Träume werden wahr...

Reisezeit: Februar / März 2011  |  von Kristina Beatrice Holler-Bouldin

Eine Zugfahrt, die ist lustig: Teil 2

Am nächsten Morgen machte ich mich früh auf den Weg, denn ich hatte mal wieder einiges vor. Zunächst wollte ich mir die Zugfahrkarten besorgen, damit ich am Abend Xi'an verlassen konnte. Ich hatte mir bevor ich schlafen ging alle Informationen in Chinesisch aufgeschrieben für den Fall, dass der Fahrkartenverkäufer kein Englisch spricht.

In der Nähe meines Hostels fand ich einen Zugticketschalter und war überrascht, dass sich schon zu so früher Stunde eine solche Schlange davor gebildet hatte. War aber nicht so schlimm, ich hab mich einfach hinten angestellt. Vor mir wartete eine nicht-Asiatin und wir kamen schnell ins Gespräch, denn sie bat mich um etwas Hilfe, weil sie das Englisch der Chinesen so schlecht verstand. Wir fanden schon nach kurzer Zeit heraus, dass wir dieselben Ziele hatten: Am Abend nach Pingyao und anschließend nach Datong! Was lag da näher als zusammen zu reisen?

Wir buchten unsere Tickets nach Pingyao für den Nachtzug, buchten gemeinsam ein Hostel und machten einen Treffpunkt aus, um später mit dem Taxi zum Bahnhof zu fahren. Concha ist Spanierin aus Valencia, war bis zur Pensionierung Lehrerin und war für eine zweimonatige Reise in China, bevor sie ihre Tochter in Kambodscha besuchen wollte.

Wir tauschten noch Handynummern aus, verabschiedeten uns bis Mitternacht und ich machte mich auf den Weg zum Bahnhof, wo ich mich auf die Suche nach dem richtigen Bus zur Terrakottaarmee machte. Das war gar nicht so einfach, denn es wimmelte nur so von Menschen und Bussen und niemand, den ich versuchte zu fragen, sprach nur ansatzweise Englisch. Selbst Zeichensprache hat nicht funktioniert... Es gab zwar unzählige Souvenirshops mit Miniaturterrakottakriegern auf die ich deuten konnte und unzählige Busse, aber kapieren wollte es irgendwie niemand. Naja, nicht so schlimm, lauf ich eben weiter planlos durch die Gegend. Etwa 100 Meter von den Bushaltestellen, die ich vorher sah, entfernt entdeckte ich eine lange Menschenschlange und weitere Busse. Diese hatten Schilder mit Terrakottakriegern in Fenster! Ich stellte mich also ans hintere Ende der Schlange an, kramte mal wieder meinen Lonely Planet raus um sicherzugehen, dass der Bus mich auch an das richtige Ziel bringen würde und fragte die Person hinter mir, ob das nun der richtige Bus sei. Daumen hoch!

Es war an dem Tag übrigens eiskalt und es nieselte schon ne ganze Weile, da war ich froh dann endlich im Bus zu sitzen. Die Fahrt dauerte dann etwa eine Stunde und als ich wieder aus dem Bus stieg hatte es bereits angefangen zu schneien. Meine Laune verschlechterte sich von Minute zu Minute, denn schon bald wurde ich von Tourguides belagert und Leute wollten mir Krimskrams und Führungen verkaufen. Ich wollte aber doch einfach nur zu den Hallen. So einfach war das aber nicht, man musste entweder ne viertel Stunde durch den Schneeregen laufen oder mit einem Shuttle den Hügel rauf fahren. Ich entschied mich für den Shuttle, hat aber auch nicht wirklich viel gebracht, weil auch hier wieder eine lange Schlange stand und der Wartebereich nur spärlich mit Sonnenschirmen überdacht war.

Mein einziger Trost war, dass ich als Studentin die Eintrittskarte für nur 50 Yuan bekommen konnte, statt den üblichen 100. Dafür musste ich aber mindestens 3 Mal meinen Studentenausweis vorzeigen und jedes Mal erklären, was das eigentlich ist - denn mein Ausweis hat kein Bild drauf, nennt aber immerhin den Namen meiner Uni und meinen Namen und auch das Wort Student kommt mal vor. Hat immerhin funktioniert.

Nachdem ich also schon eingeschneit und durchgefroren war kam ich endlich am Eingang zur ersten Halle an. Mein Vater hatte mir vorher erzählt, es sei ziemlich warm in der Halle, ich hatte mich also schon darauf gefreut, dass wenigstens eines meiner Leiden gelindert werden würde. Es mag ja sein, dass die Halle im Sommer ziemlich warm ist, denn mein lieber Herr Vater war letztes Jahr irgendwann im Juli oder so dort. Im Winter ist es aber eiskalt, genauso wie draußen. Immerhin war ich aber geschützt vor Schnee und Wind. Immerhin etwas.

Jetzt folgen ein paar Eindrücke von den Terrakottakriegern.

Viele mögen jetzt überrascht sein wenn sie das Folgende Lesen: Ich war maßlos enttäuscht!

Klar, die Geschichte der Krieger ist schon interessant, dass sie über Jahrhunderte verschollen waren und dass sich keines der Gesichter gleicht, etc. Aber ich war echt enttäuscht.

Nach etwas über einer halben Stunde machte ich mich wieder auf den Weg zum Bus, diesmal nicht mit dem Shuttle, sondern zu Fuß: Durch ein künstliches Dorf voller Souvenirstände durch eiskalten Schneeregen laufen... Da kann ich mir echt Spaßigeres vorstellen.

Ich war froh, als ich endlich wieder im Bus saß, das kann ich euch sagen. Lange währte meine Freude aber nicht, denn auf der Fahrt stiegen irgendwann zwei Typen zu, der eine saß neben mir, der war ja ganz ok, hat er doch die ganze Zeit nur mit seinem Handy gespielt, der andere, sein Kumpel, saß vor ihm. Nicht aber wie jeder normale Buspassagier in Fahrtrichtung, sondern er hing ständig über dem Sitz um seinen Freund vollzulabern. Das alleine wäre ja nicht allzu schlimm gewesen, hätten die beiden nicht so arg nach Alkohol und Schweiß gestunken. So wie der Vordermann über dem Sitz hing und vor sich herlaberte hatte ich das Gefühl er würde mir jeden Moment auf die Knie kotzen. Ehrlich! Und das fast ne ganze Stunde lang! Ich wickelte mir meinen Schal vor Mund und Nase um den Gestank wenigstens einigermaßen von mir abzuhalten, denn mir wurde ganz schön schlecht davon.

Als der Bus dann endlich wieder in Xi'an ankam schneite es schon gar nicht mehr so arg und ich lief wieder zum Muslimischen Viertel um nochmal so eine leckere Brotsuppe zu essen wie am Tag zuvor. Den Rest des Tages und den Abend verbrachte ich dann im Hostel, mit Anke chattend, Reisebericht schreibend und darauf wartend, dass es endlich Mitternacht würde, damit ich aufbrechen konnte.

Ich war mit Concha am Südtor verabredet und sie hatte bereits ein Taxi angehalten als ich am Treffpunkt eintraf. Wir waren schon relativ früh am Bahnhof, der Zug sollte ja erst gegen 3 Uhr fahren, aber es warteten schon hunderte Chinesen auf den Zug. Wir stellten uns einfach irgendwo hin, denn was anderes blieb uns nicht übrig. Da standen wir also, wartend, wartend, wartend, bis endlich die Passagiere auf den Bahnsteig gelassen wurde. Das war ein ziemliches Chaos bei den vielen Leuten und jeder wollte natürlich so schnell wie möglich in den Zug. War ich froh, dass ich eine Reservierung hatte. Um möglichst günstig von Xi'an nach Pingyao zu kommen hatte ich mir nur einen Sitz im Hard Seat Bereich reserviert, so wie ich ja vorher schon von Peking nach Xi'an gefahren war. Die erste Fahrt war ja auch noch einigermaßen harmlos.

Was mich aber jetzt im Zug erwartete, war alles andere als harmlos! Mit Müh und Not quetschte ich mich durch die Menschenmassen im Abteil zu meinem Sitzplatz, verstaute mein Gepäck so gut es ging und setzte mich an meinen Fensterplatz. Diesmal hatte ich vorgesorgt, dass ich auf jeden Fall schlafen würde, denn ich hatte eine Stunde vorher eine Schlaftablette eingeworfen, nur für den Fall, dass mein Platz wieder kein Fensterplatz wäre und ich sonst nicht hätte schlafen können. War aber ein Fensterplatz und ich war innerhalb weniger Minuten eingeschlafen. Concha hatte sich vorausschauenderweise einen Platz im Schlafwagen gebucht und wir würden uns erst am Bahnsteig wiedersehen.

Nach zwei oder drei Stunden öffnete ich mal die Augen und versuchte mich ein bisschen anders hinzusetzen, denn irgendwann wirds echt ungemütlich. Bewegung war aber unmöglich: Meine Knie stießen an die Knie meines Gegenübers, rechts von mir war das Fenster und links von mir saßen drei Chinesinnen, von denen eine im Tiefschlaf auf meiner Schulter ins Land der Träume versunken war. Da blieb mir nichts anderes übrig als meine Augen wieder zu schließen und weiterzuschlafen - nichts leichter als das, meine Schlaftabletten wirken echt Wunder!

Ab und zu wachte ich auf, warf einen Blick auf die Uhr, hatte noch viele Stunden Fahrtzeit vor mir - der Zug sollte gegen 13 Uhr in Pingyao ankommen - versuchte nicht einmal mich zu bewegen, denn das war immer noch nicht möglich und schlief dann weiter.

Am Vormittag war ich dann endgültig wach und beschäftigte mich damit, aus dem Fenster zu schauen oder die vielen vielen vielen anderen Passagiere zu beobachten. In Gedanken stellte ich mir vor, dass es sich so anfühlen müsse, wenn man eine Sardine in der Dose ist.

Und ich überlegte eine ganze Weile, wie ich wohl aus dem Zug kommen würde, wenn wir endlich an meinem Ziel ankämen. Ich alleine hätte mich vielleicht irgendwie durchquetschen können, aber ich hatte ja noch meinen Rucksack.

Das Problem erledigte sich dann aber wie folgt: Als ich irgendwann meinen Lonely Planet aus der Tasche zog waren die Männer, die mir gegenüber saßen neugierig und total fasziniert von meinem Buch. Mit Worten konnten wir uns ja mal wieder nicht unterhalten, aber ein Lächeln ist ja auch nicht verkehrt. Ich versuchte es mal wieder mit Zeichensprache um rauszufinden, wann genau der Zug in Pingyao ankommen würde. Dass ich die Uhrzeit wissen wollte, haben die Herren nicht so ganz verstanden, aber sie wussten wenigstens, wo ich raus wollte.

Irgendwann symbolisierte mir dann derjenige, der mir gegenübersaß, dass es Zeit war, aufzustehen und zu gehen, denn wir würden bald ankommen - er wollte auch in Pingyao raus. Von meinem Sitzplatz bis zur Tür waren es nicht mal 10 Meter, aber zwischen mir und der Tür war jeder Millimeter von einem Menschen belegt. Die erste Hürde, aufstehen und in den Gang quetschen, war schnell vollbracht, dann hieß es aber, meinen Rucksack aus dem Gepäckfach zu hieven.

Einen Vorteil hatte es, dass so viele Menschen um mich rum standen, denn ich konnte zumindest nicht umfallen. Das wäre unmöglich gewesen. Es war trotzdem nicht so einfach das Gleichgewicht zu halten, denn ich konnte meinen Rucksack nicht abstellen, sondern musste ihn irgendwie über meinem Kopf balancieren, während ich mich durch die Massen drückte.

Mein Gegenüber war schon ein bisschen weiter gekommen als ich, sah aber, dass ich Probleme mit meinem Rucksack hatte. Daher nahm er ihn mir ab und balancierte ihn fortan auf seinem Kopf. Ich hatte ja gedacht, dass wir innerhalb weniger Minuten am Bahnhof ankommen würden, aber wir standen eine gute viertel Stunde im Gang und wurden herumgeschaukelt.

Als der Zug dann endlich im Bahnhof einfuhr, musste sich der Schaffner erst noch an uns vorbeiquetschen und die Tür öffnen, dann konnte ich mich endlich die letzten 3 Meter in die Freiheit drücken. Ich war echt erleichtert, als ich aus diesem Gedränge raus war!

Der Mann wollte meinen Rucksack noch am Bahnsteig entlang tragen, aber ich konnte ihn dann doch überreden, dass ich ihn selber tragen würde und verabschiedete mich von ihm, als ich dann endlich wieder auf Concha traf, die eine entspannte Nacht im Schlafwagen verbracht hatte.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Endlich wird ein lang gehegter Traum von mir wahr: Es geht zum ersten Mal nach Asien, genauer gesagt nach China. Diesmal bin ich nicht alleine, sondern fliege mit meinem Vater, Bill, der geschäftlich in Ji'nan zu tun hat. Dort werde ich einige Tage bleiben und dann auf eigene Faust dieses faszinierende, riesige, mir noch unbekannte Land erkunden. Auf dem Rückflug legen wir noch einen Zwischenstopp in Dubai ein. Über meine Erlebnisse werde ich hier regelmäßig berichten.
Details:
Aufbruch: 14.02.2011
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 09.03.2011
Reiseziele: China
Der Autor