Trekkingtour durch Andalusien

Reisezeit: September 2008  |  von Matthes Jansen

9.Tag: Juvilles bis Gabo de Gata

Der Wecker klingelte um 4 Uhr. Für Les und Tobi gab es Kaffee, für Eduard und mich noch 30 Minuten Schlaf. Dann ging's zur Bushaltestelle auf der menschenleeren Straße mitten in der Nacht. Auf dem Campingplatz in Trevelez hatte man mir gesagt, der erste Bus von Juviles würde um kurz vor sechs fahren. Aber in Juviles selber hatte eine Passantin auf 5 Uhr beharrt. Wir entschlossen uns also für die sicherere Variante und so kam es, dass wir mitten in der nachts am Arsch der Welt im Dunkeln hockten und auf einen Bus warteten, der nicht kam. Weil Juviles nämlich das letzte Dorf der Alpujarras ist, das wahrscheinlich mehr aus Mitleid denn aus guten Gründen noch angefahren wird, ist's am Arsch der Alpujarras. Und die Alpujarras sind am Arsch von Andalusien, weil jeder entweder zum Skifahren in die Sierra Nevada fährt oder zum Saufen an die Küste. Und Andalusien ist am Arsch von Spanien, weil es nicht nur eine der ärmsten Provinzen in Spanien ist, sondern auch näher an Afrika liegt als an Madrid.
Nun, jedenfalls saßen wir jetzt im Dunkeln und starrten die Straße hinunter. Um 5.53 kam dann aber doch tatsächlich ein Bus von Alsina Graells, nagelneu wie die ganze Flotte, mit einem gutgelaunten Busfahrer und lauter spanischer Popmusik im Innern. Dieser Bus passte so wenig in dieses Kaff hinein wie die Titanic auf den Wannsee. Aber jetzt war er da, wir stiegen ein und fuhren los. Die Hauptstraße durch die Alpujarras ist naturgemäß sehr kurvig und an manchen Stellen sehr eng. Das wäre eigentlich kein Problem. Sieht man als Passagier aber nichts außer Schwärze, während man hin und her fliegt, während der Bus im 2 Sekunden Takt Gas gibt und abbremst kann es unangenehm werden...nach 30 Minuten Busfahrt war ich ganz kurz davor auf den Boden zu kotzen. Gott sei Dank fing es irgendwann an zu dämmern, man konnte die Straße sehen und sich auf die Manöver einstellen. Nach knapp 2 Stunden kamen wir in Orgiva an (3,55€). Jetzt die nächste Überraschung: auch von hier gab es keine baldige Direktverbindung nach Almeria, wir kauften also Tickets nach Motril (2,50€, FZ: 1h) und von da aus erst weiter nach Almeria (10€, FZ: 3h)wo wir kurz vor 13Uhr ankamen. Wir holten noch schnell die Tickets für die Weiterfahrt zum Gabo de Gata (2,50€, FZ:1h) und gingen dann für 2 Stündchen durch Almeria, kauften ein wenig ein und aßen einen Döner in einer Kebab-Bude, die wir zufällig gefunden hatten.

Um 15 Uhr waren wir wieder am Bahnhof (von wo in Almeria alle Busse abfahren) und jetzt begann der zweite Teil der Reise, es ging in die Wüste am Gabo de Gata.
Vorbei an einer Flut aus halbzerfallenen Bretterbuden, die auch in einem Slum in der Dritten Welt hätten stehen können, sahen wir irgendwann mitten im nichts einen Felsbrocken, der den Weg zum Campingplatz in Richtung querfeldein mit einem Kilometer angab. Der Busfahrer hielt gerade und so schnappten wir unsere sieben Sachen und stiegen aus.
Um die Folgende Szene nun naturgetreu zu beschreiben fehlt mir leider das schriftstellerische Talent, das war auch sofort mein erster Gedanke gewesen, als ich mich nach dem Ausstieg umgesehen hatte. Ich versuche es jetzt trotzdem und der Leser muss mit etwas Phantasie nachhelfen:
Da steht ein verlassenes Haus, das früher scheinbar ein Mal weiß gestrichen gewesen sein muss als einziger Schattenspender in einer ansonsten baumlosen Wüstenlandschaft. Nur komplett ausgetrocknete gelbbraune Grasbüschel bedecken spärlich den Boden, vereinzelt wachsen ein paar kränkelnde Kakteen aus dem Staub. Wind pfeift über das flache Land, wirbelt den Sand zu kleinen Windrosen auf, die sich durch das traurige Landschaftsbild hindurchschlängeln, die Sonne brennt erbarmungslos. Hinter einem zur Pyramide auftürmten Stapel Wassermelonen hockt ein alter Mann, und das braungebrannte Gesicht ist so ausdruckslos, wie das Landschaftsbild um Ihn herum. Er guckt geradeaus ins nichts als würde er uns nicht bemerken, nicht der Hauch von Aufmerksamkeit. Ich bezweifle, dass er sich noch an seine letzte verkaufte Melone erinnern kann. Und in dieser, abgesehen vom permanenten Pfeifen des Windes, totenstillen Szenerie gibt es nur ein einziges Geräusch. Das ist das Quietschen eines im Wind hin und her pendelnden verrosteten Coca-Cola-Werbeschilds, das vorne am Haus an einer rotbraunen Eisenstange hängt und sich gegen alle Physik dagegen sträubt endlich herunter zu fallen.

Als hätte Gott seine Hand aus dem Himmel gestreckt und eine Filmkulisse geschaffen für die Fortsetzung von "Texas Chainsaw Massacre", es passt einfach alles zusammen.
Ich habe versucht Fotos zu machen und das ganze zu filmen, aber es wirkt nicht so, wie in Wirklichkeit. Bevor jetzt aber Leatherface aus dem Haus gestürmt wäre versuchten wir uns wieder zu beherrschen und verließen schnell das kuschelige Plätzchen. Schade, dass wir nicht genug Startkapital in den Taschen hatten. Sonst hätte man das ganze Gebiet kaufen und einen Zaun drum herum ziehen können um anschließend Eintritt zu verlangen: Noch "Wüste der Verdammnis - lerne die Angst kennen" in Neonfarben außen dran und das Ding wäre gelaufen, ein Bombengeschäft, Disneyland war gestern.
Nach eindeutig mehr als einem Kilometer erreichten wir den Campingplatz Gabo de Gata. Man weiss nicht, wer hinter diesem Projekt steckt, aber es kann eigentlich nur entweder ein betriebswirtschaftliches Genie gewesen sein oder ein Irrer. Mitten in eine komplett zugemüllte Wüstenlandschaft einen strahlenden, blitzblanken Campingkomplex reinzusetzen ist in beiden Fällen aber zumindest mutig. Wir gingen, nach dem Zeltaufbau in die Stadt, um noch ein wenig einzukaufen und dann an den Strand ein wenig schwimmen.

Dann sahen wir auch, wieso sich der Campingplätze womöglich doch rentieren konnte. Nach einem 15-minütigen Spaziergang steht man nämlich vor 11 ununterbrochenen Kilometern durchgehend sauberen Sandstrands, vor allem wegen des Wörtchens "ununterbrochen" kann man sowas in Spanien lange suchen.
Am Abend wurde dann noch im Windschatten des Klohäuschens gekocht und um 22 ging's in die Haja, am nächsten Tag stand die erste Wüstenwanderung dieses Urlaubs an.

© Matthes Jansen, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Alpujarras – Mulhacen - Gabo de Gata - Almeria...alles in drei Wochen zu Fuß!
Details:
Aufbruch: September 2008
Dauer: unbekannt
Heimkehr: September 2008
Reiseziele: Spanien
Der Autor
 
Matthes Jansen berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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