Träume werden wahr...

Reisezeit: Februar / März 2011  |  von Kristina Beatrice Holler-Bouldin

Eine Zugfahrt, die ist lustig

Im Bus hatte ich dann erstmal eine Stunde Zeit zum entspannen, dem Feierabendverkehr zum Trotz. Direkt zum Bahnhof fahren konnte ich allerdings noch nicht, denn ich musste ja erst wieder zu Zee und meine restlichen Sachen abholen. Drum war es ganz gut, dass der Bus nicht ewig im Stau stand, wie mir schon prophezeit wurde, sondern relativ zügig voran kam. Peking ist aber ziemlich groß und so musste ich von Dongzhimen erst mal fast eine halbe Stunde mit der U-Bahn fahren, die in dem Fall gar nicht mal so überfüllt war.

Da meine Zeit insgesamt doch eher knapp bemessen war, war es ganz gut, dass Zee und Henry mit meinem Rucksack zur Metrostation kamen, wo ich ihnen in aller Eile eine Zusammenfassung meines Ausflugs nach Huairou gab und derweil meine Sachen von dem einen in den anderen Rucksack packte. Ein paar irritierte Blicke der Passanten gab es natürlich und eine Bahnangestellte dachte gar, ich habe mein Ticket verloren; das braucht man nämlich um die U-Bahn Station wieder zu verlassen. Ich wusste aber genau wo es war, brauchte es allerdings noch um zum Peking West Bahnhof zu kommen, daher war ich gar nicht bemüht die Station zu verlassen; Zee reichte mir meine Sachen einfach über die Absperrung.

Trotz großer Eile passte alles wieder in den Rucksack rein, ich verabschiedete mich von den beiden und machte mich wieder auf zur U-Bahn. Zee hatte mir zwar empfohlen mit der Metro nur bis zu einer bestimmten Station zu fahren und dann ein Taxi zu nehmen, da es noch keine U-Bahn gibt, die direkt bis zu diesem Bahnhof fährt. (Es gibt 4 große Bahnhöfe in Peking!) Auf der Straßenkarte im Lonely Planet sah ich aber, dass es eine U-Bahn Station ganz in der Nähe gab, um dorthin zu kommen, musste ich allerdings noch 2 Mal umsteigen und anschließend noch ein Stück laufen. Sieht auf Stadtplänen immer so leicht aus, in der Realität ist es aber nicht immer so einfach. Allein das Umsteigen an einer Station (Xizhimen) wurde zur Odyssee. Von der Linie 13 musste ich in die Linie 2 umsteigen und folgte der Beschilderung. Treppen rauf, um die Kurve, Treppen runter, einen Gang entlang, wieder Treppen rauf, über einen Platz durchs Freie, wieder Treppen runter, einen noch längeren Gang entlang, um weitere Kurven und nach gefühlten 1000 Treppen, Kurven und Gängen kam ich dann doch endlich zu der Linie 2. Glücklicherweise stieg ich auch gleich in den richtigen Zug ein, denn hier hatte ich nicht so lange Zeit mir die Schilder anzugucken, weil die Züge in beide Richtungen bereits eingefahren waren.

Dieser Wagon war jetzt schon etwas voller, was mit zunehmender Gepäckgröße geringere Bewegungsfreiheit bedeutet. Irgendwie schaffte ich es doch nochmal meinen Reiseführer rauszukramen, um nochmal zu checken, was als nächstes zu tun sei: 3 Haltestellen fahren, dann in Linie 1 nach Westen umsteigen. Ich schaffte es, mich durchs Gedränge nach Draußen zu kämpfen und war froh, dass ich an der Haltestelle Fuxingmen nicht mehr so weit laufen musste wie bei der letzten. Hier sah ich noch einmal auf den Netzplan um mich zu versichern, bei welcher Haltestelle ich aussteigen müsse, jedoch fand ich keine Haltestelle mit dem chinesischen Namen, der in meinem Reiseführer aufgeführt war. Also wieder ein Blick in den Lonely Planet, kurz verglichen und zu dem Schluss gekommen, dass es sich nur um die Station "Military Museum" handeln könne. Da bin ich dann auch ausgestiegen, und siehe da: Es war die richtige! Ich gehe mal davon aus, dass diese unterschiedlichen Namen der U-Bahn Stationen ein Überbleibsel der Anglifizierung zu den Olympischen Spielen 2008 sind.

Noch war ich aber nicht an meinem Ziel, dem Bahnhof Peking West, angelangt, die Zeit wurde langsam knapp, aber noch nicht so, dass ich wirklich aus der Ruhe gekommen wäre. Netterweise war der Ausgang aus dem U-Bahnhof in Richtung des Bahnhofs beschildert, sobald ich aber das Gebäude verlassen hatte stand ich auf einer Baustelle, wo es keine richtungsweisenden Schilder mehr gab. Da ich aber schon in Besitz meiner Fahrkarte war konnte ich ein paar Taxifahrer nach dem Weg dorthin fragen. Diese boten mir selbstverständlich erst an, mich dorthin zu fahren, aber ich bestand darauf, laufen zu wollen. Sie gaben also nach und wiesen mir die Richtung, in die ich dann schwer bepackt lief. Auf dem Weg fragte ich noch den ein oder anderen Passanten, nur um sicherzugehen. In der Ferne sah ich dann sogar schon das Bahnhofsgebäude, wobei es sich nicht, wie aus meinem Reiseführer ersichtlich, um eine kurze Strecke von wenigen hundert Metern handelte, sondern um eine lange Strecke von vielen hundert Metern. War aber nicht so schlimm, ich ging tapfer weiter und kam auch noch an einem kleinen Kiosk vorbei, wo ich mich mit Nudelsuppe in der Tüte und Tee in der Flasche für die Fahrt eindeckte (noch mehr Gepäck!!!).

Ich wagte einen Blick auf die Uhr (gar nicht so einfach wenn man erst mal sein Handy irgendwo rauskramen muss), schaute mir die auf dem Ticket angegebene Abfahrtszeit an und stellte fest: Es ist höchste Eisenbahn zum Zug zu kommen! Jetzt beeilte ich mich dann doch ein wenig, schlängelte mich so gut es ging durch die Menschenmassen, die sich um den Bahnhof lümmeln, wurde natürlich von so einem Idioten vor mir auf der Rolltreppe der Fußgängerbrücke wieder ein wenig aufgehalten, sodass ich nicht vorbeikam. Macht ja nix, danach kann ich ja noch schneller laufen um die verlorene Zeit wieder aufzuholen. An den Sicherheitskontrollen hatte ich Glück, dass ich nicht am Ende einer langen Menschenschlange stand, sondern ich sofort an die Reihe kam. Dann fragte ich noch einen Bahnangestellten, wo mein Zug abfahre und dann rannte ich zum Gleis - 5 Minuten waren es noch bis zur Abfahrt und Ihr könnt euch denken, dass ein Bahnhof in so einer Millionenstadt wie Peking nicht gerade klein ist. Also wieder irgendwo Treppen rauf und Treppen runter, mitsamt allem Gepäck und endlich war ich am Gleis angekommen, der Zug stand schon bereit, außer mir waren alle Leute schon eingestiegen, nur die Schaffner standen noch da; vor jedem Waggon einer! An Servicepersonal mangelt es in China nicht!

Meine Wagennummer war die 3, ich stand aber etwa vor Wagen 18. Also wieder laufen. Und so ein Zug ist verdammt lang. Nur noch 2 Minuten! Also noch ein bisschen schneller laufen. Wagen 15... Wagen 12... Wagen 11.... Wagen 8... Wagen 5... ah, endlich an Wagen 3 angekommen. Die Schaffnerin war gerade dabei in den Zug zu steigen als ich schwer keuchend in den Waggon sprang. Abfahrt! ... Puh, gerade noch geschafft!

Draußen war es ziemlich kalt gewesen, aber durch meine schwer bepackten Laufübungen war ich doch ziemlich verschwitzt und wollte mich einfach nur zu meinem Platz begeben, meine Taschen ablegen und aus meiner Jacke raus. Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit: Der Waggon war komplett voll, die Menschen saßen nicht nur überall, sondern standen auch in den Gängen. Also: Durchquetschen, koste es, was es wolle. Auf Grund der Menschenmenge war es natürlich auch sehr warm im Zug. Dabei wollte ich doch einfach nur zur Ruhe kommen. Mein Sitzplatz war - wer hätte etwas anderes vermutet - am anderen Ende des Wagens. Also weiter durchquetschen. Auch hier gab es wieder einmal seltsame Blicke, denn so viele Westler verirren sich nicht in die Holzklasse, die fahren normalerweise im Schlafwagen!

Nachdem ich mich an unzähligen Menschen vorbei geschlängelt hatte, nachdem ich über unzählige Beine und Taschen gestiegen war, nachdem ich endlich den Wagen durchquert hatte kam ich an meinem Platz an. Und sieh da: Es war kein Fensterplatz! ARGH! Jetzt musste ich aber erst einmal demjenigen, der auf meinem Platz saß bedeuten, dass er da nix zu suchen habe und dann musste ich mich darum kümmern meine unzähligen Taschen und Tüten zu verstauen. Gar nicht mal so einfach, denn man kann sich vorstellen, dass in einem Zug, der so voller Leute ist auch Unmengen an Gepäck sind. Irgendwo konnte ich dann meine Sachen aber noch dazwischen schieben, was jedoch unsere - eh sehr geringe - Beinfreiheit noch weiter einschränkte. War aber nicht so schlimm, viel Platz gab es ja eh nicht. Ich fühlte mich viel eher wie so eine Sardine in der Büchse; einer Büchse, die in einer finnischen Sauna steht! Denn trotz der vielen Menschen erwiesen sich die Chinesen im Zug wieder mal als Weltmeister im Heizen! Ich war zwar froh, endlich meine Jacke auszuziehen und meinen Fleecepullover abzulegen, viel hat es aber nicht gebracht. Und da ich wie gesagt keinen Fensterplatz hatte, wie ich es eigentlich gewünscht hatte, rechnete ich mir keine allzu großen Chancen darauf aus in der Nacht auch nur ein Auge zu zu bekommen.

Ich versuchte mir die Zeit mit Lesen zu vertreiben, denn Al hatte mir ein Buch geschenkt: "Pride and Prejudice and Zombies"; eine ad absurdum geführte Version von Jane Austens Meisterwerk, in dem die Protagonistinnen es mit Zombies zu tun haben. Es war aber schon kurz vor Mitternacht, deshalb konnte ich mich einfach nicht mehr aufs Lesen konzentrieren und steckte das Buch nach kurzer Zeit wieder in die Tasche. Stattdessen beobachtete ich die Leute um mich herum: Chinesen haben ein unglaubliches Talent in allen Situationen und Positionen zu schlafen! Das ist wirklich bemerkenswert. Wieder einmal durchquerte ich den Wagen, diesmal um mir heißes Wasser für meine Nudelsuppe zu besorgen. Kreuz und quer hatten sich die Passagiere im Zug ausgebreitet, teilweise lagen sie sogar unter(!) den Sitzen. Jetzt trug ich außer meiner Box Nudelsuppe nichts mit mir, aber es war wieder ein kleines Abenteuer bis zum anderen Ende des Wagens und wieder zurück zu kommen. Es ist schon erstaunlich, wie glücklich einen etwas warmes zu Essen nach einem so langen und anstrengenden Tag machen kann!

Irgendwann wurde es 1 Uhr... 2 Uhr... 3 Uhr... 5 Uhr... und ich hatte immer noch kein Auge zu gemacht. Meine nächste Schlafmöglichkeit hätte ich aber erst am Abend im Hostel in Xi'an gehabt, daher wusste ich, ich muss etwas tun. Die Zugfahrt dauerte ja auch noch eine ganze Weile. Als es schon langsam hell wurde wachte mein Sitznachbar endlich mal auf und ich ließ mir diese Chance nicht entgehen, zückte meinen kleinen Übersetzer und fragte ihn, ob wir nicht den Platz tauschen könnten, damit ich auch noch ein bisschen Schlaf bekäme. Er ließ mich gewähren und so schlief ich dann bald darauf, mit dem Kopf ans Fenster gelehnt und meine Jacke als Kopfkissen benutzend, endlich für eine Weile ein. Wirklich erholsam war das natürlich nicht, aber immerhin besser als gar nichts. Nach etwa 3 Stunden unruhigen Schlafes fühlte ich mich aber schon wieder soweit erholt, dass ich den Rest des Tages durchstehen konnte. Der letzte Teil der Zugfahrt ging dann zum Glück relativ schnell vorbei und gegen 12 Uhr Mittag kam ich endlich in Xi'an an.

P.S: Diesen Bericht habe ich übrigens auf der Zugfahrt von Neumarkt nach München mit der DB verfasst. Mittlerweile kann ich Fahrten in deutschen Bahnen sehr gelassen nehmen, selbst wenn sie "überfüllt" sind.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Endlich wird ein lang gehegter Traum von mir wahr: Es geht zum ersten Mal nach Asien, genauer gesagt nach China. Diesmal bin ich nicht alleine, sondern fliege mit meinem Vater, Bill, der geschäftlich in Ji'nan zu tun hat. Dort werde ich einige Tage bleiben und dann auf eigene Faust dieses faszinierende, riesige, mir noch unbekannte Land erkunden. Auf dem Rückflug legen wir noch einen Zwischenstopp in Dubai ein. Über meine Erlebnisse werde ich hier regelmäßig berichten.
Details:
Aufbruch: 14.02.2011
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 09.03.2011
Reiseziele: China
Der Autor