Red Rock Crazy - Abenteuer im Südweste der USA

Reisezeit: April / Mai 2006  |  von Markus Keune

07.05. Kodachrome SP - Navajo Lake - Bryce Cy

Auch heute wird wieder um 7:15 aufgestanden. Scheint jetzt unsere Standardzeit zu werden. Schon zweimal hintereinander.

Der weitere Verlauf der State Road 12 ist nicht so spannend wie das Teilstück zwischen Boulder und Escalante, daher überfliegen wir dieses Kapitel im morgendlichen Tran. Erst am Kodachrome Basin SP reißen wir uns wieder zusammen: Es gibt etwas zu entdecken.
Am Parkeingang werden wir direkt von einem enthusiastischen Parkranger begrüßt. Keine Self-Pay-Station, sondern ein besetztes Häuschen mit Menschen, die viel von ihrem Park zu berichten wissen.
Voller Freude fahren wir zuerst zum Chimney Rock und finden einen weiteren Mietwagen (immer diese Frühaufsteher), der zunächst etwas störend im Bild steht, dann zweimal im Kreis fährt und schließlich das Weite sucht. Musste der etwa erst Anlauf nehmen?
Jedenfalls stehen wir nun alleine da mit dem Naturphänomen Chimney Rock. Es handelt sich hierbei um kleinere Vulkane, denen praktisch ein Kloß im Halse stecken geblieben ist. Der Kloß erstarrte, der Vulkan erodierte und zurück blieben die Schornsteine, von denen es noch einige im Park zu sehen gibt.

Aber nicht nur nicht vorhandene Vulkane gibt's hier, sondern auch einen richtigen Arch. Der Park wurde bereits Mitte des 20. Jahrhunderts gegründet, aber erst 1976 wurde der Shakespeare Arch entdeckt. Man fragt sich da echt, haben die Ranger über 30 Jahre nur in ihrer Bude gehockt und Kaffee gekocht statt mal ihren Park zu erkunden?
Um die Leute aber wieder in Schutz zu nehmen: Selbst, wenn man weiß, wo der Arch sein sollte, gut sichtbar ist er selbst dann nicht. Kein Wunder, dass man ihn nicht so schnell entdeckt hat.

Auf dem Parkplatz fährt gerade ein Wohnmobil vor. Das erinnert uns daran, dass nun auch Heinz aus dem usa-reise.de Forum in diesen Tagen in die USA aufbrechen wollte. Glaubt mir, von diesem Zeitpunkt an haben wir in alle Womos geschaut, ob wir nicht ein bekanntes Gesicht sehen würden. Normalerweise sollten sich unsere Wege nicht kreuzen, aber man weiß ja nie. Pläne können sich ändern, Geschmack auch.

Nach unserem Geschmack könnten sie die Trails im Park mal neu verlegen. Der Grand Parade Trail zum Beispiel. Niemand weiß mehr so genau, wie der Weg verläuft, weil er kleinere Washes kreuzt und viele Besucher irgendwelche Abkürzungen genommen haben, so dass man Wash und Trail kaum noch unterscheiden kann.
Ein zweiter Nachteil dieses Rundwegs ist: Er führt uns einfach nicht zu den Landschaften, zu denen wir eigentlich wollen. Also stapfen wir etwas abseits des Weges durch einen Wash und gründen den Grand Parade South Trail. Voilá! Mit bester Aussicht auf die Chimneys und Fred Feuerstein, einer Felsformation am Anfang des Panorama Trails.

Genug marschiert, wir fahren weiter nach Tropic. Da es morgen auf die Cottonwood Canyon Road geht, wäre es ganz praktisch, in diesem Ort zu übernachten. Noch praktischer wäre es, schon jetzt ein Zimmer klar zu machen, da wir nicht wissen, wie spät es heute Abend wird und uns nicht mit dem Rest abfinden wollen, doch leider sind sämtliche Hotels mittags geschlossen. Morgens werfen sie die alten Gäste raus, feiern dann ihre Siesta bevor dann nachmittags die nächsten Heimatlosen antreten.

Vor dem Abzweig zum Bryce Canyon kommen wir bereits durch die Landschaft, für die der Bryce Canyon so berühmt ist. Gelb brauner Fels und grünes Nadelgewächs. Der Trail zu einer Höhle führt entlang eines Baches, was ein wirklich originelles Bild abgibt: Bryce Canyon mit Fluss.
Der richtige Bryce Canyon muss sich aber erst noch gedulden, ehe wir uns seiner Farbenpracht hingeben werden. Wir schießen sozusagen übers Ziel hinaus und folgen der SR 12 bis zum bitteren Ende, der Junction mit der 89, wo wir gleich mit noch mehr Verkehr begrüßt werden. Alle Touristenwelt ist auf dem Weg von oder zum Bryce Canyon. Alle verfügbaren Einheiten bitte sofort zum Dienst melden: Camper, Busse, SUVs, Schleicher, letztere haben immer die unangenehme Eigenschaft, stets direkt vor uns her zu fahren.

Auf der SR 14 sind wir dann aber wieder fast alleine. Die Straße führt immer höher hinaus und die Landschaft wird zunehmend winterlich. Horst ist ganz fasziniert. "Dahinten, ein Lavafeld, das von Schnee bedeckt ist. Lava und Schnee! Da müssen wir unbedingt auf der Rückfahrt halten."
Doch das brauchen wir gar nicht, die schönsten Wintermotive sollen erst noch kommen. Da an den meisten Bäumen noch kein einziges Blatt hängt, fürchten wir schon das schlimmste. Der auf Fotos im Internet so schön leuchtende Navajo Lake vor imposanter grüner Waldkulisse könnte vor den kahlen Bäumen etwas langweilig daher kommen. Aber es kommt noch viel besser: Der See ist zugefroren und tief verschneit. Damit haben wir ja überhaupt nicht gerechnet. Die letzten Tage waren so heiß gewesen. Stets war die kurze Hose immerhin mein Begleiter gewesen und nun das. Tiefschnee!

Wir biegen ab auf die Rundstraße um den See, die immerhin geräumt und damit befahrbar ist. Rechts und links türmen sich allerdings noch die Schneemassen auf, die nun langsam in der Sonne schmelzen. Das Schmelzwasser sammelt sich in Schlaglöchern auf der Straße und vermischt sich dort mit Sand und Dreck. Und jedes mal, wenn wir durch eben so ein Schlagloch fahren, von denen es genügend gibt, so dass nur die Elch-Test-Fahrer ihnen ausweichen könnten, verpassen wir unserem Auto eine weitere Portion Lehmschicht. Inzwischen können wir getrost behaupten, wir fahren einen braunen Wagen mit weißem Dach. Auch Befürchtungen, es könnte unheimlich stauben, wenn man den Kofferraum zuklappt, sind vom Tisch. Was inzwischen unser Auto bedeckt, das staubt nicht mehr, sondern es pappt. Den Wagen ziert eine braune Lehmschicht, so als ob er zu lange im Solarium gewesen ist.

Wir steigen aus und wollen ein paar Schritte zum See hinuntergehen. Schnell finden wir eine Lichtung, die wohl eine Bootsrampe unter der Schneedecke begräbt. Ich bin so fasziniert, dass ich alles fotografisch fest halten muss. Horst macht sich schon mal zum Ufer auf und ich folge ihm in seinen Fußspuren - bis auf einmal jemand aus tiefster Seele ein schönes Wort mit S ausruft und einen halben Meter im Schnee versackt. Der Anblick ist zum Schießen, die ganze Situation überhaupt.

Zurück auf der SR 12 gönnen wir uns eine Wanderung im Red Canyon. Wir stellen unser Auto auf den Parkplatz, von dem wohl nun jeder andere abhauen wird. Im Vergleich zu den anderen Wagen ist unsere Kiste der reinste Dreckhaufen. Wir witzeln schon: Wir haben die perfekte Diebstahlsicherung. An unserem Auto will sich niemand die Finger schmutzig machen. Jedenfalls brauchen wir unser Auto nicht mehr groß zu suchen. Das erkennt man jetzt schon auf weiter Entfernung.

Ein Stück geht es die Straße entlang und dann links ab auf den Golden Wall Trail. Schon bald zweigt links der Castle Bridge Trail ab, eine Alternativroute zum Golden Wall Trail oder aber, so werden wir es machen, ein schöner Rückweg, wenn man Golden Wall nicht komplett durchlaufen will.
Zuerst ist die Landschaft etwas mager. Dichter Waldbewuchs verhindert den Blick auf die roten Berge, doch das alles ändert sich schlagartig, als der Weg aus dem Wald hinaus den Berg hinauf führt. Da sind sie, die roten Berge, die Felsformationen, die bizarren Kunstwerke, die ich schon immer am Bryce Canyon geliebt habe. Ich fotografiere wie ein Weltmeister. Ich bringe es auf etwa 50 Fotos nur alleine vom Red Canyon. Ich kann mich in diesem Punkt einfach nicht mehr beherrschen. Wenn ich staubige Wüsten mag, dann solche. Wie soll das nur heute Abend im Bryce Canyon werden? Hilfe, ich habe doch nur noch für etwa 700 Fotos Platz auf der Speicherkarte.

Wir entfernen unseren Schandfleck wieder vom Parkplatz und fahren rüber zum Bryce Canyon. Der Park war ursprünglich überhaupt nicht geplant gewesen und ich hatte auch nie darum gebettelt, hier her zu kommen. Nennen wir es Telepathie. Ich bin wieder da, in meinem Lieblingspark.
Überraschenderweise lassen uns die Ranger passieren. Sie dulden also so ausgefallene Autofarben in ihrem sauberen Park. Ne, im Ernst: Alle anderen SUVs auf dem Parkplatz sind tiptop sauber. Wie machen die das? Haben diese Leute denn niemals etwas Spaß? Oder haben die immer ihre mobile Waschstraße dabei?

Als erstes fahren wir ein paar Aussichtspunkte an. Phrasen wie "noch ein wenig mehr nach links" "Ist es nicht herrlich hier?" und "Guck mal, der hat die gleiche Kamera wie ich" hört man hier in allen Sprachen, aber es gibt auch andere Details, auf die man sich konzentrieren kann. Wie zum Beispiel dem Vogel, der ohne einen einzigen Flügelschlag ewig lang in der Luft kreist und langsam an Höhe gewinnt. Aus dem Felslabyrinth treiben ihn die Aufwinde bis hoch über unsere Köpfe hinweg.
Auch sehr schön ist die Wall of Windows, eine in der Abendsonne glühende Felswand, die ich noch von unserer Wanderung auf dem Peek-A-Boo Loop Trail vor vier Jahren kenne und sofort wieder erkannt habe. Nur wie man sich täuschen kann. Als ich entlang dieser Wand wanderte, war ich fest der Meinung, so weit in den Canyon vorgedrungen zu sein, zu Orten, die nur wenige auf dieser langen Wanderung sehen würden. Und heute glotze ich wie Hunderte andere Bustouristen die Rückseite der Wand an.

Bevor uns die Sonne ganz verlässt, steigen wir am Sunset Point über den Navajo Loop Trail hinab in den Bryce Canyon. Der Weg teilt sich kurz hinter dem Parkplatz und wir lassen die Münze entscheiden. Über den rechten Weg steigen wir über Serpentinen hinab, begegnen laut keuchenden Gestalten, kriechen unter einer Felswand hindurch und schlendern vorbei an ungewöhnlich gewachsenen Bäumen. Einige Exemplare stehen in einer Art Höhle, in die nur wenig Licht dringt und die Bäume sich daher nah an der Felswald recken, um so noch das meiste Licht abzubekommen.

Kurz darauf treten wir hinaus aus der Enge und kommen zum etwas langweiligeren Teil des Weges, den wir uns mit Anekdoten über vergangene Urlaube verkürzen. Interessant wird es wieder auf dem Queens Garden Trail, den es aber erst einmal zu finden gilt. Viele ratlose Gesichter am Abzweig zum Peek-A-Boo Loop, dabei ist die Antwort nur 2 Meter den Weg weiter um einen Stein herum. Hier ist der Queens Garden Trail ausgeschildert. Und hier stehen wiederum ratlose Menschen, die den Peek-A-Boo Loop suchen.

Durch die tief stehende Sonne werden die Schatten immer länger und gleichzeitig lässt sie die noch beleuchteten Felsen golden glühen. Ein unglaubliches Farbenspiel am Abend. So intensiv und abwechslungsreich präsentiert sich mein Lieblingspark nur zu Tagesrandzeiten. Auch die Schatten spielen ihre besondere Rolle und verleihen dem Canyon wieder andere Farben.
Durch insgesamt drei Tunnels führt uns der Weg und so manches Mal verfallen wir dem Irrtum, der obere Rand wäre nur noch ein paar Schritte entfernt. Immer wieder setzt sich der Anstieg noch weiter fort, wird die Aussicht von Kurve zu Kurve noch schöner. Der Canyon liegt uns zu Füßen.
Als wir endlich oben ankommen, sind unsere Füße platt und die riesige Lampe am Horizont ausgeknipst.

Auf dem Parkplatz lächelt uns schon von weitem das schmutzigste Auto an. Pardon, es ist nicht schmutzig, sondern benutzt. Auf dem Weg raus aus dem Park sehen wir noch ein paar Rehe neben der Straße. Für ein Foto hätten wir gerne, dass sie ihr Abendessen unterbrechen und mal die Köpfe heben, doch weder auf Hupen noch auf Zuruf reagieren sie. Die sind absolut an Touristen gewöhnt.
Am Ruby's Inn tanken wir absichtlich nicht, weil wir denken, hier in Parknähe ist's sicher teurer, doch wie man sich irren kann. Statt geschlossene Motels abzuklappern hätten wir uns mal die Spritpreise von Tropic merken sollen. Dann wäre uns schon längst aufgefallen, dass es in Tropic teurer ist.
Während Horst tankt, putze ich mal die Scheiben. Ok, Durchblick haben wir nun, aber das von den Scheiben herunter gelaufene Wasser hat die Schmutzschicht darunter nur noch schlimmer werden lassen.

Übernachtung: Country Inn - Tropic, UT
Bewertung: Naja

© Markus Keune, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Für viele ist das Größte am Südwesten der USA der Grand Canyon, das Monument Valley oder die aufregende Stadt Las Vegas. All das haben wir auf unserer diesjährigen Tour mehr oder weniger links liegen gelassen. Wir wollten die kleineren Sehenswürdigkeiten erforschen, die unbekannten Highlights. Der Weg dorthin war nicht immer einfach und so kam zum Entdeckergeist auch eine gehörige Portion Abenteuer hinzu. Täglich waren wir auch abseits der Straßen unterwegs.
Details:
Aufbruch: 24.04.2006
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 11.05.2006
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Markus Keune berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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