Träume werden wahr...

Reisezeit: Februar / März 2011  |  von Kristina Beatrice Holler-Bouldin

Oh my Lady Gaga!

A traditional Chinese saying.

Nach meiner ausgedehnten Wanderschaft am Vortag ließ ich es nun ruhig angehen, schlief erstmal aus und machte dann Pläne, wohin ich als nächstes fahren könne. Als erstes Ziel stand Xi'an fest, von dort aus - so hatte ich es mir überlegt - könne ich dann über Urumqi bis Kashgar fahren. Zee besorgte mir aber erstmal nur das Ticket von Beijing nach Xi'an für den nächsten Abend. Weitere Planung oder Planänderung konnte ich ja in Xi'an dann vornehmen. Auch hier durfte ich wieder nicht selber versuchen mit den Chinesen zu kommunizieren. Dazu hatte ich aber bald genug Gelegenheit.

Ich wollte nun bevor es nach Xi'an ging noch zur Chinesischen Mauer fahren, denn die ist von Peking aus sehr gut zu erreichen. Die Mauer ist ja mehrere Tausend Kilometer lang, nur ist davon lediglich ein Bruchteil noch erhalten. Am besten erhalten ist die Mauer aber in der Nähe von Peking, deshalb folgte ich den Anweisungen meines Lonely Planet, der mir mehrere Möglichkeiten vorgab. Da wurden mir die von Touristen sehr frequentierten Stücke in der Nähe von Badaling und Mutianyu vorgeschlagen, die am einfachsten zu erreichen sind, am meisten Eintritt kosten und wo man ständig von Verkäufern belagert wird. Oder Jinshanling und Simatai, wo man einen wunderschönen Teil der Mauer bewandern kann, allerdings nur für viel Geld hinkommen kann. Ich entschied mich für Huanghua, das mir im Reiseführer als ruhiger Teil aber ausgesprochen gut erhalten, authentisch mit wunderschöner Aussicht gepriesen wurde. Auch der Eintritt sei hier günstiger als anderswo und es sei gar nicht so schwer und teuer dorthin zu kommen. Auch folgte ich dem Tipp am Vortag anzureisen, im Ort zu übernachten und dann am nächsten Tag die Mauer zu besuchen.

Am Nachmittag fuhr ich also mit leichtem Gepäck für eine Nacht mit der Metro zur Dongzhimen Station, von wo aus viele Busse starten, unter anderem auch der Expressbus 916 (11 Yuan) nach Huairou. Dort angekommen sollte ich in einen der vielen Minibusse (5 Yuan) nach Huanghua steigen oder ein Taxi für 30 Yuan nehmen. Ich war optimistisch bis ich aus dem Expressbus stieg. Sogar noch als ich keine Minibusse sah. Ich ignorierte die zahllosen Taxifahrer, die mich für 100 Yuan nach Mutianyu bringen wollten. Ich war sogar noch optimistisch, als ich einige Leute fragte (haha, versuch das mal ohne Chinesisch zu können!!), wo denn die Minibusse nach Huanghua abfahren. Eine Taxifahrerin ließ sich allerdings nicht so einfach abschütteln. Sie verfolgte mich regelrecht mit ihren wenigen Worten, die sie auf Englisch wusste: "No bus! Taxi Great Wall, hundred Yuan!" Ich versuchte ihr klarzumachen, dass ich nicht an einer so teuren Taxifahrt interessiert war und ich doch lieber den vorgeschlagenen Minibus nehmen wolle. So langsam wurde mir allerdings klar, dass es keine Minibusse, und erstrecht keine Fahrt für nur 5 Yuan geben würde. Die Taxifahrerin fragte mich, wieviel ich denn bereit sei zu zahlen, ich nannte ihr die im Lonely Planet angegebenen 30 Yuan. Sie schüttelte den Kopf, nein, nein, so billig wirds nicht. Immerhin gab sie langsam mit dem Preis nach und bot mir an, mich für 80 Yuan an mein Ziel zu bringen. Wortlose Verständigung ist gar nicht so einfach, aber immerhin unterhaltsam. Um den Preis zu verhandeln zückte sie ihr Handy und tippte die 80 ein, was ich wieder verneinte und mit Hilfe meines Übersetzers konnte ich ihr immerhin klar machen, dass ich nicht mit dem Taxi, sondern mit dem Bus nach Huanghua fahren wolle. "No bus!!!" Dann schlug sie aber vor mich für 25 Yuan zu einem Bus zu fahren, mit dem ich zur Mauer fahren könne. Also gab es doch nen Bus, bloß nicht da, wo ich war. Aha! Aber auch das war mir nicht ganz geheuer. Da stand ich also, offensichtlich etwas planlos, mit Lonely Planet in der einen Hand und wild gestikulierend mit der anderen Hand im Gespräch mit einer Taxifahrerin. Passanten müssen sich gedacht haben: Ach, schon wieder so eine Touristin...

"Ach, schon wieder so eine Touristin, die kein Chinesisch spricht. Vielleicht kann ich ihr helfen!" So oder so ähnlich dachte sicher Alistair (Al), der gerade auf dem Heimweg von der Arbeit war. Al ist Schotte und gibt seit etwas mehr als einem halben Jahr Englischunterricht an einer Chinesischen High School. Am ersten Arbeitstag nach den Ferien wollte er eigentlich nur wie sonst auch nach Hause laufen. Doch dann kam alles anders...

Auf einmal stand jemand neben mir und sprach mich auf Englisch an. Ob er irgendwie helfen könne, wollte er wissen. Und was denn los sei. Ich erklärte ihm meine Situation, wo ich herkam, wo ich hin wollte, zeigte ihm die Infos im Reiseführer und er bestätigte mir, was ich vorher schon geahnt hatte - Minibusse für 5 Yuan nach Huanghua gibts hier nicht. Er war auch noch nicht in Huanghua, nur in Mutianyu, was er mir sehr empfehlen könnte. Aber mit dem Taxi müsste ich trotzdem fahren. Und auch etwa für den Preis, den die Fahrerin verlangte. Oder, schlug er vor, ich könne, da es schon Abend wurde, die Nacht bei ihm auf der Couch verbringen, mir überlegen, wo ich denn nun hin wolle und am Morgen dann zur Mauer fahren. Ich sagte nicht sofort zu, denn immerhin kannte ich ihn ja erst seit gut zwei Minuten und wusste noch nicht mal seinen Namen! Letzteres ließ sich leicht ändern indem ich ihn einfach danach fragte. Auch fragte ich natürlich anstandshalber noch, ob es denn wirklich keine Umstände machen würde, etc. Sei kein Problem, der Mitbewohner habe sicherlich auch nix dagegen. Also ging ich mit. Warum auch nicht? Einen Schlafplatz brauchte ich sowieso und sympathisch war er auch. Und sprach eine Sprache, die mir sehr geläufig ist. Passt doch! Beim Couchsurfen ist es ja auch nicht anders. Wobei ich ja aus Erfahrung weiß, was dabei rauskommen kann, wenn man spontan bei fremden Leuten, die man irgendwo kennen lernt, übernachtet. Beim letzten Mal hab ich den Kerl ein paar Monate später geheiratet. Aber das ist eine andere Geschichte...

Seine Wohnung war gleich ums Eck von der Bushaltestelle, in einem typischen Chinesischen Wohnbau aus den 60er Jahren. 3 Zimmer Wohnung mit Küche und Bad, recht großzügig für nur zwei Bewohner. Aber mit chinesischen Standards, also z.B. Dusche ist im Bad nicht irgendwie abgetrennt sondern es gibt halt in der Mitte vom Badezimmer nen Abfluss im Boden und irgendwo nen Schlauch mit Duschkopf dran. Wir haben im Westen eben einfach zu hohe Ansprüche. Das Sofa im Wohnzimmer war gut genug um eine Nacht darauf zu schlafen, aber noch war der Abend ja jung. Kurz nach uns kam auch Als Mitbewohner Tommy, ein Däne, der ebenfalls dort als Lehrer arbeitet, nach Hause. Er hatte wirklich nix dagegen, dass ich die Nacht dableiben würde. Juhu!

Mit Al zog ich dann los, einmal kurz durch Huairou Sightseeing machen; ähnlich wie in Eichstätt ist das in wenigen Minuten geschehen. Die Marktstraße ist recht kurz und ansonsten gibt es noch den See. Bloß war die Sonne mittlerweile schon weg und immer noch sehr viel Nebel da, sodass ich von dem See so gut wie nix sah. Hunger hatten wir auch, also gingen wir zum Koreaner, wo Tommy bald zu uns stieß. Unser Tisch bot fast nicht genug Platz für alle prall gefüllten Teller, so viele waren es. Nach kurzer Zeit waren unsere Bäuche dann prall gefüllt und wir rollten... äh.. gingen wieder nach Hause.

Dort wollten wir dann Filme schauen, mein Favorit wäre ja The King's Speech gewesen, aber die DVD funktionierte einfach nicht mehr. In China gibt es ja alle Filme ziemlich bald nach der Premiere als Raubkopie auf DVD zu erwerben, leider sind diese DVDs oft von mangelnder Qualität. Trotzdem kann man sich so aber für wenig Geld eine stattliche Heimvideothek anschaffen; so geschehen im Hause McGill. Beim Durchgehen der DVD-Sammlung stellten wir fest, dass wir eine Vorliebe für düstere Vampirfilme teilen und so fiel die Auswahl bald auf Underworld, den ich noch nicht gesehen hatte.

Viel bekam ich von dem Film dann aber auch nicht mit, weil wir nicht aufhören konnten uns zu unterhalten. Tommy verabschiedete sich bald in sein Zimmer, denn er wollte noch mit Daheim gebliebenen Skypen. Den Fernseher schalteten wir dann auch bald aus, weil wir eh nicht aufpassten, was im Film passierte. Stattdessen zeigten wir uns gegenseitig eine Auswahl unserer liebsten YouTube Videos. Das ging auch nur deswegen, weil Al sich gut mit Computern auskennt und die Great Firewall, die viele Internetseiten sperrt, mit einem Proxyserver umgehen konnte. (So hatte ich auch von China aus endlich die Möglichkeit mal wieder ins Facebook zu kommen

Al erzählte mir auch viel über den Unterricht und die Organisation, über die er nach China gekommen ist, Teach and Travel China. Er erzählte mir davon, was er so mit seinen Schülern durchnimmt, wie der Schulalltag der Schüler aussieht, was seine Aufgaben in der Schule sind. Und irgendwann hatte ich dann eine Idee: "Sag mal, Al, wie wäre es, wenn ich morgen mit in den Unterricht komme? Die Chinesische Mauer steht schon ne ganze Weile, wird auch noch ne ganze Weile stehen, dorthin kann ich ein andermal. Und Deine Schüler können davon nur profitieren!" "Klar, warum nicht!"

So einfach waren also auch die Pläne für den nächsten Tag geschmiedet. Wenn man Spaß hat, dann vergeht die Zeit wie im Flug (so ein blödes Sprichwort, grade während eines Fluges vergeht sie meines Erachtens immer seeeeeeeeehhhhhhrrrrr laaaaaaaannnnngggggssssaaaaaaaammmmmmm.....), und so mussten wir uns dann gegen 1 Uhr fast schon dazu zwingen unser nettes und lustiges Gespräch zu unterbrechen und schlafen zu gehen. Wir hätten aber locker noch bis in die frühen Morgenstunden weiterplaudern können.

Am Morgen weckte Al mich dann mit einem leisen "Kriiis... Kriiiiiiiiis...." und brachte mir eine Tasse Schwarzen Tee. Ohne ausgiebiges Frühstück gingen wir dann recht bald in die Schule - netterweise nur 5 Gehminuten entfernt, wo Al auch schon von seiner ersten Klasse erwartet wurde. Wir betraten das Klassenzimmer und etwa 50 Schüler jubelten uns lautstark und freudestrahlend zu. Es war die erste Stunde nach den Neujahrsferien und die Schüler freuten sich sehr, Al wiederzusehen. Er ist bei den Schülern sehr beliebt, weil sie bei ihm nicht so stillsitzen müssen wie bei den anderen Lehrern, er sie nicht so drillt und ihnen kaum Hausaufgaben aufgibt. Seine Aufgabe ist es, ihre Sprechfertigkeiten in Englisch zu verbessern, denn im regulären Englischunterricht liegt der Fokus mehr auf Grammatik- und Vokabelpauken. Das aktive Sprechen der englischen Sprache wird normalerweise an chinesischen Schulen sehr vernachlässigt.

Nachdem mich Al der Klasse vorstellte und diese mich freundlichst begrüßt hatten, setzte ich mich aufs Fensterbrett und schaute zu, was Al so mit den Kindern machte. Als erste Aufgabe sollten sie Namensschilder schreiben, denn bei so vielen Schülern (Al hat 14 Klassen mit je 40-50 Schülern!!), die dann auch noch alle gleich aussehen (zumindest für jemanden aus dem Westen), ist es schwer, sich die Namen zu merken. Alle Schüler suchen sich schon früh in ihrer Schulzeit einen englischen Namen aus, wobei diese nicht immer wirklich Namen sind, sondern manchmal auch einfach irgendwelche Wörter, die vielleicht besonders toll klingen, sind. So gab es Kinder mit den Namen: Wendy, Jack, Jim, Ryan, Summer, Rain, Sunshine, Lisa, Tom, Cindy, Tina, Cool, Monday, und noch viele viele mehr, die ich mir gar nicht alle merken konnte. Anschließend sollten sie sich einen Gruppennamen aussuchen, denn die Klasse wird in Gruppen eingeteilt, die immer Punkte sammeln können, indem sie sich beteiligen oder Aufgaben bearbeiten und am Ende des Schuljahres gewinnt die Gruppe mit den meisten Punkten. Auch die Gruppennamen waren zum Teil sehr skurril, etwa CTS Travel oder Artificial Intelligence.

Daraufhin konnten die Gruppen gleich einmal beweisen, was sie drauf haben. Die Aufgabe lautete, alle chinesischen Tierkreiszeichen in der richtigen Reihenfolge und in richtiger Rechtschreibung aufzuschreiben und abzugeben. Die schnellste Gruppe bekam 5 Punkte, die zweiten 4, dann 3 und 2 Punkte. Bei den schnellsten hatten sich aber ein paar Rechtschreibfehler eingeschlichen und bei den Zweitschnellsten war alles richtig, so bekamen beide Gruppen 5 Punkte. Dann wurde den Schülern noch die Möglichkeit gegeben davon zu erzählen, was sie in den Ferien gemacht haben - Hausaufgaben, gegessen, geschlafen und gezockt haben sie. Zum Schluss guckten wir noch einen kurzen Pixar Film mit Scrat, dem Säbelzahneichhörnchen aus Ice Age an, in dem das Thema der nächsten Stunde, Zeitreisen, vorgestellt wurde.

45 Minuten waren schnell rum und für Al und mich war es Zeit zum Mittagessen. Ich bestellte das Gemüse (Pak Choi mit Pilzen) und er suchte das Hauptgericht aus, süß-sauren Inside-Out Fisch. Frisch gestärkt ging es dann in die zweite Schulstunde, in der ich dann den Teil mit den Tierkreiszeichen übernahm. Al hat zwar 14 Klassen, kann aber in jeder Klasse dasselbe machen; das spart Vorbereitungszeit und für mich als Gast war es einfach einen Teil zu übernehmen und meine Lehrfähigkeiten unter Beweis zu stellen. Auch in der zweiten Klasse wurde ich herzlich und lautstark begrüßt und zwischendrin sogar von einigen Schülerinnen mit dem Handy fotografiert. Die Stunde ging ebenfalls schnell rum und da es bis zur nächsten noch etwas Zeit war, gingen wir wieder nach Hause und plauderten ein wenig. Fast wären wir zu spät zur nächsten Stunde gekommen, als wir im Klassenzimmer ankamen war aber keiner da! Schon seltsam, aber sowas kommt wohl ab und an vor, dass es spontane Änderungen gibt, ohne dass man als Lehrer darüber informiert wird. Also wieder heim.

Eine Stunde stand dann aber am späten Nachmittag noch an und wieder freuten sich die Schüler Al wiederzusehen und das hübsche junge Mädel an seiner Seite kennenzulernen. Sie haben sogar gefragt, ob ich seine Frau sei. Oh my Lady Gaga! Und als wir dies dann verneinten waren sie ganz enttäuscht... Hihi! Aber Spaß hat es ihnen gemacht, als ich mit ihnen dann den Teil mit den Namensschildern gemacht habe.

Jeder Spaß geht leider einmal zu Ende und ich hatte ja das Zugticket nach Xi'an für den Abend, daher musste ich mich zu bald schon wieder von Al verabschieden. Er brachte mich noch zum Bus, dann war mein Abenteuer in Huairou auch schon wieder vorbei.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Endlich wird ein lang gehegter Traum von mir wahr: Es geht zum ersten Mal nach Asien, genauer gesagt nach China. Diesmal bin ich nicht alleine, sondern fliege mit meinem Vater, Bill, der geschäftlich in Ji'nan zu tun hat. Dort werde ich einige Tage bleiben und dann auf eigene Faust dieses faszinierende, riesige, mir noch unbekannte Land erkunden. Auf dem Rückflug legen wir noch einen Zwischenstopp in Dubai ein. Über meine Erlebnisse werde ich hier regelmäßig berichten.
Details:
Aufbruch: 14.02.2011
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 09.03.2011
Reiseziele: China
Der Autor