Komm! Draussen wartet die Welt ...

Reisezeit: September 2007 - September 2008  |  von Nicola Stratmann

Hampi - mein neues zu Hause: "Alltag" und so

Im vorherigen Kapitel habe ich etwas von einem besseren Einblick in den "indischen Alltag" geschrieben ... hm, was IST denn eigentlich indischer Alltag?! Natuerlich kann ich diese Frage nur aus der Perspektive einer Aussenstehenden beantworten - ich kann beschreiben, wie ICH den Alltag der Inder beobachte, erlebe, sehe. Und: Es ist ein Alltag, der sich in einem sehr touristischen Dorf abspielt! Ausserdem kann ich euch von meinem Alltag hier erzaehlen, vielleicht sogar etwas verallgemeinert ueber den Alltag eines "Travellers" hier in Indien. Vielleicht.

Ich fange mal mit dem Alltag der InderInnen an, wie ich ihn waehrend meiner Reise durch Indien beobachtet habe ... und zwischendrin gibts bestimmt auch die ein oder andere "Witzigkeit", die mir wieder ins Gedaechtnis kommt und vielleicht ein bisschen zum Lachen bringt!

Zum Beispiel gerade - der Typ vom Internetcafe wollte mir helfen, so ein nerviges Popup am Bildschirm weg zu klicken und setzt sich neben mich... dann ein lautstarker Ruelpser direkt in mein Ohr. Ich muss schmunzeln, er verzieht keine Miene, warum auch?!

Es gibt so vieles, was fuer mich mittlerweile so "normal" ist hier in Indien, dass ich es gar nicht mehr erwaehne, aber ich glaube gerade diese kleinen, alltaeglichen Dinge sind etwas, ueber das es sich zu schreiben lohnt, denn DAS macht die Atmosphaere Indiens aus!

Heute Nacht etwa - ich konnte nicht schlafen, weil die Kuehe vor meinem Zimmerfenster ne Versammlung abgehalten haben. Ich habe rausgeguckt um zu sehen, woher diese seltsamen Geraeusche kommen und war noch nicht einmal ansatzweise verwundert, als ich da die Kuehe hab stehen und liegen sehen.

Als ich dann darueber nachdachte, wie sehr mich das am Anfang der Reise noch "fasziniert" hat, UEBERALL Kuehen zu begegnen, und ich sie staendig fotografiert habe, ist mir klar geworden, dass ich dieses Strassenbild tatsaechlich schon vollkommen verinnerlicht habe. Fuer mich ist es jetzt ganz "normal", auch ich warte geduldig in einer engen Gasse, bis eine Kuh mich vorbeilaesst. Auch ich weiche tagtaeglich dem Kuhmist aus, der hier ueberall auf den Strassen liegt und wenn ich doch mal aus Versehen reingetreten bin, na dann ist das halt so. Ist keine grosse Sache mehr - Shit happens!

Aber zurueck zum Alltag. Hier spielt sich beinahe alles Leben auf den Strassen und vor den Haeusern ab. Die Menschen sitzen draussen, unterhalten sich, kaemmen sich die Haare (die Frauen in Suedindien kaemmen Kokosnussoel in ihre Haare, was sie extrem glaenzen, aber auch extrem fettig aussehen laesst. DAS in blonden Haaren geht mal gar nicht! - dazu liegt der Kokosnussgeruch hier ueberall in der Luft, um auch mal ein paar sinnliche Eindruecke zu vermitteln ), schnippeln Gemuese, trocknen Gewuerze, waessern die Strasse, damit es nicht so staubig und heiss ist, kauen Betelnuesse, trinken Chai ... alles wirkt beinahe ein wenig wie in Zeitlupe, denn es ist sehr HEISS und sehr staubig hier in Hampi und man muss sich seine Energie schon gut einteilen, damit man den Tag hier uebersteht.

Ganz generell wuerde ich sagen, dass die Frauen hier vor allem fuer den Haushalt zustaendig sind. Das Waschen der Kleidung beispielsweise nimmt einen sehr grossen Teil der Tagesarbeit in Anspruch. Die meisten gehen dafuer zum Fluss, denn dort ist das Wasser nicht knapp (jedes Haus hat hier seinen eigenen Tank, der - so glaube ich es zumindest verstanden zu haben - einmal die Woche aufgefuellt wird). Am Fluss "treffen" sie sich, waschen ihre Waesche und tratschen, lachen, diskutieren dabei ... sieht eigenltich immer ganz "nett" aus, die Atmosphaere unter den Frauen, auch wenn die Arbeit echt hart ist. Sie sitzen die ganze Zeit relativ gekruemmt, das Schlagen der Kleidungsstuecke auf die Steine kostet Kraft (das tuen sie, um den Dreck besser heraus zu bekommen), die Sonne brennt.

Aber die indischen Frauen habens hier sowieso nicht leicht, was die Art ihrer Arbeiten angeht.
So tragen die teilweise so zierlichen Frauen auf ihren Koepfen riesige Fruchtkoerbe, Massen an Holzaesten, schwere Steine fuer Bauarbeiten. Es sieht so anmutig aus, wie sie die schweren Lasten auf ihren Koepfen balancieren, den Ruecken gerade gestreckt, die Bewegungen so koordiniert und ruhig. So aehnlich, wie es die Models tun, wenn sie "laufen lernen" - mit nem Buch auf'm Kopf - same-same, but totally different!!

Die Maenner tragen hingegen (fast) nie etwas. Sie haben meistens die Jobs in den Restaurants, "am Kunden" (ich habe noch nie eine weibliche Kellenrin hier gesehen), fahren Rikscha und Bus, verkaufen in den Laeden (was aber auch Frauen machen). Abends sitzen sie viel an den Chaikuechen und in den Dhabas und kauen Betelnuesse, rauchen Bidis, essen, quatschen, rufen den westlichen Touristinnen billige Anmachsprueche hinterher (vor allem die juengeren Typen).

Das ist eh so ne Sache hier - ich fuehle mich schon sehr oft eher unwohl mit den indischen Maennern, denn sie suchen einerseits so viel Kontakt und Kommunikation, aber meistens (wenn nicht immer) ist dies auf "das eine" ausgerichtet - sie wollen dich anmachen oder aber etwas verkaufen, oder gar beides. Manchmal rutscht auch eine Hand ganz aus Versehen aus und landet auf dem (also meinem) Po oder der Brust. Dann allerdings brennen bei mir die Sicherungen durch und so hat schon die ein oder andere Ohrfeige seinen Platz auf ner indischen Backe gefunden! Selbst schuld!

By the way - also die indischen jungen Maenner sind ja mal so gar nichts fuer mich. Obermachomaessig, aufdringlich, cool (uebertrieben!) ... aber dann sowas wie nen pinkes Handy in der Hand oder nen Pokahontas-Rucksack auf dem Ruecken Schon klar das ich gerade fies verallgemeinere, aber ich muss echt oft schmunzeln, wenn ich von nem "halbstarken Inder" (die sind ja auch alle noch dazu soooo skinny!) mit nem obercoolen Spruch "angemacht" werde und er mir dann ganz stolz irgend nen Kitsch von ihm zeigt, um mich damit zu beeindrucken ... jaja, Kulturen sind tatsaechlich different! Aber gut so!

Die Frauen hingegen sind eher zurueckhaltend, oft richtig schuechtern, und reden sehr wenig (zumindest nicht mit Westlern). Es ist sehr schwer an sie "ran zu kommen". Ich ahne, dass alleinreisende Maenner generell einen besseren Einblick in das Leben in Indien bekommen koennen, denn sie haben wenigstens die Maenner, die "normal" mit ihnen sprechen,und sie nicht anmachen wollen (auch wenn das hier in Indien ganz normale Haendchenhalten zwischen Maennern bei "Westlern" oft einige Ueberwindung kostet ... allzu viel Koerperkontakt zwischen Maennern ist ja bei "uns" eher nicht so der Fall).

Dennoch - die meisten Gespraeche - ob Mann oder Frau - beschraenken sich hier schon sehr auf Verkaufsgespraeche, was von Zeit zu Zeit extrem anstrengend, aber auch schade ist. Irgendwann geht es immer um Rupees, oder die Frage, was "man" denn so in Europa verdient, was die Uhr gekostet hat, der Fotoapparat, die Halskette... ich verstehe diese Neugierde auf der einen Seite, auf der anderen fuehlt man sich schon manchmal zu sehr reduziert und wuenscht sich einfach mal ein "normales" Gespraech, ohne Euros, Rupees oder sonstwas im Inhalt. Aber wie gesagt - es handelt sich hier um touristische Orte, von denen ich berichte!

Mir ist es bis jetzt erst einmal gelungen, eine wirkliche Kommunikation mit einer Frau zu fuehren, die ueber das uebliche "Where do you come from?"- Blabla hinaus geht. Das war in Varanasi mit einer Chaifrau und es war wirklich sehr schoen, endlich mal mit einer indischen Frau ueber "Alltaegliches" zu quatschen und gemeinsam zu lachen ... so zum Beispiel erzaehlte sie mir, wie sehr sie den Typen am Chaistand nebenan mag und wollte Ratschlaege von mir, was sie denn machen koennte, damit er sie wahrnimmt - fast wie unter Freundinnen "zu Hause"

Mir faellt gerade etwas ueber den "Alltag" in Restaurants ein. Im Grunde spiegeln sie so einiges wieder, was man auch auf Indien generell uebertragen koennte.
Da waeren zum Beispiel die Wartezeiten. Eine Regel: Gehe nie in Indien essen, wenn du schon Hunger hast! Immer ca 1 1/2 Stunden vorher bestellen, dann hat man die Chance auf sein Essen, wenn der Magen tatsaechlich knurrt. Ich habe nicht selten auf ne stinknormale Cola ueber eine halbe Stunde gewartet, obwohl das komplette Restaurant fast leer war. Da kan man sich ausmalen, wie lange z.B. ein Gericht dauern kann ...

ALSO: Santi, shanti - eine wichtige Einstellung, wenn man sich nicht staendig aufregen moechte! Ist das Chaiglas am Rand noch dreckig (was eigentlich immer der Fall ist), akzeptiert man es besser ... sonst kommt der Kellner mit nem noch dreckigeren Lappen und wischt das Glas am Tisch damit "sauber". Dabei muss ich gerade an einen Satz von Birgit denken, der ungefaehr wie folgt lautete: "Man, ich verstehe das einfach nicht. Die wischen hier den Tisch mit Lappen ab, mit denen ich zu Hause nichtmal im Motor meines Autos rumwerkeln wuerde". Und sie hat recht!

Ausserdem ist es besser, sich daran zu gewoehnen nicht das zu erwarten, was man tatsaechlich bestellt hat. Nach dem Motto "Gegessen wird was auf den Tisch kommt" passiert es nicht selten, dass Dinge einfach "aus" sind, dies aber dem Kunden nicht gesagt wird. Erst wenn das Essen dann nach einer Ewigkeit kommt, und man bspw. anstatt einem Tomate-Zwiebel-Omelett ein Tomate-Zwiebel-Sandwich vor sich stehen hat, heisst es: "Yes, but the eggs are finished, madam!". Ok, warum sie das nicht einfach gleich sagen ist mir echt ein Raetsel, aber meistens begnuegt man sich dann doch mit dem was man schon hat, denn sonst muesste man ja wieder warten, bis das naechste nicht kommt ...

... oder das die Getraenke fast nie kalt sind, sie es aber immer behaupten. Ist schon lustig, weil tatsaechlich fast jeder Traveller immer "but cold, please" hintendran haengt, aber schon genau weiss, dass es wahrscheinlich eh nicht kalt kommt ... In Palolem haben Or und ich an unserem letzten Abend zwei Glaeser Rotwein bestellt. Nach laaaaanger Wartezeit haben wir nochmal nachgefragt, weil sie immer noch nicht da waren. "Sorry, but the red wine is not cold, Sir" war die Antwort ... man, was mussten wir lachen! Unsere Erklaerung, dass ausgerechnet red wine als einzige Ausnahme NIE cold sein sollte, fanden die Kellner dann auch lustig, aber verstanden haben sie es - glaube ich - nicht. Denn das zweite Glas (diesmal Weiswein, weil indischer Rotwein - so ganz nebenbei - nicht unbedingt zu empfehlen ist) war dann wieder warm... hm. Aber: woher sollten sie das auch wissen, wenn sie selbst nicht trinken?! Alkohol und Indien passt eh nicht wirklich zusammen ... aber ab und zu mach ichs dann trotzdem!

"Expect the unexpected" - das steht als "einfuehrender Leitsatz" im Lonely Planet India. JA, da kann ich echt nur zustimmen!

Auf der anderen Seite sind die indischen Kellner tatsaechlich die Ruhe selbst - so viele "nervige" Gaeste, die alle (die immergleichen) Erklaerungen zu den indischen Gerichten einfordern und dann alles nach ihren Wuenschen "ummodeln" wollen. Ich als ebenfalls erfahrene Kellnerin wuerde da tatsaechlich irgendwann durchdrehen! Sie aber wackeln nur freundlich mit dem Kopf und beantworten jede noch so dumme Frage, als haetten sie sie zum ersten Mal gehoert - Respekt!!

Oh, jetzt fallen mir gerade so viele "Kleinigkeiten" ein, die ich euch noch erzaehlen koennte ... also noch schnell was zur "Ruhe selbst" der Inder -

Ich war vor ein paar Tagen auf der Suche nach einer ganz bestimmten Tasche und bin in einen Taschenladen rein, um nach ihr zu fragen. Ich habe sie dort nicht haengen sehen, also fing ich an zu beschreiben ... der Mann - so dachte ich es zumindest - verstand sofort und suchte bestimmt ne viertel Stund in allen Moeglichen Ecken und Kisten, liess andere Kunden warten, "ging noch einmal in sich" und suchte weiter ... bis er dann stolz, grinsend und wackelnd einen KINDERSITZ aus einem Karton hervorholte - na, fast!

MENNO!!! ICH HABE GERADE FAST EINE STUNDE UMSONST GESCHRIEBEN, WEIL SO EIN SCHEISS (sorry) POWERCUT WIEDER DAZWISCHEN GEFUNKT HAT!!!! Wie war das mit shanti, shanti ...?!

Na, ich habe nie behauptet, dass ich da drin gut bin!!

So, dann war's das jetzt von mir, ich bin genervt ...

*Shub Ratri*
(Gute Nacht)

So sieht es aus, wenn vier deutsche Maedels einen Ausflug zum See machen ... Inder immer mit dabei!

So sieht es aus, wenn vier deutsche Maedels einen Ausflug zum See machen ... Inder immer mit dabei!

In den Strassen Hampis ...

In den Strassen Hampis ...

Einfach nur ein schoenes Motiv ...

Einfach nur ein schoenes Motiv ...

Olivia beim Waschen a la India ... rechts daneben werkeln die Profis!

Olivia beim Waschen a la India ... rechts daneben werkeln die Profis!

Schlafende Menschen ueberall - ein alltaegliches Bild.

Schlafende Menschen ueberall - ein alltaegliches Bild.

Am See ... angeblich gibts da Krokodile ... also, wenn ich mal laenger nicht schreibe sollte ...

Am See ... angeblich gibts da Krokodile ... also, wenn ich mal laenger nicht schreibe sollte ...

AUCH ein Alltag in Hampi

AUCH ein Alltag in Hampi

Touristenalltag - Sighsteeing in Hampis "Steinwueste"!!

Touristenalltag - Sighsteeing in Hampis "Steinwueste"!!

Der Blick aus einem Internetcafe - soooo anders als zu Hause und ich habe mich schon sooo daran gewoehnt!

Der Blick aus einem Internetcafe - soooo anders als zu Hause und ich habe mich schon sooo daran gewoehnt!

© Nicola Stratmann, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Meine Reise nach Indien, Sri Lanka, Thailand ... und was mir sonst noch begegnen möchte.
Details:
Aufbruch: 15.09.2007
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 03.09.2008
Reiseziele: Indien
Havelock Island
Thailand
Der Autor
 
Nicola Stratmann berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Nicola sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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