Red Rock Crazy - Abenteuer im Südweste der USA

Reisezeit: April / Mai 2006  |  von Markus Keune

05.05. Burr Trail - Calf Creek Falls

Was ist denn das für ein monotones Piepen gegen 7 Uhr? Das ist ja der hoteleigene Wecker. Wo ist Horst? Nicht da! Hat er mich schlafen gelassen und mir den Wecker gestellt, damit er in aller Ruhe in der Lobby im Internet surfen kann und wir aber dennoch zeitig los können?
Als ich fertig bin und meinen Koffer lautstark über den Flur ziehe, staunt er nicht schlecht. "Du? Schon wach? Nein, den Wecker habe ich dir nicht gestellt!" Also lieber Zimmervorbesitzer, ich wünsche mir mal wirklich, du wärst in einem Hotel nach mir im selben Zimmer. Ich garantiere dir eine lustige Nacht!

Der erste Overlook auf der State Road 12 ist schnell erreicht, haut uns aber nicht wirklich aus den Socken. Zahlreiche Bäume versperren uns die Sicht ins Tal. Ein paar Kurven vorher konnte man echt mehr sehen, also noch einmal zurück gefahren. Wir lernen, die schönsten Landschaften müssen nicht immer die ausgeschilderten sein. Im Hintergrund hören wir sogar einen Specht eine neue Bleibe bauen und als wir weiter fahren, flüchten ein paar Rehe in den Wald und legen dabei eine Glanzvorstellung im Zaunhochsprung hin.

Bei Boulder zweigt der Burr Trail zum Capitol Reef Nationalpark ab. Zu meiner Enttäuschung ist die Straße asphaltiert, aber nur der erste Teil. Pünktlich an der Grenze zum Capitol Reef NP bekommen wir unsere tägliche Ration Staubstraße. Die Serpentinen runter zum Talboden sind hier sogar fotogener als der Shafer Trail im Canyonlands NP. Vor lauter Freude über die schöne Landschaft achtet eigentlich niemand von uns wirklich darauf, wo wir eigentlich hinfahren wollen.
Als wir unten im Tal sind, fahren wir die Parkstraße nach Norden. Immer weiter nach Norden. Und noch weiter nach Norden! Mir gefällt die Fahrt nach Norden. Ist mal was schönes, zur Abwechslung nach Norden zu fahren. Ich liebe den Norden. Wart ihr eigentlich schon mal im Norden? Die haben auch Schilder im Norden. Auf denen steht aber nicht das drauf, wo wir eigentlich hinwollen. Wir suchen eigentlich einen Aussichtspunkt auf das Tal. Nicht den Norden. Hätte man mir das doch mal vorher gesagt, ich hätte sicher schon viel früher protestiert. Stattdessen fahren wir nach Norden!
Wir wenden also und fahren wieder zurück, über die Serpentinen den Berg hinauf und oben angekommen, eine kleine, unscheinbare Allradstrecke zum Strike Valley Overlook. Angeschrieben ist es zwar nirgendwo, aber die Fahrt geht wieder Richtung Norden. Und das kann nicht verkehrt sein. Ich liebe den Norden.

Zuerst lässt sich die Straße gut befahren. Kleinere Bodenwellen tut Horst noch mit einem müden Lächeln ab. "Ist nur Sand" Danach zeigt uns die Straße aber ihr wahres Gesicht. Geht denn das schon wieder los?
Wir gelangen zu einer kleinen Herausforderung. Links liegen zu spitze Steine, da können wir nicht rüber fahren. Rechts stehen Büsche. (Noch). Dazwischen versuchen wir nun unseren Wagen hindurch zu quetschen und zwar möglichst so, dass er nicht zu sehr kippt. Wir bringen das Gepäck strategisch günstig auf die Bergseite und auch der Beifahrer muss mal auf der Rückbank hinter dem Fahrer Platz nehmen, um etwas Gewicht auf die richtige Seite zu bekommen.

Am Ende der Straße haben wir die Wahl zwischen zwei Trails. Horst ist sich noch etwas unsicher, ob wir hier auch richtig sind, denn immerhin sind wir diese Straße auf mein Gefühl hin gefahren, doch als ich ihm ein Schild zeigen kann, wo es zum wunderschönen Strike Valley Overlook geht, da ist er glücklich.
Zwar wäre es vom Licht her am Nachmittag besser gewesen, aber man kann doch wirklich nicht alles haben. Immerhin können wir uns das schöne Tal, durch das wir eben Richtung - ach habe ich jetzt vergessen - gefahren sind, in Ruhe noch einmal von oben ansehen. Wirklich ein schöner Aussichtspunkt, den man sich mal merken sollte.

Wir fahren zurück nach Boulder wieder über den Burr Trail. Eigentlich - so fällt es mir erst jetzt bei einem Blick auf die Karte auf - hätten wir vielleicht besser ab Torrey zum Capitol Reef NP fahren sollen, dann durch das Tal der Waterpocket Fold und erst danach auf den Burr Trail, um zu vermeiden, mehrfach die selbe Strecke zu fahren. Aber die aufziehenden Wolken bestätigen, dass unsere Entscheidung richtig war, denn jetzt präsentiert sich der Long Canyon nicht mehr in den schönen Farben wie auf der Hinfahrt.

Zurück auf der SR 12 vergessen wir mal die Wolken und freuen uns über die schöne Landschaft am Boden. Die Straße windet sich einen Felsgrat hinauf und eröffnet nun beiderseits interessante Blicke ins Tal und dahinter auf ungeahnte Weite.
Natürlich hält das nicht ewig und wir fahren wieder hinab ins Tal. Linker Seite ragen die Felsen immer weiter in die Höhe und zur Rechten kommt das Tal des Calf Creek näher, das wir uns auf einer Wanderung zu den Lower Calf Creek Falls einmal näher ansehen. Horst ist zwar der Meinung, einzig die Wasserfälle wären ein 3 Stunden Fußmarsch wert, doch mir gefällt auch die Landschaft unterwegs. Sicher keine absolut herausragende Landschaft, wenn man sie mit dem Rest des Südwestens und dem Rest unserer Rundreise vergleicht, aber immer noch besser als der Düsseldorfer Stadtwald.

Was mich aber wirklich verblüfft ist die Tatsache, welche Völkerwanderung auf diesem für amerikanische Verhältnisse doch eher langen Weg unterwegs ist. Eine Nation, die für 200m ins Auto steigt, schleppt sich über diesen für nicht jeden Durchschnittsamerikaner leichten Weg und hat dennoch bei jeder Begegnung ein mehr oder weniger fröhliches "Hi" auf den Lippen. Horst geht die Grüßerei zwar langsam auf den Geist, aber ich bin im Gegenteil froh, dass es mehr als eine anonyme Stadt ist. Es ist einfach freundlicher.

Die Lower Calf Creek Falls sind zwar klein aber fein. Besonders ihre Farben beeindrucken. Vielleicht heilt das unseren Hoodoo-Fan ja wieder und er wird wieder der alte Wasserfall-Fan, so wie wir ihn eigentlich kennen. Ich jedenfalls sehe so einen Wasserfall lieber als einen Hoodoo. Das Wasser kommt in unterschiedlichen Mengen daher. Jeder Wasserstoß ist anders. Der Fall sieht von einem zum anderen Moment unterschiedlich aus. Mal reicht es, das Wasser auch noch über einen weiteren Stein zu gießen. Mal zwängt sich mehr Wasser durch eine engere Stelle. Ich könnte dem stundenlang zusehen. Hey, vielleicht kaufe ich Horst am Ende noch seinen alten Wasserfallfan-Ruf ab!

Auf dem Rückweg ist weniger los. Nur ein einziges Pärchen begegnet uns noch und wir können uns ein paar Hallos für Morgen aufheben. Auch der Parkplatz ist schon ziemlich verlassen. Man merkt schon, der Großteil muss sich langsam auf den Weg in den nächsten Ort machen. So wie wir.
Ein letztes, ein allerletztes und ein wirklich allerallerletztes Mal halten wir noch am Berg an, wo sich die SR12 wie ein Faden über einen Slickrock spannt und je höher man kommt, desto mehr Teile kann man überblicken. Wenn jetzt hier ein Zug durchkommen würde. Blödsinn, was rede ich denn da, hier liegen ja überhaupt keine Gleise. Na gut, dann geht ersatzweise auch ein LKW. Aber es kommt keiner.

Wenn ihr jetzt glaubt, ich sei ein Pechvogel, dann habt ihr weit gefehlt. Vor der Eingangstür des Supermarkts in Escalante finde ich ein kleines Vermögen. Das hauen wir jetzt auf den Kopf. Immerhin deckt es die Sales Tax für eine Tafel Schokolade. Den Rest nehmen wir aus der Portokasse.
Wie ich nachher im Motel auf dem Bett liege, meine Notizen in mein kleines Büchlein schreibe und etwas Schokolade nasche, staune ich nicht schlecht, wie ich durchs Fenster einen Regenbogen sehen kann. Wir treten heraus auf die Veranda und staunen nicht schlecht. Einen komplett durchgezogenen Halbkreis eines Regenbogens sehen wir direkt gegenüber unserem Motel. Auch der zweite, schwächere obere Bogen (den es übrigens immer gibt) ist diesmal besonders gut zu sehen.

Übernachtung: Circle D - Escalante, UT

Bewertung: gut

© Markus Keune, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Für viele ist das Größte am Südwesten der USA der Grand Canyon, das Monument Valley oder die aufregende Stadt Las Vegas. All das haben wir auf unserer diesjährigen Tour mehr oder weniger links liegen gelassen. Wir wollten die kleineren Sehenswürdigkeiten erforschen, die unbekannten Highlights. Der Weg dorthin war nicht immer einfach und so kam zum Entdeckergeist auch eine gehörige Portion Abenteuer hinzu. Täglich waren wir auch abseits der Straßen unterwegs.
Details:
Aufbruch: 24.04.2006
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 11.05.2006
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Markus Keune berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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