Railroad Crossing - mit dem Zug quer durch die USA: New York - San Francisco

Reisezeit: Mai / Juni 2007  |  von Markus Keune

19.05. Washington DC

Was? Schon wieder Morgen? Die schöne Zeit, den Jetlag auszunutzen, ist vorbei, das Aufstehen fällt wieder schwerer. Aber anmerken lassen sollte ich es mir jetzt nicht zu sehr, bin ja nicht mehr alleine.
Zusammen mit Yvonne suchen wir in der Nähe unseres Hotels eine Möglichkeit zu frühstücken und werden in der Old Post fündig. Etwas paranoid finde ich allerdings die Sicherheitskontrollen am Eingang. Für jeden Einkauf in dieser Passage muss man durch einen Metalldetektor und seinen Rucksack durchleuchten lassen.

Gut gestärkt schlendern wir ein wenig herum und entdecken dabei einen vom Ranger bewachten Aufzug. Freudig spricht er uns an, ob wir nicht Lust hätten, die Aussichtsplattform zu besichtigen. Es wäre auch kostenlos. Klar haben wir Lust, denn wer will es sich nicht entgehen lassen, dass einem eine ganze Stadt zu Füßen liegt?
Schon alleine die Fahrt mit dem Aufzug lohnt sich. Kurz, bevor er im Glockenturm verschwindet, hat man einen schönen Blick von oben auf die Markthalle im Innern, die sich unter der kühnen Dachkonstruktion verbirgt.

Als wir uns endlich vom Anblick der in der Sonne glänzenden prächtigen Bauten verabschieden können, ist es draußen bereits sommerlich warm geworden. Am Weißen Haus gesellen wir uns zu den Dutzenden Touristen, denn natürlich darf auch ein Foto vom Weißen Haus nicht fehlen, das man wegen der weiträumig abgesperrten Gärten wenigstens ganz ohne Touristen ablichten kann. Früher konnte man auf dieser Straße sogar noch mit seinem Privatwagen entlang fahren, doch wie überall werden die Sicherheitsvorkehrungen immer schärfer. Es wundert mich schon, dass man wenigstens als Fußgänger noch am Zaun entlang laufen darf, natürlich unter strenger Beobachtung, dass man auch ja nicht in die falsche Richtung niest.

Gegen Mittag wird es Zeit für das Washington Monument. Obwohl wir für eine feste Uhrzeit gebucht haben, müssen wir noch ein wenig warten. Lieber wäre es mir zwar gewesen, früher am Tag das Türmchen zu besteigen, um ein wenig das Morgenlicht ausnutzen zu können, aber das durften wir ja auf dem Old Post Office Tower genießen. Also kein Grund, sich zu beschweren. Und auch über die Warterei darf ich mich nicht beschweren, denn für so alte Semester wie mich gibt's ja reichlich Bänke.

Vergleicht man die Aussicht vom Washington Monument mit der vom Old Post Office Tower, fällt vorteilhaft für das Monument auf, dass es höher ist, so dass man einen besseren Überblick bekommt und man ist näher am Reagan National Airport und kann gut die startenden und landenden Flugzeuge sehen, wen es interessiert. Außerdem kann man die Mall und die diversen Monumente wesentlich besser sehen.

Ein großer Nachteil sind aber die schlecht bis gar nicht geputzten Fensterscheiben, die ein Fotografieren doch etwas erschwert, wenn der Zweck der Fotos touristischer Natur ist und nicht eine neue Werbung für Reinigungsmittel darstellt.
Meiner Meinung nach erweist es sich übrigens doch als Vorteil, dass wir zur Mittagszeit hier sind, steht die Sonne doch jetzt so hoch, dass sie nicht mehr frontal in eine Scheibe fällt und den Schmutz darauf noch besser zum Vorschein bringt.
Von hier kann man auch gut das Pentagon erkennen, das nun überraschenderweise doch wieder bei Washington liegt.

Da wir heute schon so viel geleistet haben (zweimal rund ums Weiße Haus gelaufen, weil ich Schussel beim ersten Mal vergessen hatte, neben Fotos auch Filmaufnahmen zu machen), wird es erstmal Zeit für eine Pause. Wir legen uns ins Gras und betrachten das Washington Monument von unten. Aus dieser Perspektive kann man die winzigen Fenster nicht sehen, die sich in der Spitze befinden, dafür sieht man gut die unterschiedlichen Farbtöne der Steine.

Jahrelang stand das Monument unvollendet und wahrscheinlich langschaftsverschandelnd in der Gegend rum, bis man sich endlich aufraffte, daran weiter zu bauen. Die Folge: Die unteren Steine sind bereits nachgedunkelt und unterscheiden sich nun von den oberen. Ein Mahnmal an alle zukünftigen Generationen und eine Bestätigung für den guten mütterlichen Rat, dass man stets zu Ende bringen soll, was man angefangen hat.

Unser nächstes Ziel ist der Arlington Friedhof, den wir über einen beabsichtigten Umweg erreichen. Das Jefferson Memorial lassen wir zwar aus, aber die Wasserfälle am Roosevelt Memorial haben es uns angetan. Kollege Murphy hat auch wieder genügend Leute abkommandiert, uns geradewegs vor die Kameralinse zu laufen. Ja, so sind die Touris halt.
Zurück in der Mall ist einiges los. Jeder versucht auf seine Art, überflüssigen Schweiß loszuwerden. Ein paar Mädels bei einer Runde Fußball auf der Wiese, andere stellen sich mit Schlips und Kragen in die heiße Sonne für ein Foto vor dem Lincoln Memorial.

Weit ist es nicht mehr bis zum angestrebten Friedhof. Nur noch über den Potomac und schon sind wir an der U-Bahn Station Arlington Cemetery, die relativ weit vom Eingang entfernt liegt und somit nicht gerade viele Amerikaner überzeugen kann, auf die U-Bahn umzusteigen.
Am Eingang geht es dann auch als Fußgänger nur noch im Stop-and-Go Verkehr voran, wobei es mich ein wenig erstaunt, dass das Grab des Präsidenten Kennedy noch vergleichsweise wenig besucht ist. Die meisten sind wohl auf dem Weg zum Tomb of the Unknown, was auch unser nächstes Ziel sein wird, um uns die Wachablösung anzusehen.
Wir kommen ein wenig vor halb an und sehen, wir eine besondere Zeremonie gerade im Gange ist. Leider können wir fast gar nichts sehen, so viele Menschen stehen vor uns.
Zwei Schüler werden von einem Soldaten nach vorne begleitet und legen einen Kranz nieder. Das war alles. Ratlose Blick und die ersten gehen. Auch wir gehen, aber nicht weg, sondern weiter nach vorne, um die frei werdenden Lücken aufzufüllen. Ich habe da so eine Ahnung.
Etwa 5 Minuten später beginnt dann die eigentliche Wachablösung, die wir uns in erster Reihe bei stark dezimiertem Publikum ansehen.

Langsam aber sicher treten wir den Rückweg zur weit entfernten U-Bahn an. Egal, in welche Richtung man nun zu reisen wünscht, man darf sich in lange Geduld üben. Auf unserer Seite kommt und kommt keine Bahn eingefahren und in die Gegenrichtung steht dafür ewig lange ein Zug ohne erkennbaren Grund herum ohne abzufahren. Ich frage mich, auf welcher Seite ich lieber wäre und entscheide mich nach dem Prinzip, "des Nachbarn's Rasen ist ja immer viel grüner" für die Gegenseite, denn die darf ja wenigstens sitzen.

Zurück in der Innenstadt nagen wir wieder am Hungertuch und entschließen uns, weil heute Samstag ist, zur Feier des Tages ins Hard Rock Café zu gehen. Dort erleben wir alles nur nicht gerade große Gastfreundschaft. Es laufen so viele Bedienungen in dem Laden herum, die meisten, ohne überhaupt etwas mit sich zu führen, von einer Ecke in die nächste - und wieder zurück, aber die 4-6 freien Tische (Zahl schwankt mit der Zeit), die ich von der Bar, wo wir warten, erkennen kann, werden über 10 Minuten oder mehr nicht besetzt, manche sogar überhaupt nicht in der ganzen Zeit, in der wir warten. Dann endlich wird wieder ein Tisch zugeteilt und das ausgerechnet an das Paar, das nach uns zur Tür herein gekommen ist. Es reicht!
Als ich mich am Empfang noch einmal erkundige, wann wir endlich an der Reihe seien, scheint man uns auf der Liste überhaupt nicht zu finden. Wir wurden schlichtweg vergessen. Ich kann am Gesichtsausdruck meines Gegenübers erkennen, wie er intensiv versucht, in Gedanken vom Flohmarkt einen Tisch für uns zu organisieren und hofft, dass er Wirklichkeit wird, damit wir ja in der nächsten Minute wo Platz nehmen könnten, doch zu spät, ich komme ihm zuvor und verabschiede mich. Es wird sonst einfach zu spät. Wir wollen gleich zum Baseball und bis wir bestellt haben, bis das Essen endlich kommt, bis wir die große Mahlzeit aufgegessen haben, bis wir abgewaschen haben, weil die Kreditkarte abgelehnt wurde- ne, das wird einfach zu spät. Da geht ja die Sicherheitskontrolle im Old Post Office schneller und daher schnappen wir uns dort im vorbeigehen einfach einen Bissen von einem Sandwich.

Was hier mitten in der Stadt einfach fehlt, ist ein guter Subway, wobei mir bei Subway direkt noch eine Anekdote einfällt. Als die Restaurantkette nach und nach auch in Deutschland etabliert wurde, hatte ich mal gelesen, Düsseldorf bekäme jetzt auch ein Subway. Weil mir das Restaurant überhaupt nichts sagte, dachte ich nur: Was soll der Blödsinn? Düsseldorf hat doch seit Anfang der 80er Jahre eine U-Bahn, so neu ist das Thema doch gar nicht.

Neu ist für mich dagegen, ein Baseball-Spiel live anzusehen. Die Idee dazu entstand ganz kurzfristig, als wir uns wenige Tage vor Abflug über amerikanischen Sport unterhielten und ich bemerkte, ich wollte schon immer einmal ein Baseballspiel live sehen. Gesagt - getan.
Ich muss allerdings kleinlaut gestehen, dass ich es vor der Reise teilweise wieder bereut hatte, denn Baseball gehört meiner Meinung nach nicht unbedingt zu den unterhaltsamsten Sportarten. Ich kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, wo ich Gastschüler in Ohio war und wir all abendlich die Playoffs im Fernsehen angesehen haben bzw. diese im Hintergrund liefen. Niemand hat sich für das sich ewig hinziehende Spiel interessiert und meist waren wir auch eher ins Bett als das Spiel aus war.
Ganz anders dagegen mein Eindruck, als ich live im Stadion bin. Das ganze Drumherum, die Atmosphäre, der Jubel, das Pausenprogramm, richtig mitfiebern, live dabei sein, sein Team anzufeuern und hoffen, sie hören einen - ist etwas völlig anderes als daheim vorm Fernseher.

Besonders rechts neben mir machen sich waschechte Washington Nationals Fans breit. Ein Vater ist mit seinen zwei Kindern gekommen. Die Tochter schläft zwar irgendwann zur späteren Stunde, aber Sohnemann feuert seine Nats an, wie er nur kann. Was er dabei den Gegnern so alles wünscht, das gebe ich hier jetzt nicht wieder.
Nur ist das Spiel selbst heute wenig interessant. Zwar gehen wir mit 1:0 im zweiten Inning in Führung, aber danach folgen nur noch Strikes und Balls und ein Inning verfliegt nach dem nächsten. Im 8. Inning dann der Rückschlag, Baltimore gleicht aus, es steht 1:1. Einige der Washington National Fans verlassen bereits das Stadium.

Das Spiel geht in die Verlängerung. Weitere Fans treten die Rückreise an. Es ist bereits nach 23 Uhr, der Preis für die Eintrittskarte ist längst gut angelegt, man bekommt immerhin lange Zeit etwas geboten. Sohnemann rechts neben mir ist noch immer mit Feuer und Flamme dabei, der Vater wird dagegen auch schon ruhiger und gähnt gelegentlich.
Ich nutze es aus, dass die Mädels in der Reihe vor mir bereits nach Hause sind und strecke meine Beine über die Vordersitze aus, mein Fleece-Pulli als Kissen auf der Kante der Lehne.
Dann, im 11 Inning scheinbar die Entscheidung. Baltimore geht in Führung mit 3:1. So gut wie alle National Fans verlassen das Stadium, die roten Mützchen werden weniger, doch Washington gibt nicht auf, kann auf 2:3 verkürzen, hält einige Bases besetzt, bereits 2 Outs kassiert. Alles hängt am letzten Spieler. Go Nats Go! Go Nats Go! Bitte ein Homerun, dann hätten wir gewonnen. Bitte ein Homerun, so etwas hatten wir heute noch nicht. Bitte ein Homerun. Er holt aus und...

...es wird ein Homerun! - für uns. Das Spiel ist aus, die Washington Nationals haben 3:2 verloren, obwohl sie sehr lange Zeit führten. Zu schade nur, dass ich nicht in die Gesichter der Baltimore Fans blicken kann, die vorzeitig abgehauen sind, als es schier aussichtslos war und sie nun erfahren, dass ihre Mannschaft doch gewonnen hat.

Übernachtung: Hotel Harrington - Washington, DC

© Markus Keune, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Zugfahrt einer guten Bekannten musste storniert werden. Heraus kam ein Gutschein, den sie auf meinen Namen ausschreiben ließ - eine nette Geste, doch musste ich so eine Tour finden, die teuer genug ist, den ganzen Gutscheinwert abzufahren. Dann erfülle ich mir halt einfach den Traum und fahre einmal quer durch die ganze USA - mit dem Zug!
Details:
Aufbruch: 16.05.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 02.06.2007
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Markus Keune berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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