Die Mosel- Wanderung auf den Spuren eines Flusses, Teil 3: Luxemburg-Deutschland
Etappe 1: Wanderung von Perl nach Stadtbredimus
Von Perl über Schengen nach Stadtbredimus, Montag, 31.3.2025
Perl erweist sich als größer und ausgedehnter, als ich erwartet habe. Das eigentliche Zentrum befindet sich nicht unten an der Mosel, sondern ein ganzes Stück weiter oben, und so nimmt es heute vormittag auch einige Zeit in Anspruch, vom Hotel "Perler Hof" im Zentrum entlang der stark befahrenen Hauptstraße bis hinunter zur Mosel zu wandern. Dann brauche ich nur noch über die Brücke zu gehen und bin schon im luxemburgischen Schengen, berühmt geworden durch das 1985 hier abgeschlossene Schengener Abkommen. Da ich ja wandern will, klammere ich dieses historische politische Ereignis aus meiner Planung weitgehend aus. In Schengen angekommen, gehe ich steil hinauf zur Kirche "Salvator Mundi" und besuche sie kurz. Einerseits, weil ich mir gerne Kirchen am Weg anschaue, andererseits, weil ich mich am Beginn meiner Tour etwas besinnen und innehalten möchte. Der Kirchenraum ist eine Oase der Ruhe inmitten des starken Grenzverkehrs hier, dem zu entkommen mir ein Bedürfnis ist.
Da ich jetzt alleine unterwegs bin, schalte ich um in mein eigenes Timing. Und das - ich gebe es zu- wäre für die meisten wohl eher kontraproduktiv. Es sieht fast immer so aus, daß ich mir am Anfang der Wanderung SEHR viel Zeit lasse und dadurch nicht selten in ziemliche Zeitverzögerung gerate. Deshalb komme ich in der Regel ziemlich spät und entsprechend erschöpft an meinem Ziel an. Das stört mich ein bisschen, aber eigentlich auch wieder nicht, da ich unterwegs einiges mitgenommen habe, das mir beim sturen Straight forward-Wandern bestimmt entgangen wäre. Und so stellt sich am Ende trotz der Erschöpfung fast immer ein Glücksgefühl ein. Abgesehen davon, daß das Gehen mit dem schweren Trekking-Rucksack mich ohnehin zu größerer Langsamkeit zwingt, geht es mir auch genau um diese Langsamkeit, um dieses Mir-Zeit-Lassen als bewusste Gegenstrategie zum Getaktet-Sein, sei es selbstauferlegt oder fremdbestimmt.
Also wandere ich zunächst in die eigentlich verkehrte Richtung, nämlich nicht in die Richtung meines Zieles, sondern ein Stück Richtung Frankreich, den 312 Meter hohen Stroumberg hinauf. Der befindet sich gegenüber des Hammelsberges auf der deutschen Seite, auf dem ich gestern mit Gabi und Edwin unterwegs war und ist, genau wie dieser, ein Naturschutzgebiet. Unterhalb, ebenfalls auf der anderen Moselseite, sehe ich den französischen Grenzort Apach. Naturschutzgebiete werden in aller Regel als solche ausgewiesen, nachdem die oft intensive, ausbeuterische Nutzung durch den Menschen abgeschlossen wurde und die Natur sich diese Habitate nach und nach wieder zurückerobert hat. Für sie gelten besonders strenge Auflagen, was ihre Betretung und Nutzung betrifft. Hier im Stroumberg wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Gips abgebaut. Manche Stolleneingänge sind noch zu sehen. Das hier anstehende Gestein ist Muschelkalk. Durch den Buchenwald führen schmale Wurzelpfade. Irgendwann muß ich mich entscheiden, ob ich wieder abwärts gehen will oder weiter hinauf. Ich entscheide mich für letzteres. Es geht bald ganz schön steil bergan, zum Teil über Treppenstufen an den beeindruckenden Muschelkalk-Felsen entlang bis ganz auf die Höhe. Bald sehe ich ein Schild "Belvedere" und komme zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man den Ort Perl, das Moseltal und die Höhen auf der französischen und deutschen Seite herrlich überblicken kann.
Weinberge und ehemalige Baggerseen
Kurz darauf komme ich wieder in den Ort Schengen. Der nächste Berg ist der Markusberg. Dieser ist ein Weinbaugebiet und gehört zur Gemeinde Schengen. Der dem Heiligen Markus gewidmete Turm inmitten des Weinberges wurde in der Mitte der 1930er Jahre von 83 Schengener Winzern errichtet, die sich zusammengeschlossen hatten, um den Weinbau, um den es nicht gut bestellt war, grundlegend zu erneuern. Eine Flurbereinigung mit dem Ziel, die vielen kleinen Parzellen zu größeren Parzellen zusammenzulegen, wurde durchgeführt; eine Umstellung von quantitativer Produktion mit minderwertigen Weinsorten zu qualitativ hochwertigen Weinsorten wurde angestrebt. Gleich in der Nähe des Turmes ein architektonisch auffallendes, großes Gebäude, dessen hinterer Teil rund gewölbt und dessen vorderer, zur Mosel hin gerichteter, wie abgeschnitten wirkender Teil mich irgendwie an das Maul eines Tieres erinnert. Es ist die "Domaine Henri Ruppert", entworfen von dem renommierten Luxemburger Architekten François Valentiny, der hier aus Remerschen stammt. Die Form des Gebäudes erinnert mich stark an den sogenannten "Turm Luxemburg" auf dem Trierer Petrisberg, nur wenige Gehminuten von meiner elterlichen Wohnung, in der ich meine Kindheit und Jugend verbracht habe und in der meine Mutter heute noch wohnt, entfernt. Ich finde heraus, daß meine Vermutung richtig war. Der exponiert stehende, von weitem sichtbare Turm aus rötlich-braunem sogenanntem Cortenstahl, dessen vorkragende Aussichtsplattform über den Petrisberg in Richtung Mosel und Luxemburg ausgerichtet ist, war ein Geschenk des Staates Luxemburg an die Stadt Trier anlässlich der Landesgartenschau auf dem Gelände des Petrisberges im Jahre 2004 und stammt ebenfalls von dem Architekten Valentiny, der repräsentative und private Gebäude in aller Welt entworfen hat.
Nachdem ich die Autobahn unterquert habe, wandere ich weiter nach Remerschen. Hier erwartet mich ein weiteres Naturschutzgebiet: Das "Haff Réimech", unmittelbar an der Mosel gelegen, besteht aus vielen aneinander grenzenden kleineren und größeren Wasserflächen, "Baggerweieren" genannt, mit ausgedehnten Schilfgürteln und Erlenbruchwäldern. Wanderpfade führen durch das Gebiet. Spaziergänger und Wanderer können die vielen Seen und Teiche nur aus angemessener Entfernung betrachten; es gibt keine Möglichkeit, die Uferzonen der Gewässer, geschweige denn die Gewässer selbst zu betreten. Naturschutz hat hier Vorrang. Es gibt ein paar Vorrichtungen, die eine Observierung der Gewässer ermöglichen. Sie bieten die Möglichkeit, aus gewissem Abstand Blesshühner, Haubentaucher, Gänse, Schwäne und was sich sonst noch auf den offenen Gewässern, in den Uferzonen und Schilfgürteln tummelt, in aller Ruhe zu beobachten.
Blick vom Observierungsturm auf einen der zahlreichen Seen im NSG Haff Reiméch an der Mosel in der Nähe des Ortes Remerschen
Von Remerschen nach Stadtbredimus
Im nächsten Ort, Wintrange, geht es dann steil und beschwerlich auf Treppenstufen zum Fëlsberg: Hier oben, von der Statue des Heiligen Donatus in den Weinbergen aus, bietet sich wieder ein fantastischer Ausblick ins Moseltal und über die umgebenden Höhenzüge. Auf dem weiteren Weg nach Wellenstein wechseln sich Waldgebiete mit Weinbergen ab. Praktisch auf dem ganzen Weg bis Remich kann man das hier relativ breite Moseltal überblicken. Immer wieder schaue ich zurück nach Perl und zum Stroumberg, wo ich meine Tour begonnen habe. Die weit offene Landschaft macht auch die Orientierung leicht; es besteht kaum Gefahr, daß man sich großartig verlaufen kann. Einziges Manko dieses durchweg gut markierten Weges ist, daß er fast ausschließlich über Asphaltwege führt, von wenigen Ausnahmen abgesehen.
Blick vom Fëlsberg über das Moseltal. Vorne der Ort Wintrange, dahinter die "Baggerweieren" des Haff Réimech. Ganz hinten das zum Saarland gehörende Perl
Am frühen Abend erreiche ich die Stadt Remich. Noch ein kleiner Hügel, dann bin ich schon in meinem heutigen Etappenziel Stadtbredimus. Das große "Hotel Ecluse" liegt, wie der Name schon sagt, in unmittelbarer Nähe der Schleuse fast direkt an der Mosel. Ich esse eine Platte mit kleinen Moselfischen. Sie schmecken köstlich. Ich möchte von der Bedienung wissen, wie sie heißen. Sie können mir nur den französischen Namen sagen: "Gardons". Ich finde heraus, daß sie auf Deutsch "Rotaugen" oder "Plötzen" heißen. Selbstverständlich trinke ich dazu Moselwein, einen Luxemburger Riesling. An einem anderen Tisch wird lëtzebuergisch gesprochen. Später folge ich -unfreiwillig- den lautstarken Gesprächen einer Gruppe, die sich an einem Tisch niedergelassen hat und saarländisch spricht. Die Gespräche drehen sich ausschließlich um Immobiliengeschäfte. Wer hierher kommt, kann es sich offenbar leisten. Ich leiste es mir heute auch mal. An den anderen Tagen habe ich Unterkünfte auf der deutschen Seite gebucht. Da ist es preiswerter. Allerdings nicht überall. Die Hotel-und Restaurantpreise haben sich auch dort mittlerweile den luxemburgischen angenähert.
Heute war es sonnig bei angenehmen Temperaturen zwischen 9 Grad am Vormittag und 15 Grad nachmittags.
Aufbruch: | 30.03.2025 |
Dauer: | 6 Tage |
Heimkehr: | 04.04.2025 |