde ne halbe Stunde lang rumgehandwerkt und weiter gings ... allerdings haben wir wegen dieses Riemens noch mindestens 5 mal angehalten ...

Zigarettenpause für Petra
Cigarettebreak for Petra

Zigarettenpause für Petra
Cigarettebreak for Petra

Nach ner Weile hat dann der Asphalt aufgehört und es ging auf den üblichen Sand-Schotterpisten weiter. Der LKW vor uns hat natürlich eine Riesenstaubwolke hinterlassen und wir sind bei einer Sichtweite von maximal 3 cm (wir sassen ja ganz vorne und hatten einen Super-Ausblick durch die (immer wieder geputzte) Windschutzscheibe) in vollen Karacho hinter dem LKW hergedonnert ... der Fahrer hatte bestimmt telepathische Kräfte ... oder Röntgenaugen ... oder auch beides. Hoffentlich!!!

Mit dem Gehoppel der Sandpiste ging dann das nächste Drama los: Die Schiebefenster haben sich automatisch geöffnet! Unseres Gott sei Dank nicht ... aber das gegenüber ... und es wurde richtig schön kalt im Bus.
Auch die Bustür (die sich ja sowieso nur noch von Hand schliessen liess) hat sich durch das Gehoppel automatisch geöffnet. Also musste der Busboy daneben stehen und sie zuhalten. Nach ner Weile wurde ihm das zu dumm und er hat an der oberen Türangel einen Strick befestigt, hat sich hingesetzt und die Bustür am Strick zugehalten .... )

© Ilona Fallaschek, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nachdem wir auf unseren bisherigen Südamerikareisen immer nur tolles über Bolivien gehört hatten, haben wir beschlossen, uns dieses Land einmal anzusehen ... allerdings wollen wir hautpsächlich im Hochland bleiben.
Details:
Aufbruch: 01.10.2006
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 04.11.2006
Reiseziele: Brasilien
Bolivien
Der Autor
 
Ilona Fallaschek berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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