Teil 1 - Pyrenäen 2012 (Frankreich/Spanien)

Reisezeit: September / Oktober 2012  |  von Uschi Agboka

Gorges de Calamus - Castelnou

12. Tag - Gorges de Calamus - Castelnou - Vallespir

13. September 2012 - Donnerstag - 12. Tag
Llauro, Pyrenäen (Frankreich)
Fenouilledes - Gorges de Calamus - Ermitage St.-Antoine - Castelnou - Kirche Sainte Marie du Mercadal - Vallespir
Fahrzeit: 6 1/4 Stunden- 145 km

Heute Morgen windet es, aber nicht mehr so stark wie in der Nacht. Die schwüle Luft wurde weggeblasen, es ist angenehm kühl. Ich genieße das sehr. Rolf werkelt eine ganze Weile an seiner Satelittenanlage herum, ehe wir um 10.15 Uhr losfahren, Richtung Thuir, Montalba, Col de Auzines (606 m), Pezilla de Conflent, Ansignan, am Agly entlang nach St.-Paul de Fenouillet bis zur Gorges de Calamus.

Das Fenouilledes - eine herbe Schönheit. Man findet von Weinbergen bewachsene Hügel, malerische Täler und atemberaubende Schluchten wie die Gorges de Calamus. Auch die imposante Burg von Peyrepertuse ist hier zu sehen. Trotzdem wird diese Landschaft von vielen Touristen links liegen gelassen.

Wir besuchen zum zweiten Mal die "Gorges de Calamus", eine der faszinierendsten Schluchten Frankreichs. Über 5 km lang hat sich der Agly im Laufe von Jahrtausenden einen Weg durch die Felsen geschaffen, steil und unzugänglich. Senkrecht ragen neben einem die Felswände empor, während man von der einst unter großen Mühen erbauten Straße in die Tiefe zum rauschenden Fluss schauen kann.

Was die Natur schafft, können wir auch - das scheinen religiöse Menschen im 8./9. Jh. gedacht zu haben. Sie schufen nach "einem Wunder" ein Bauwerk, das beinahe so atemberaubend ist wie die Schlucht selbst - die Eremitage St.-Antoine in einem Felsloch am Eingang der Schlucht, mitten in der Steilwand. Wie ein unzu-gängliches Nest eines Greifvogels hockt die Einsiedelei da, zu erreichen über einen kleinen Tunnel oder einen längeren Weg vom großen Parkplatz. Wegen des schlechten Wetters verzichten wir auf einen Besuch der Eremitage, die als Schauplatz für folgende Filme diente, China, mein Schmerz - Jean Vigo (1989) und Die 9 Pforten von Roman Polanski (1998).

In der Gorges de Calamus bläst der Tramontane, ein starker Gebirgswind. Dazu regnet es leicht, also suchen wir Zuflucht in einem Cafe, 12 Uhr. Langsam hört es auf zu tröpfeln und wir können in die wilde Schlucht fahren - die sehr enge D 10 durchzieht die Schlucht. Die Enge der Straße bringt große Probleme für den Verkehr mit sich. In Folge dessen ist der Verkehrsfluss in den Monaten Juli und August reglementiert. Der Verkehr wird auf einer Strecke von 1,5 km wechselseitig als Einbahnstraße geführt. Aufgrund der Enge der Straße ist es im Bereich der Schlucht unmöglich zu wenden. Vorsicht ist für Wohnmobile geboten: Die Durchfahrtshöhe beträgt nur 2,70 Meter! In einer Ecke der Schlucht bläst der Wind so stark, dass wir fast vom Motorrad fallen. Es ist alles nebelverhangen und sieht bedrohlich und unheimlich aus. Leider fahren einige Autofahrer wie die Bekloppten durch die Schlucht, so nach dem Motto, wird schon keiner kommen. Trotzdem können wir an einigen Stellen halten und Fotos machen.

Es geht weiter, D 117, über Maury. Hier wird der teuerste Wein der Gegend angebaut. Weiter über Thuir, durch eine strauchige Heidelandschaft, die mit kleinen Weinbergen abwechselt. Herrliche Platanenallee oder Palmen säumen die Straßen und immer wieder herrlich blühende Blumen.

Die Tramontane (tras montana - über das Gebirge) ist ein starker, kalter und trockener Fallwind, der das regionale Klima im Westen des Languedoc-Roussillon, insbesondere in den Departments Aude und Pyrenees-Orientales maßgeblich beeinflusst. Die Tramontane zählt, wie zum Beispiel der Favonio im Tessin, die Bise im oberen Rhonetal, dem Mistral im unteren Rhonetal zu den sogenannten Nordföhn-Wind-Systemen. Die Tramontane ist geographisch genau spezifiziert: Es ist der kalte Fallwind meist aus Nord-west, der bei großen Luftdruck- und Temperaturdifferenzen zwischen Pyrenäen und Hautes Corbieres einerseits und dem Mittelmeer andererseits entsteht. Die Fallwindhöhe beträgt auf ca. 50 km Horizontaldistanz über 3.000 m, was für das Mittelmeer außergewöhnlich ist.

Es geht nach Castelnou. Das romantische Dorf (auch eines der "Schönsten Dörfer Frankreichs) an einem Hügel der Aspres präsentiert sich als Mischung aus mittelalterlichern Bauten und vor Frisch strotzendem Grün. Überall in den engen Gassen ranken Kletterpflanzen empor, Fenster und Balkone der alten Steinhäuser sind mit Blumen geschmückt.

Über dem Dorf erhebt (990 erbaut) dominierend die Burg - Castelnou wirkt wie gemalt. Die Festung zählt zu den ältesten des Roussillon. Als die Vicomtes zu Beginn unseres Jahrtausends von hier 300 Jahre lang das Vallespir beherrschten, besaß Castelnou große Macht. Kaum zu glauben, wenn man den alten Ort heute betrachtet, gerade mal ca. 30 Menschen wohnen noch in dem eigentlich Dorf. Die Burg wechselte oft den Besitzer, verfiel, bis sie 1876 in Ernest de Satge einen Eigentümer fand, der alles von Grund auf restaurierte. Die turmlose Burg, in der 1981 ein Feuer wütete, kann ganzjährig besichtigt werden. Auf einem Fels, der im Nordwesten des Dorfes und der Burg liegt, steht ein Turm, der Bestandteil des Festungswerkes war. Dieser zylindrische Wachturm ist in einem guten Zustand erhalten geblieben; er erinnert in seiner Gestalt an den "Torre del Far" in Tautavel oder an den "Torre del Mir" in Prat de Mollo.

Ich besuche auch den alten Friedhof mit schönen Grabsteinen und die Kirche Sain-te Marie du Mercadal (Unsere Liebe Frau vom Markt), die der Mutter Jesu geweiht ist und erstmals 1259 erwähnt wird. Die Kirche wurde von den Dorfbewohnern selbst errichtet. Die Sakristei und der Glockenturm stammen aus dem 18. Jh. Die Kirche ist einfach gehalten, ein Langhaus, 17 m lang, 7 m breit, abgeschlossen durch eine halbrunde Apsis. Die Innenausstattung stammt zum größtenteils aus dem Barock. Besonders sehenswert sind das Altarbild des Hochaltars und die vollständig mit Eisenbeschlägen verzierte Tür - sie gilt als eine der schönsten Türen im katalanischen Raum. Über dem Eingangsportal wurde im 19. Jh. eine Sonnenuhr angebracht.

Es ist 15.30 Uhr, sehr warm, aber nach wie vor weht der Tramontane.
Das Vallespir - das südlichste der 3 großen Täler des Roussillon, das der Fluss Tech im Laufe der Zeit schuf, verläuft nahe der spanischen Grenze und besitzt im oberen Teil Gebirgscharakter. Aufgrund der Abgeschiedenheit der Dörfer im oberen Vallespir blieb hier die katalanische Kultur erhalten. Während sich die Franzosen in der Ebene bemühten, das katalanische Brauchtum zu unterbinden, wurde in den Orten am Tech der berühmte Sardane getanzt. So unterschiedlich die geografischen Begebenheiten so, so verschieden sind auch die Sehenswürdigkeiten: Im sonnigen Ceret lockt das Museum für moderne Kunst, hinter Arles sur Tech gräbt sich mit der Gorges de la Fou eine der engsten Schluchten der Welt in den Fels.

Nach der Besichtigung des alten Ortes und vielen Bildern geht es zurück zum Campingplatz, wo wir gegen 16.30 Uhr, nach 6 ¼ Std., 145 km, eintreffen. Zum Dinner gibt es heute Tintenfischsalat, Pate, Schinken, Käse, Trauben, Baguette, Meringe dazu Rotwein. Einige Holländer auf diesem Platz sind extrem unfreundlich, wir fragen uns warum. Besonders unsere linken Nachbarn, die sind wirklich unmöglich, wir sagen Guten Tag und die glotzen nur blöd zurück. Der Wind ist so stark, dass sie ihr Zelt zusammenlegen müssen, es befestigen und dann samt Schnuffeltier und Kühltasche ins Hotel gehen zum Übernachten. Uns ist das sehr recht. Erst nach 19.30 Uhr gehen wir in den Bus und schauen uns einen Film über Menschenhan-del an, grauenvoll.

© Uschi Agboka, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es handelt sich um eine 42-tägige Tour von Niederbayern nach Frankreich, in die Auvergne, weiter in die französischen und spanischen Pyrenäen.
Details:
Aufbruch: 02.09.2012
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 13.10.2012
Reiseziele: Frankreich
Spanien
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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