Vietnam - Traum und Wirklichkeit

Reisezeit: April / Mai 2007  |  von Norbert Wallner

Von Schlangen und Krokodilen

Ein Hauch von Urwald.

Besorgt blicke ich vom schmalen Boot, wenige Zentimeter über dem Wasser, ins gelbe Wasser des Mekongflusses. Jederzeit erwarte ich, dass ein Krokodil nach mir schnappt. Habe genug Filme gesehen. Die Vögel schreien. Ist nicht immer ein Krokodil in der Nähe, wenn die Vögel schreien? Mit regelmäßigen Schlägen tauchen die Paddel der beiden Bootsführerinnen ins Wasser. Die sind im Alter der Pensionisten in unserer Gruppe. Eigentlich sollten wir SIE rudern, aber ich denke, das würde ein wenig erfrischendes Bad bringen. Palmen, Mangroven, hin und wieder blitzt ein Sonnenstrahl durchs Blätterdach, während wir durch den tropischen Tunnel gleiten.
Glücklicherweise scheinen die letzten Krokodile hier zu Geldtaschen verarbeitet worden zu sein, die man uns wenige hundert Meter davor zum Kauf angeboten hat.

Heute steht das Mekongdelta auf dem Programm. Einen Tempel der bizarren Cao Dai-Sekte mussten wir unterwegs noch besichtigen. Sehr bunt wie die Lehre selbst, jedenfalls jedoch angenehm kühl, wozu schon allein das Ausziehen des Schuhwerks beiträgt.

Mit einem Ausflugsschiff waren wir auf Thoi Son gelangt, eine langgezogenen Mekonginsel, die wahrscheinlich als Außenstelle von Disneyland errichtet wurde. Wie sich Europäer und vor allem Amerikaner südostasiatischen Dschungel vorstellen. Ich will nicht böse sein, die Insel gab es sicher vorher auch schon, noch bevor die erste Langnase ihren touristischen Fuß hierher gesetzt hat. Und ein bisschen Gestaltung tut gut, vor allem wenn sie der Bevölkerung Geld bringt. Noch weniger böse: es gibt schlimmere Orte. Zumindest die Palmen und Mangroven entlang des Flussarmes scheinen original zu sein und nicht extra gepflanzt. Und dass das Restaurant lieblich und für westliche Augen wohl gestaltet ist, erfreut ganz objektiv mein Auge, das zehngängige Menü, wohl drapiert und charmant vorgelegt, schmeckt, Luxus ist was Schönes. Leichte Anflüge von schlechtem Gewissen, wenn man sich von pensionsreifen alten Damen rudern lässt, begegnet man mit der Vorstellung, dass sie nicht unwesentlich zum Unterhalt ihrer Familien beitragen, was sie nicht könnten, wenn wir vor lauter schlechtem Gewissen auf Luxus verzichten würden.
Man tut Gutes und bekommt Gutes. Ist die Welt nicht gerecht?
Und wer denkt an Tierschutz, wenn die Riesenschlange mehrmals täglich von ihrem viel zu engen Käfig heraus darf, um den Hals westlicher Touristen zu schmücken? Moment, ich will auch ein Foto machen. Danke. Der Schlangenbändiger bekommt Trinkgeld, zumindest fordert er nicht. Die Schlange würde ihr Futter auch in Freiheit finden, aber wen kümmert's? Es ist ein Arbeitsplatz, und die Alternative wäre eine riesige Flasche, in die das Tier in Schnaps eingelegt wäre, oder sie würde zu köstlichen Gerichten verarbeitet. Ob man die Krokodile auch gegessen hat, bevor ihr Leder zu Handtaschen und Geldtaschen wurde?
Soweit ich mit den kulinarischen Grundsätzen in Vietnam vertraut bin, würde ich sagen, ja.

Ein bisschen Mekong abwärts (? In welche Richtung fließt der eigentlich?) müssen wir noch einmal essen, diesmal begleitet von echter vietnamesischer Musik. Nun ja, doch ein bisschen besser als chinesische Musik, manchmal erkennt man so etwas wie Rhythmus. Später in Hue beim so genannten Kaiserdinner werden wir wieder in den Genuss traditioneller Musik kommen, dort klingt's zwischendurch ja schon fast schmissig...

© Norbert Wallner, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zeit.Reise.Bericht 11 Tage Patenreise durch Vietnam. Zwischenlandung in Singapur. Saigon, Cu Chi, Mekong-Delta, Hue, Da Nang, Hoi An, Projektgebiet Hiep Duc mit Besuch der Patenkinder, Hanoi, Halong-Bucht. Anschließend 1 Woche alleine und individuell im Norden Vietnams (Hanoi und Sapa).
Details:
Aufbruch: 14.04.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 02.05.2007
Reiseziele: Singapur
Vietnam
Der Autor
 
Norbert Wallner berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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