Sommer in Kairo

Reisezeit: Juni / Juli 2008  |  von Christina Schlatter

Im Land der Götter und Pharaonen

13.6.2008

Trotz kurzer Nachtruhe versammelten wir uns am Morgen gut gelaunt vor dem Hotel und warteten auf den Car, der uns zu den Pyramiden bringen sollte. Wir stiegen in den angenehm klimatisierten Bus ein und wurden von unserem Tourguide, einer Ägypterin, die sowohl englisch als auch deutsch sprach, in Empfang genommen. Sie erzählte uns, dass Ägyptens grösstes Problem das rapide Bevölkerungswachstum von ungefähr 1,3 Millionen pro Jahr darstellte. An und für sich wäre Ägypten gross genug, doch die fruchtbaren Böden rund um den Nil machen nur rund 3% des gesamten Landes aus. Dort drängt sich die Bevölkerung in engstem Lebensraum zusammen - je näher am Fluss, je höher die Häuser. Quartiere weiten sich zunehmend in die Wüste aus; die Menschen bahnen sich ihren Platz und versuchen mit ausgeklügelten Bewässerungstechniken so viel aus dem Boden zu holen, wie es möglich ist.

Nach einer knappen Stunde Fahrt tauchten am Horizont urplötzlich die Spitzen zweier riesiger Dreiecke aus dem dunstigen Horizont auf - die Pyramiden von Gizeh. Ich war völlig fasziniert: Es ist, als krieche die Stadt unaufhaltsam auf die Pyramiden zu. Vor wenigen Jahrzenten, so unser Tourguide, sei die Gegend zwischen Nil und Pyramiden noch beinahe vollständig grün gewesen. Jetzt aber platzt Kairo aus allen Nähten und hat sich schon bis auf ein, zwei Kilometer den uralten Bauwerken genähert. Leider, so bin ich mir sicher, wird sie davor nicht Halt machen, sondern sich wahrscheinlich bis um die Pyramiden herum ausbreiten.

Staunend betrachteten wir die Szenerie: Ein Touristenbus nach dem anderen lud seine fotogierige Fracht aus, die sofort von ansässigen Leuten mit Kamelritten, Pferdekutschenfahrten, Miniaturpyramiden und Ansichtskarten dazu gebracht werden sollten, sich ihr Geld aus der Tasche ziehen zu lassen. In ungefähr 50 Metern Entfernung ragte der Sockel der Cheopspyramide empor, mit Steinklötzen, die grösser waren als ich und dennoch so präzise aufeinandergestapelt worden waren, dass kein Kitt oder Zement sie zusammenhalten musste. Wie konnten Menschen ohne Motoren und Maschinen ein solches Kunstwerk erschaffen? Und welche Verehrung mussten sie ihren Pharaonen entgegenbringen, dass sie für einen einzigen Menschen eine derartige Kraft und Energie aufwendeten? Obwohl ich schon unzählige Dokumentarfilme über das alte Ägypten und die Pharaonendynastien gesehen habe, war ich mehr als einfach nur verblüfft und konnte kaum die Augen vom einzigen noch existierenden Weltwunder abwenden.

Wenig später krabbelten wir einen langen, steilen Gang hinab, der einer Hühnerleiter glich. Wir bewegten uns in einer Stellung, die man am besten mit einer Mischung aus Hocken und Schlurfen umschreiben kann, vorwärts. Andauernd stiessen wir mit dem Kopf an die niedrigen Decke und versuchten krampfhaft, nicht daran zu denken, dass über uns tausende dieser schweren Steinblöcke standen, die es sich vielleicht nach 4000 Jahren anders überlegen und auf uns herab poltern könnten. Es war schwül-heiss, die Luftfeuchtigkeit betrug mindestens 80% und wir schwitzten wie die Finnen in der Sauna. In der Grabkammer dann eine leise Enttäuschung: Ausser einem hohen Raum, dessen karge Mauern nur schwach beleuchtet waren, war vom ehemaligen Pharaonengrab nicht mehr viel zu sehen. Eine Inschrift in der Mauer verwies auf einen italienischen Entdecker aus dem 19. Jahrhundert, ansonsten gab es keinerlei Verzierungen. Es folgte die Besichtigung der Sphinx, die der Legende nach von Tutmosis entdeckt und freigelegt worden war, was ihm zum Pharaonenthron verholfen hatte.

Über Mittag waren wir auf einem grossen Schiff auf dem Nil zu Gast, wo wir uns an einem Schlemmerbuffet den Bauch vollschlugen (insbesondere die Desserts haben es mir angetan...).

Danach rumpelten wir den ganzen Nachmittag hindurch mit dem Car kreuz und quer die Riesenstadt. Ihre Dimensionen führte sie uns einmal mehr gewaltig vor Augen, als wir auf Kairos Hausberg (einem Hügel von ungefähr 200 Metern Höhe) standen und auf die Häuserflut hinunterblickten: links und rechts reichte sie bis an den Horizont, immer dem Nil entlang, während sie von uns aus gesehen geradeaus im Hintergrund durch den Rand der Sahara begrenzt wurde, an dem noch schwach die Pyramiden zu erkennen waren.

Als wir staubig und glücklich im Hotel ankamen, brach sogleich Hektik aus, da Sandra, Caroline, Irene, Rafaela, Dimitria und ich uns mit Jasmin und ihrem ägyptischen Freund Hafifi treffen wollten, um in einem schicken Restaurant zu Abend zu essen. Zu unserem Erstaunen fanden wir eine toptrendige Lounge mit weissen Sofas vor, die einer Insel ähnlich auf einem Holzfloss im Nil thronte. Das Essen schmeckte vorzüglich. Als wir Wein bestellten, ernteten wir fragende Blicke, die von Irritation in Misstrauen abglitten, als wir uns darüber beklagten, dass der Rotwein gut und gerne 30 Grad Celsius aufweise. Wieso wir den Wein denn um Himmels willen kalt trinken wollten, fragte man uns. Immerhin gewannen wir die anschliessende zehnminütige Diskussion mit dem Oberkellner (der einfach nicht einsehen wollte, dass ungefähr der ganze Rest der Welt den Wein bei ca. 18/20 Grad als wohltemperiert betrachtet) und wurden mit einem Eiskübel belohnt. Als die Rechnung kam, schluckten wir alle leer (von den 90 EGP Mindestkonsumation hatten wir nichts gewusst, aber selbst das hätte uns nichts genützt, da wir sogar noch draufzahlen mussten).

Da unser exklusives Mahl uns allen ein Loch in de Brieftasche gerissen hatte, legten wir einen notgedrungenen Zwischenstop im Hotel ein und tankten Bares. Danach trafen wir noch zwei Freunde von Hafifi (Ali und Amr) und fuhren zum legendären Purple Club (richtig geraten: wieder Mindestkonsumation. Diesmal 150 EGP - ich werde da so schnell nicht wieder hingehen!!), wo wir bis in die frühen Morgenstunden feierten.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Auf mich warten 6 Wochen Hitze - mein nächster Trip führt mich nämlich für 6 Wochen nach Ägypten, genauer gesagt nach Kairo. Ich werde mit einigen anderen Studenten an der American University Cairo (AUC) die Law Summer School besuchen. Natürlich sehen wir uns auch ausserhalb der Stadt ein wenig um, u.a. auf der Sinai-Halbinsel und bei den Pyramiden. Bin gespannt, was das alte Ägypten zu bieten hat.
Details:
Aufbruch: 06.06.2008
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 16.07.2008
Reiseziele: Ägypten
Der Autor
 
Christina Schlatter berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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