Von Wien nach Helsinki in 16 Tagen
Bibelstunde im Bus nach Tartu & ein Wiener Café
Vor meiner Reise habe ich gelesen, dass die meisten Einwohner Estlands keine Konfession haben. Doch die ältere Frau neben mir im Bus auf der Fahrt von Riga nach Tartu stellt sich als gläubig und bibelfest heraus. Die Antworten auf die Fragen des Lebens stünden in den Geschichten der Bibel, sagt sie. Das Wichtigste seien Geduld und Bemühen – da stimme ich ihr zu. Mit den Bibelinhalten hingegen bin ich als konfessionsloser Österreicher schlicht zu wenig vertraut.
Tartu ist europäische Kulturhauptstadt 2024 und trug einst den Namen Dorpat. Bekannt ist sie vor allem für ihre Universität, und der Brunnen auf dem Rathausplatz heißt „Brunnen der küssenden Studenten“. Der historische Kern von Tartu ist nicht sehr weitläufig und alles liegt nah beeinander. Als ich nach dem Abendessen noch Appetit auf etwas Süßes verspüre, kehre ich kurzentschlossen ins Café Werner ein. Dieses hält eine zeitlos-gemütliche Atmosphäre und eine Vielzahl von Torten bereit – süße und auch pikante.
Während ich mein Tortenstück verzehre, höre ich vom Tisch im Eck hinter mir Gesprächsfetzen eines Telefonats auf Deutsch. Dem Tonfall nach spricht hier ein Österreicher. Ich stelle mich vor und so kommt es, dass wir eine Stunde lang plaudern. Zwei Wiener (bzw. zwei in Wien Wohnhafte) treffen sich ein einem Kaffeehaus – das kann vorkommen. Besagtes Café Werner wurde übrigens 1895 als Wiener Conditorei von einem Herrn namens Johann Werner gegründet.
Wettermäßig bin ich endgültig im baltischen Herbst angekommen. Der Morgen begrüßt mich mit grauem Himmel und regennassen Straßen, d.h. ideales Wetter für einen Museumsbesuch. Zuvor drehe ich aber noch ein paar Runden in der Altstadt: Domberg, Tartu Universität, Johanniskirche. Draußen nieselt es unaufhörlich und allein in dieser bis auf die alten Terrakotta-Köpfe schmucklosen Lutherischen Kirche aus rotem Backstein genieße ich für ein paar Augenblicke die Schlichtheit und Ruhe.
Fein ist auch der Bahnhof von Tartu: Die Wartehalle hat Sitzbänke aus edlem Holz und es gibt obendrein ein nettes Bahnhofscafé – perfekt für eine Tasse Tee und ein paar Reisenotizen. Vom Bahnhof ist es nur mehr ein Katzensprung bis zum Kulturzentrum Aparaaditehas. Ehemals eine Fabrik, beherbergt das Gelände heute Kunstgalerien, Boutiquen, schicke Bars usw. Kolm Tilli heißt das angesagteste Lokal dort und gefällt mit seiner Inneneinrichtung, chilliger Musik und sehr freundlicher Bedienung.
Es ist schon Nachmittag und höchste Zeit für das Estnische Nationalmuseum. Der freistehende Bau ist gewaltig, vor allem die Länge von 350 Metern. Ansprechend finde ich auch das Design der Innenräume, alles sehr modern und durchgestylt. Mit der Anordnung der Ausstellung komme ich weniger zurecht: Es gibt keine Bodenmarkierungen oder Hinweise, in welchem Abschnitt man sich gerade befindet.
Witziges Detail: Die Begleittexte sind auf Estnisch, doch man kann seine Eintrittskarte an den Monitor halten und der Text erscheint in der Übersetzung. Zusätzlich kann man diese auch auf sein Konto herunterladen und nach Hause mitnehmen – der Link dazu steht auf der Eintrittskarte.
Aufbruch: | 23.09.2024 |
Dauer: | 16 Tage |
Heimkehr: | 08.10.2024 |
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