Ein Semester in Irland

Reisezeit: September 2006 - Januar 2007  |  von Katharina Bergmann

Belfast und Giant's Causeway

Eine Stadt der Gegensätze sag ich nur. Das Zentrum ist wirklich schön und wie jede andere Stadt in Großbritannien mit den typischen Läden.

Aber wenn man sich dann nur ein paar hundert Meter in die Außenbezirke verirrt (Belfast ist echt klein), dann glaubt man erstens nicht, dass es die gleiche Stadt ist, und zweitens, dass man sich im Jahr 2006 befindet. Nur 3% Belfasts ist "neutral", der Rest ist entweder 100% katholisch oder 100% protestantisch. Aber eigentlich ist es kein Konflikt der Religionen, sondern ein politischer Konflikt, denn es geht ja darum, ob NI Teil von GB bleibt oder Teil der Republik Irlands wird. Wir haben uns in diese Viertel nur in einem der Black Taxis getraut. Die bieten einstündige Touren an, bei denen der Fahrer Erklärungen gibt und man auch aussteigen kann. Ich sag euch: Wir wollten erst gar nicht! Er meinte, es sei ok, wenn uns die Leute nicht dort haben wollen würden, würden sie uns das schon merken lassen und wir nicht dort sein. Na, sehr beruhigend. Die meisten Murals (Wandbemalungen) auf den Fotos sind aus dem 100% protestantischen Viertel Shankill in West-Belfast.

Hier wohnen nur Leute, die wollen, dass Nordirland Teil Großbritanniens bleibt und die deswegen auch die terroristischen Vereinigungen unterstützen, die dafür kämpfen. Man läuft umher und fühlt sich wirklich sehr unwohl, zumal auf dem einen Mural ein Scharfschütze abgebildet ist, der die ganze Zeit mit seinem Gewehr genau auf einen zu zielen scheint ("Die nordirische Antwort auf die Mona Lisa", meinte unser Fahrer).

In der Ferne sieht man ein paar Überwachungstürme des Britischen Militärs und auf den Hügeln außerhalb von Belfast ist auch eine Überwachungsstation. Wie meinte unser Fahrer: "Hattet ihr Angst nach Belfast zu kommen? Nein? Das werden wir gleich ändern.". Na ja, ein komisches Gefühl war es auf jeden Fall und als "richtig geil" wie einige unserer deutschen Kommilitonen, würde ich die Tour jetzt auch nicht bezeichnen. Das ist ja schon fast Katastrophentourismus oder eben "Trouble Tourism". Weiter ging es zur Mauer, ironisch als "Peaceline" bezeichet. Sie ist circa 15m hoch, es gibt sie ins ganz Nordirland, die meisten in Belfast, und die letzte wurde vor 2 Jahren gebaut. Also von Frieden kann eigentlich kaum eine Rede sein. Und im Gegensatz zur Berliner Mauer will hier keiner, dass sie abgebaut wird, eher im Gegenteil. Nachts schließen sich sogar die wenigen Tore, weil sich sonst protestantische und katholische Kinder mit Flaschen und Steinen bewerfen und sich hassen, obwohl sie sich nicht kennen.

Die Häuser, die direkt hinter der Peaceline stehen, haben Gitter vor den Fenstern zum Schutz vor Bomben und Steinen. Übrigens ist genau an dem Freitag, als wir hingefahren sind, ein Loyalist ins Parlament Stormont eingedrungen und hat versucht, die Führer der IRA-Partei Sinn Fein zu erschießen. Hat nicht geklappt und er muss jetzt nur noch 780 Jahre Gefängnis absitzen, denn er hatte gerade schon 20 Jahre von seiner vorherigen Strafe abgesessen. Also: noch ein Beweis, dass der Konflikt anhält. Die pessimistische Prognose unseres (übrigens protestantischen Fahrers) lautet übrigens, dass NI innerhalb der nächsten 50 Jahre Teil der Republik Irlands werden wird, weil die katholische Bevölkerung auch immer größer wird. Allerdings, so meint er, werden die Loyalisten dann ganz Irland zerbomben und dadurch den Tourismus zerstören.

Am Samstag haben wir eine Bustour an der Nordküste der County Antrim gemacht, was wirklich sehr beindruckend war. Diese Küste ist bekannt für ihre schöne Natur. Es gibt neun Täler, die sich alle zum Meer hin öffnen, wo dann meist ein netter Fischerort liegt. In einem gibt es riesige Wasserfälle. Man konnte sogar Schottland sehen, nur 9 Meilen entfernt. Der Höhepunkt war der Giant's Causeway. Der ist Weltkulturerbe und durch ins Meer fließende Lava entstanden, die mehr als 38000 fünfeckige Basaltsäulen gebildet hat.

In Irland glaubt man natürlich lieber folgende Geschichte: Der nordirische Riese Finn MacCool wollte mit seinem schottischen Kontrahenten (keine Ahnung wie der jetzt hieß) kämpfen und hat ihm, ganz Gentleman, einen Übergang über den Atlantik gebaut, damit er zu ihm nach Nordirland herüberlaufen kann (den Giant's Causeway). Als Finn MacCool den schottischen Riesen und sein gefährliches Aussehen und seine enorme Größe gesehen hat, hat er jedoch Angst bekommen. Seine Frau hatte dann die Idee, Finn MacCool als Baby zu verkleiden und in eine Krippe zu legen. Als der schottische Riese ankam und nach Finn verlangte, meinte seine Frau, er sei nicht da, aber ob er nicht seinen niedlichen Sohn sehen wolle. Als der schottische Riese das Riesenbaby sah, malte er sich aus, wie groß wohl der Vater dann sein müsse, hat seinerseits Angst bekommen, ist zurück nach Schottland gerannt und hat dabei den Causeway zerstört, damit Finn ihm nicht folgen kann. Ja, so war's natürlich in Wirklichkeit!
Abgesehen von diesen beiden Touren war der internationale Weihnachtsmarkt in Belfast sehr schön.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Das 5. Semester meines Studiums werde ich im 6.000 Einwohner zählenden irischen Örtchen Maynooth verbringen. Es liegt ca. 25 km südwestlich von Dublin. Abgesehen von vielen neuen internationalen Bekanntschaften und einer schönen Uniatmosphäre hoffe ich, so viel wie möglich von der Insel zu sehen. Wohnen werde ich auf dem Campus in einer 5er-WG.
Details:
Aufbruch: 06.09.2006
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 19.01.2007
Reiseziele: Irland
Der Autor
 
Katharina Bergmann berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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