Zwischen Seealpen und Côte d`Azur

Reisezeit: September / Oktober 2015  |  von Ralf Beelitz

16 auf einen Streich

Zum Einfahren geht es zügig durch das Vallée du Grand Vallon und über den Col de Sarraut (980). In Remoulon betanken wir Motorroller und Motorräder und nehmen Proviant auf. Über den vergleichsweise harmlosen Col de la Sentinelle (981) erreichen wir schon bald das lebhafte Städtchen Gap, die Hauptstadt des Departements Haute-Alpes.
Über la Rochette führt die Route zum Col de Manse (1.268), eine der Etappen der Tour de France 2015. Die Mittelgebirgslandschaft ist geprägt von Landwirtschaft. Ein Kreisverkehr inmitten von Feldern und Wiesen stellt die Passhöhe dar. In Sichtweite des Passes steht wieder einmal ein Réfuge Napoleon. Wer hier allerdings die Toiletten besucht geht nie wieder auf ein französisches „stilles Örtchen“.
Ein Highlight unserer heutigen Tour der kleinen Pässe ist sicher der Col du Noyer (1.664), nördlich von Gap. Er verbindet das Tal der Drac mit dem Dévoluy-Gebiet. Die kunstvoll in den Hang gebaute Straße macht den Eindruck eines richtig großen Alpenpasses. Die nur einspurige Fahrbahn führt durch äußerst enge Kehren, für plötzlichen Gegenverkehr wie geschaffen. Teilweise liegt Rollsplitt und kleines Geröll auf der Fahrbahn. Dafür ist die Aussicht ins Tal phantastisch. Auf den Wiesen über uns weiden große Schafherden, die gemächlich am Hang entlang ziehen. Ein wunderbar entspannendes Bild. Die Schönheit hier oben ist leider nicht von langer Dauer. Urplötzlich schieben sich dichte Nebelwolken über den Bergkamm. Es ist höchste Zeit, aufzubrechen.
Die schön kurvige Westrampe auf der Westseite präsentiert sich als ein fast zweispurig ausgebautes Sträßchen. Randbegrenzung und Markierungen - Fehlanzeige. Wir rollen durch eine wilde, hochalpine Gebirgslandschaft. Nirgendwo ein Haus; Natur pur. Die Passstraße endet an der Kreuzung von D117 und D17. Kurz davor wird die Abfahrt felsig. Wir passieren die „Défilé des Etroit“, eine tief eingeschnittene Schlucht der Borne. Die Straße schlängelt sich an senkrecht emporstrebenden Wänden entlang. Nur gelegentlich ist ein flüchtiger Blick über die Leitplanke in die Schlucht möglich. Der folgende Col de Rioupes (1.430) ist dann wieder ein Pass zum Ausruhen. Felder, Wiesen und eine gut ausgebaute Straße mit lang gezogenen Kurven. Der unauffällige Scheitel bietet uns einen herrlichen Rundblick auf die steile Mauer der Montagne de Féraud, die Montagne d’Aurouze und die Gipfel des Massif du Dévoluy.

Durch eine freie, offene Landschaft erreichen wir den Col du Festre (1.441). Die Passstraße, die Corps im Drac-Tal mit dem Vallée du Buëch verbindet, verengt sich und wird kurviger. Auf der Südseite öffnet sie sich, ist breit ausgebaut und erlaubt uns eine recht flotte Fahrt. Der an einer ruhigen Nebenstraße gelegene Col des Verniers (1.048) und der Col de la Bachassette (1.042) mit seiner interessanten Erosionslandschaft führen uns zum relativ flachen Scheitel des Col du Pignon (842), der zwischen La Beaumette und Aspres-sur-Buëch den Höhenzug des Bois de Sellas durchsticht. Als nächstes steht der Col de Cabre (1.180) auf dem Programm. Der Cabre war Teil der römischen Fernstrasse von Valence nach Gap, wo diese auf die Via Domitia traf. Auf der Passhöhe befindet sich daher ein römischer Meilenstein. Vor allem die kurvige Westabfahrt bietet wieder einigen Fahrspaß. In Beaurieres wenden wir uns südwärts dem Col de Carabes (1.261) zu. Die Westauffahrt beginnt in Valdrôme im oberen Drômetal. Die D106, die sich nach Osten das Tal hinauf zieht, steigt zunächst kaum an; so gewinnen wir gemütlich aber doch stetig an Höhe. Die Gegend wirkt ziemlich gottverlassen. Die Natur hat hier oben bereits ihr Herbstkleid angelegt. Das Laub der Bäume leuchtet in allen erdenklichen Rot- Braun- und Gelbtönen. Indian Summer in der Provence! Hinter La Batie des Fonds - eigentlich hätte man es kaum für möglich gehalten, dass es so tief im Nirgendwo menschliches Leben gibt - versprechen einige Kehren etwas Abwechslung und der Wald gibt hin und wieder schöne Ausblicke auf die Voralpenlandschaft des Diois frei. Dem Col de la Croix prés Savournon (838) an der D48 zwischen Le Sarret und Savournon, folgt bald der Col de Faye (1.019). Dessen baumlose Passhöhe bietet weite Blicke über die Montagne d’Ardèche. Buchenwald und braune Rasenflächen ziehen sich von der Passhöhe des Col de la Faye bis hinunter ins Tal. Der Col du Haute Forest (825) erhebt sich an der D 104 zwischen Claret und La Motte du Caire. Am selben Sträßchen liegt auch der Col du Château (797). Noch einmal ein paar knackige Kurven zum Ausklang eines langen, aber schönen Tages. Ach ja, mein Hinterreifen hat es „hinter sich“. Das Profil hat sich irgendwo auf der Strecke verflüchtigt. Französische Land- und Passstraßen fressen Gummi.

© Ralf Beelitz, 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Tief eingeschnittene Täler und Schluchten wechseln sich in der Haute-Provence mit einsamen Hochebenen und steilen Berggipfeln ab. Hier läuft manches beschaulicher; der Massentourismus hat das Hinterland der Provence noch nicht erreicht. Vor allem in der Nachsaison ist in den zahlreichen Dörfern der Haute-Provence kaum etwas los. Dazu ein beständiges, sonniges Klima; beste Voraussetzungen also für interessante Touren durch eine faszinierende Landschaft.
Details:
Aufbruch: 19.09.2015
Dauer: 15 Tage
Heimkehr: 03.10.2015
Reiseziele: Frankreich
Der Autor
 
Ralf Beelitz berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.
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