Teil 1 - Pyrenäen 2012 (Frankreich/Spanien)

Reisezeit: September / Oktober 2012  |  von Uschi Agboka

Fort Salses - Forca Real - Millas - Thuir

9. Tag - Fort Sales - Forca Real - Millas- Thuir

10. September 2012 - Montag - 9. Tag
Llauro, Pyrenäen (Frankreich)
Fort Sales - Forca Real - Millas - Thuir (Byrrh)
Fahrzeit: 7 Stunden, 50 Minuten - 129 km

Auf dem abseits gelegenen Campingplatz haben wir den Wecker auf 7.30 Uhr gestellt, denn Brot gibt es erst um 8.30 Uhr. Der Bäcker ist zu weit entfernt, so dass Rolf nicht mit dem Fahrrad hinfahren kann. Es ist schon ziemlich warm am Morgen, doch noch bedeckt. Kein Wind weht. Heute wollen wir einen Ausflug zum Fort Salses und nach Perpignan machen. Um 10 Uhr starten wir, in Perpignan ist viel Verkehr und ein Autofahrer fährt fast in uns rein, uns reicht das, Perpignan wird gestrichen.

In Fort Salses machen wir eine Führung (auf Französisch) mit, weil wir sonst einige Räume nicht sehen können. Die Führung dauert eine Stunde und zu sehen gibt es nichts Besonderes, wir hätten uns das sparen können. Zu allem Überfluss wurden wir noch eingesperrt, wirklich heftig. Rolf und ich haben vorerst von Führungen genug. Hinzu kommt, dass wir mehr als 20 Minuten auf den Führer warten mussten.

Fort Salses
Das Fort von Salses steht im Ort Salses-le-Château in der Region Languedoc-Roussillon. Das Fort wurde Ende des 15. Jh. im Norden des Fürstentums Katalonien an der Grenze zu Frankreich erbaut. Die Bauar-beiten wurden 1496 von König Ferdinand dem III. von Kastilien und León in Auftrag gegeben, nachdem die französische Armee Dorf und Schloss Salses geplündert und niedergebrannt hatten. Gebaut wurde sie in einer Rekordzeit von sieben Jahren, 1497 und 1504. Am strategisch wichtigen Einfallstor nach Katalonien gelegen sollte die Anlage weitere Übergriffe unterbinden und als Basis für offensive Operationen dienen. Ein für die Zeit revolutionärer Festungsbau machte sie zudem überlegen gegenüber Artillerie-Angriffen. Bereits 1503 hielt die Festung einer Belagerung durch die Franzosen stand. Nach dem Frieden von 1544 zwischen Kaiser Karl V. und dem französischen König Franz I. brach für die Region ein friedliches Jahrhundert an. Durch militärische Neuerungen verlor das Fort seine in der Architektur begründete militärische Überlegenheit. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Festung in drei Jahren drei Mal belagert und fiel 1642 in die Hände Frankreichs. Siebzehn Jahre später, im Jahr 1659, verlor sie durch den zwischen Frankreich und Spanien ausgehandelten Pyrenäenfrieden an strategischer Bedeutung, da die Grenze zwischen den beiden Nationen auf den bis heute existierenden Verlauf festgelegt wurde und damit das kom-plette Roussillon zu Frankreich fiel. Als der königliche Festungsbaumeister von Ludwig XIV. den Auftrag erhielt, die Festung zu sprengen, konnte dies aufgrund ihrer massiven Bauweise nicht umgesetzt werden. So blieb sie erhalten und diente im Laufe der Jahrhunderte als Beobachtungsposten, als Staatsgefängnis und im neunzehnten Jahrhundert als Pulvermagazin. 1886 wurde sie vom französischen Staat zum Baudenkmal erklärt.

Mit den Pyrenäen im Rücken und flankiert durch die Gebirgszüge Corbieres auf westlicher Seite kontrollierte die Festung einen wichtigen Zugangspunkt zum spanischen Hoheitsgebiet. Die Strecke war schon zu damaliger Zeit einer der wichtigsten Handelswege von Barcelona nach Mitteleuropa. Außerdem konnten von hier der Hafen von Salses und damit die Schifffahrtswege kontrolliert werden. Die Besonderheit des Forts Salses liegt darin, dass sie den Übergang von der mittelalterlichen Burg zur neuzeitlichen Festung markiert.

Das Innere der Burg ist versehen mit verschachtelten Gängen und Fallen. Über der Erde verfügt der Bau über drei bis sieben Ebenen, die durch ein Labyrinth von Gängen miteinander verbunden sind. Die raffiniert konzipierte Verteidigungsanlage besteht aus drei unabhängigen, von Osten nach Westen ausgerichteten Teilen: einem gemeinsamen, um einen Burghof angelegten Teil, das Reduit mit den lebenswichtigen Funktionen der Festung, sowie dem Hauptturm, von dem die Anlage befehligt wurde. Der Burghof präsentiert sich in Form eines großen Rechtecks und ist einfach angelegt. In seiner Mitte befindet sich ein Brunnen. Ihm vorgelagert sind drei Verteidigungsvorposten in der Form von Nasentürmen, die durch Caponnieres mit dem Mittelteil der Anlage verbunden sind. Besucher gelangen über den südlichsten Nasenturm in die Befestigungsanlage. Von diesem führt eine Brücke zu dem durch zwei zylindrische Türmchen eingefasstem Hauptportal der Festung. Schon im Durchgang zum Innenhof fällt die äußerst verwinkelte Bauweise mit zahlreichen Schießscharten und Überwachungsfenstern ins Auge. Der Hof wird auf drei Seiten von einer Säulenvorhalle eingefasst. In den angrenzenden Gebäuden befanden sich eine Gewölbekapelle, die Truppenunterkünfte und die Stallungen. Die Stärke der Garnison wird auf 1.500 Mann und an die 100 Pferde geschätzt. Auf der Westseite des Innenhofes grenzt das Reduit an, das vom Burghof durch einen Graben und einen unvollendet gebliebenen Wall getrennt wird. Hier befanden sich das Pulverlager, ein Gefängnis, die Speicher für Nahrungsmittel und Mehl, die Bäckerei, die Küche und ein Raum mit einem Wasserbecken, von denen das Quellwasser über ein System aus Rinnen verteilt wurde. Der Donjon befindet sich in der Mitte des Reduit und ist durch eine Kombination aus geschickt angelegten, mit Schießscharten abgesicherten Gängen und zwei Zugbrücken gut abgesichert worden. Er verfügt über sieben Ebenen und ist heute 20 Meter hoch. Auf seiner Spitze befand sich ursprünglich ein Wachturm, der heute jedoch zerstört ist. Sein Aussehen ist jedoch durch historische Zeichnungen überlie-fert.

Nach der Besichtigung fahren wir über die "Route de Vins", Richtung Vingrau, durch ein riesiges Militär-gelände, durch Tautavell hinauf zur Ermitage auf "Forca Real". Man hat von hier einen schönen Überblick über die Landschaft, leider ist es aufgrund der Wärme etwas diesig.

Forca Real ist ein Gipfel der Pyrenäen, zwischen Millas, Corneilla la Riviere und Montner, 507 m hoch. Eine Fernmeldeanlage auf dem Gipfel ist weithin sichtbar. Es bietet sich von hier ein grandioser Rundblick über die Ebene, den Küstenstrich vom Cap Leucate bis zum Cap Bear, die Monts Alberes und den Canigou. Im 13. Jh. wurde hier eine kleine Festung gebaut, die Anfang des 15. Jh. an Bedeutung verlor. 1693 wurden das Schloss und der Turm zerstört.

Es wurde eine kleine Kapelle errichtet, zu Ehren der Jungfrau Maria, zum Teil aus Bausteinen der alten Festung. Im Jahr 1714 begannen Prozessionen aus Millas zu der Ermitage, um Hagelstürme und Nordwinde abzuwehren. Während der Revolution wurde die Kapelle von Soldaten besetzt, geplündert, verwüstet und im Jahr 1817 teilweise zerstört. Doch das Interesse der Gläubigen in Millas führte zu einer Restaurierung und Neusegnung im Jahr 1822. Auch die Bittprozessionen wurden wieder aufgenommen. In der Kapelle werden heutzutage div. Zeremonien zu Ehren der Jungfrau Maria abgehalten. Mitte des 20. Jh. wurde auf einem Felsvorsprung eine Richtfunkantenne errichtet, die heute weit über die Ebene des Roussillon schaut.
Leider ist die Kapelle geschlossen, so dass wir sie uns nur von außen anschauen können. Es ist 14 Uhr und sehr warm. Über den Col de la Bataille mit Blick auf den Canigou, 2.784 m, durch das Weinbaugebiet Roussillon, umgeben von einer Felslandschaft, geht es auf D 612 nach Millas, zu einer Ölmühle mit Museum. Hier wird die Ölgewinnung anschaulich dargestellt. Nachdem ich Einiges probiert habe, kaufe ich ein gutes Olivenöl für Zuhause. Es ist schwül, kein Wind.

Mont Canigou - der Heilige Berg der Katalanen
Der Berg, der zwischen den Tälern des Tech und der Tet, 2.784 m emporragt, bestimmt die Region wie ein einsamer Herrscher und ist oft noch von Schnee bedeckt, wenn die Obstbäume der Region schon kleine Früchte tragen. Es scheint so, als wollten die Pyrenäen hier noch einmal ihre Größe zeigen. Früher hielt man den Canigou für den höchsten Berg der Pyrenäen. Tatsächlich erreicht er bei weitem nicht die Höhe der zentralen Pyrenäen, doch kein anderer Berg besitzt eine derart mystische Bedeutung wie der Heilige Berg der Katalanen. Zum Johannisfest auf den 24. Juni wird diese Mystik lebendig, wenn ein Feuer auf dem Canigou entzündet wird und zahlreiche umliegende Orte ebenfalls im Feuerschein erstrahlen.

Zu den religiösen Besonderheiten, gesellt sich ein physikalisches Phänomen: Der Canigou besitzt Eisenerzvorkommen, die, verbunden mit vorhandenem Mangan, angeblich die Bordinstrumente von Flugzeugen ver-rückt spielen lassen. Mehrere Flieger sollen hier abgestürzt sein. Im 13. Jh. wurde der Berg erstmals bezwungen, heute erfreut sich das Bergmassiv großer Beliebtheit bei Wanderern, die einmal vom Gipfel aus Landschaft und Meer überblicken wollen.

Weiter geht die Fahrt, durch endlose, schöne Baumalleen bis nach Thuir, wo wir eigentlich die Cave Byrrh besichtigen wollen, aber es sind uns zu viele Leute dort. Der Ort ist über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt wegen der Herstellung des Byrrh, der hier im 19. Jh. erfunden wurde.

Byrrh ist ein bitter-süßer, der Farbe nach hellroter französischer Aperitif mit etwa 20-25 Vol. %. Es handelt sich um eine Mischung aus Rotwein (aus der Carignan-Traube), aromatisiert mit Tonic Water, Auszügen von Chinarinde sowie Gewürzen aus der Region Languedoc-Roussillon und internationalen Gewürzen wie Zimt, Bitter-orangenschalen, Enzian, Echte Kamille, Kalumba, Kaffee und Kakao.

Aufgrund der extremen Witterung haben wir Durst und setzen uns in eine Bar, um etwas zu trinken. Die Preise allerdings hauen uns fast vom Stuhl, 2 Gläser Wasser 5,70 Euro! Während Rolf seine Zigarre raucht, gehe ich in den Laden der Cave Byrrh, stöbere ein bisschen herum, frage, ob ich kosten kann und komme so durch eine sehr nette Dame doch noch zu einer Besichtigung der Cave. Es hätte sich im Übrigen nicht gelohnt, das Geld für die "Führung" auszugeben. Eigentlich eine Kaufausstellung und dafür soll man noch zahlen. Ich kaufe jedoch eine Flasche des bekannten Aperitifs für Zuhause und dann machen wir uns auf den Heimweg. Das schwüle Wetter schlaucht. Zum Abendessen gibt es Kalbfleisch, Tomatensalat, Baguette, Rosewein, Trauben. Wir haben einen schönen Abend und schauen uns die vorerst letzten Folgen der Krimiserie an. Leider habe ich starke Rückenschmerzen wegen des langen Stehens im Fort Salses.

© Uschi Agboka, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es handelt sich um eine 42-tägige Tour von Niederbayern nach Frankreich, in die Auvergne, weiter in die französischen und spanischen Pyrenäen.
Details:
Aufbruch: 02.09.2012
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 13.10.2012
Reiseziele: Frankreich
Spanien
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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