Teil 1 - Pyrenäen 2012 (Frankreich/Spanien)

Reisezeit: September / Oktober 2012  |  von Uschi Agboka

Gorges de la Fou - Arles sur Tech - Ceret

13. Tag - Gorges de la Fou - Arles sur Tech - Ceret

14. September 2012 - Freitag - 13. Tag
Llauro, Pyrenäen (Frankreich)
Gorges de la Fou - Arles sur Tech - Abtei Sainte Marie - Villa Las Indis - Ceret - Pont Du Diable
Fahrzeit: 5 1/2 Stunden- 53 km

Abfahrt um 10 Uhr, nach einem windigen Frühstück. Der Wind ist schlimmer als in USA und nervt Rolf gewaltig, so dass wir Morgen nach Spanien weiterfahren werden. Doch heute geht es in die Gorges de la Fou und nach Ceret. Die Fahrtroute verläuft wie folgt, erst bis Ceret, dann D 115, über Amelie les Bains Palalda, kurz nach Arles sur Tech über die D 43 zur Gorges de la Fou (Katalanisch: Höllenschlucht).

Gegen 10.40 Uhr beginnen wir mit dem Marsch in die engste Schlucht der Welt, ausgerüstet mit einem Helm, an der Kasse ausgegeben. Es geht ständig bergauf, häufig über Eisenleitern. An einigen Stellen erkennen wir den Himmel nur noch als kleines blaues Band. Die Gesamtlänge des Canyon: 1.739 m, Höhenunter-schied 157 m, was eine Steigung von 9 % bedeutet. Extrem eng ist die Schlucht, an einer Stelle nur 0,80 m - man kann beide Felswände mit den Händen berühren! Der Gebirgsbach Fou hat sich hier einen bis zu 250 m tiefen Pfad durch das Gestein gebahnt. Hellgraue und rot gefärbte Felsböcke erheben sich über dem schmalen Weg scheinbar bis zum Himmel. Einige furchteinflößende Felsspalten sind die Grundlage für schaurige Sagen und Legenden über Hexen und Geister. Wegelagerer und Räuber nutzen die Angst der Menschen vor der dunklen Schlucht aus und versteckten sich hier. Erst 1928 wurde die Gorges de la Fou zum ersten Mal erforscht. Leider zeigt der begehbare Teil nur einen Bruchteil der Schaffenskraft des kleinen Flusses. Im Felsmassiv hat die Fou unterirdisch ein Labyrinth aus Höhlen und Gängen geschaffen. In der Schlucht ist eine konstante Temperatur von 16 Grad. Mehr als 30 hier wachsende Pflanzen sind detailliert beschrieben. Bei Regen wird die Klamm geschlossen, da durch herunterfallende Steine eine zu große Gefahr für die Besucher besteht. Zwar sind überall Netze gespannt, aber wir sehen einige dicke Brocken darauf und auch daneben liegen. Für den Aufstieg benötigen wir 50 Minuten mit Pause zum Ausruhen (viele Stufen) und Fotografieren, zurück geht es schneller. Der Besuch dieser grandiosen Schlucht lohnt sich auf jeden Fall. In einem kleinen Cafe am Eingang trinken wir Kaffee, 1 €! Es ist ein herrlicher sonniger Tag. Die Fahrt zurück über die D 115.

In Arles sur Tech machen wir einen kurzen Stopp.

Arles sur Tech - Zentrum religiöser und folkloristischer Traditionen im Haut-Vallespir, ist um eine um 778 am Ufer des Tech angesiedelte Abtei entstanden, von der noch die Kirche und der Glockenturm ste-hen. Die Gründung erfolgte durch den spanischen Mönch Castellanus, unter dem Schutz Karls des Großen. Als erstes Klostergebäude dienten die Ruinen der römischen Thermen von Amelie les Bains Palalda. Um mehr Schutz vor den Überfällen der Normannen zu haben, wurde die Abtei Sainte Marie im 9. Jh. unter Leitung des Abtes Sunifred (Mitglied einer katalanischen Grafenfamilie) nach Arles sur Tech verlegt. Im 11. Jh. wird die Abtei um eine Befestigungsanlage mit 4 Türmen erweitert. Unter dem Schutz der Grafen von Barcelona und später des Königs von Aragonien erlebte die Abtei einen bemerkenswerten Aufschwung, worauf ein steter Verfall folgte. Zur Zeit der französischen Revolution im Jahr 1789 verließen die letzten sechs Mönche das Kloster. Die Abteikirche wurde auf Wunsch der Bevölkerung zur Gemeindekirche. Weitere Besitztümer und Nebengebäude der Abtei wurden verkauft. Ela Palau Santa Maria - Heute sind frühromanische, romanische, gotische und barocke Einflüsse an den Gebäuden der Abtei erkennbar. Das Bauwerk befindet sich in Privatbesitz, man kann es aber besichtigen. Wir müssen warten, bis die Mittagszeit vorüber ist und wir uns alles ansehen können.

Vor der Abtei sind die verschiedensten Kräuter in Kübeln angepflanzt, gut beschrieben, leider fast alle vertrocknet. Eine amerikanische Künstlerin, Sandra Beaty, hat 2010 drei Bänke bunt gestaltet, in den katalanischen Farben, gefällt mir gut, Rolf weniger. Für die Besichtigung der Kirche etc. sollte man sich unbedingt Zeit nehmen. Schön ist, dass wir eine ausführliche Beschreibung auf Deutsch erhalten, so dass wir alles besser verstehen.

Im Kloster und in der Bevölkerung werden die Schutzheiligen Abdon und Sennen, deren Reliquien in einem Sarkophag ruhen, verehrt. Es waren junge kurdische Fürsten, die zu Märtyrern wurden. Sie werden im gesamten Roussillon als Schutzpatrone bei Katastrophen angerufen. Ein Altaraufsatz in der Kirche (Höhe des Kirchenschiffes 17 m!) zeigt die beiden Heiligen. Ein gotischer Kreuzgang aus dem 13. Jh. hat es mir besonders angetan. Ein Meisterwerk katalanischer Schmiedekunst des 16. Jh., das Kreuz des Korns (La Creu del Gra), das ursprünglich am Ortseingang von Arles sur Tech stand, befindet sich heute im Zentrum des Kreuzgangs. Der Name des Kreuzes erklärt sich durch die im Schaft eingearbeitete Eisenkugel.
Im Außenbereich vor der Ostfassade befindet sich ein frühchristlicher Steinsarkophag des 4. Jh. (Sainte Tombe - Heiliges Grab), der nach der Überlieferung gemeinsam mit den Reliquien der heiligen Märtyrer Abdon und Sennen vor über 1.000 Jahren in Arles sur Tech eintraf. Die Berichte stammen aus dem 10. Jh. Der Sarkophag füllt sich auf mysteriöse Weise mit Wasser. Bislang konnte man keine wissenschaftliche Erklärung für dieses Phänomen finden. Dem Wasser werden magische Kräfte nachgesagt.

Sehenswert ist in Arles sur Tech das Rathaus - Marie. Dies ist eine ehemalige Villa, im Stil Art Nouveau, gebaut Anfang des 20. Jh. - Villa Las Indis - für Joseph Pierre Monin. Dieser gründete im Jahr 1871 mit Francois Auguste Viviers die Zeche Mont Cenis in Herne. In Personalunion als Vorsitzender des Grubenvorstandes, des Generaldirektors, des Technischen und Kaufmännischen Direktors leitet Monin die Zeche Mont Cenis zwischen 1871 bis 1875, 1876 führt er ein arbeitsteiliges Management ein. Generaldirektor bleibt er noch bis 1878 und behält als Eigentümer seine Kontroll- und Entscheidungsfunktion. 1893 tritt das Unternehmen dem Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat bei und wird in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Bis zu seiner Rückkehr nach Frankreich im Jahr 1896 bleibt Monin Hauptaktionär. Ganz nebenbei sorgt er dafür, dass sich das 400-Seelen-Kaff Sodingen zu einem modernen Ort mit 9.000 Ein-wohnern entwickeln kann - nicht ganz uneigennützig, denn die Zeche benötigt gut ausgebildete Mitarbeiter. So lässt Monin eine neue Schule bauen, die die einklassige Behelfsschule im Haus Wiesmann ablöst; 1894 bekommt Sodingen ein Postamt, Monin sorgt für die Elektrifizierung, ergreift die Initiative für Wohnungs- und Straßenbau, für die Wasser- und Gasversorgung.

Nach seiner Rückkehr nach Frankreich zieht Monin sich nicht ins Private zurück, sondern saniert erfolgreich die Erzgruben von Batère in Arles-sur-Tech in den Ostpyrenäen; die Villa, die er sich dort bauen lässt, dient heute der Gemeinde als Rathaus. 1910, vor 100 Jahren also, stirbt Monin in Paris. Ein prächtiges Haus ist die Villa Las Indis, wie ein Schloss, mit herrlichem Garten, Teich und alten Bäumen, ganz in der Nähe der Abtei. Wir können einige Räume der Villa besichtigen. Was mir besonders gefällt, ist ein moderner Zaun um das Gebäude, zum Teil mit makaberen Figuren geschmückt.

Wir verlassen Arles sur Tech und fahren nach Ceret, ca. 8.000 Einwohner, am Rand der hügeligen Ausläufer des Canigou, im Tech-Tal gelegen.

Der Name Ceret wird von Ceres hergeleitet, der griechischen Göttin des Ackerbaus. Ebenfalls von Ceres abgeleitet ist der Nationaltanz der Katalanen - Sardane -, der in früheren Zeiten auch als La Ceretane bezeichnet wurde. Die Sardane ist in Ceret noch ein echter Volkstanz für alle Altersgruppen, bei dem sich siebzigjährige Frauen, dreißigjährige Männer und zehnjährige Kinder die Hand reichen.

Wir schauen uns die mittelalterliche "Pont Du Diable" -Teufelsbrücke an, die im 14. Jh. mit einer Bogenspannweite von 45,45 m die größte Brücke der Welt war. An der höchsten Stelle ragt sie 22 m über den Fluss. Das Stadtbild der Altstadt von Ceret ist einzigartig in der gesamten Region: Die Boulevards zwischen den hohen Bürgerhäusern werden von gewaltigen Platanen beschattet und entlang der Bordsteine vieler Straßen rinnt Wasser. Das sieht schön und urig aus. Wie in alten Zeiten wird es über diverse Kanäle aus höheren Lagen in die Stadt geleitet und dient so noch immer auch ein wenig der Straßenreinigung. Bedeutender ist aber seine kühlende Wirkung im Hochsommer.

Berühmt ist Ceret auch für sein Kunstmuseum und für seine Kirschen. Aufgrund seiner klimatisch vorteilhaften Lage am Rande der Küs-tenebene des Roussillon herrscht hier im Frühjahr ein besonders mildes Klima, so dass in der Umgebung von Ceret die Kirschen früher reif werden als andernorts in Frankreich. Die Bauern nutzen diesen Vorteil für eine geschickte PR-Strategie: Das erste Körbchen erhält traditionell der französische Staatspräsident.

Nachdem wir noch eingekauft haben, geht es zurück auf den Campingplatz, 15.30 Uhr. Wir sind heute nur 53 km gefahren, waren aber 5 ½ Stunden unterwegs. Unser Campinglatz ist ein relativ kleiner Platz, nur 45 Plätze, umgeben von kleinen Steineichen. Um 17 Uhr ist Rolf mit allen Arbeiten fertig (Abwasser, Frischwasser, Toilette, Motorrad aufladen). Morgen fahren wir in die spanischen Pyrenäen, wo wir einige Zeit auf verschiedenen Campingplätzen bleiben wollen. Es ist heute sehr heiß und sehr windig. Der Tramontane hat das Land im Griff. Doch die Berge sind viel besser zu sehen als sonst und wir selbst können das Meer und Perpignan sehen von unserem Platz aus. Da Rolf das Fernsehen wieder installiert hat, sehen wir uns zwei Krimis an, ehe wir schlafen gehen. Wir sind beide heute vom vielen Schauen sehr müde.

© Uschi Agboka, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es handelt sich um eine 42-tägige Tour von Niederbayern nach Frankreich, in die Auvergne, weiter in die französischen und spanischen Pyrenäen.
Details:
Aufbruch: 02.09.2012
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 13.10.2012
Reiseziele: Frankreich
Spanien
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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