Bea rocks Canada

Reisezeit: September / Oktober 2009  |  von Rabea Hohl

On the road II - Penticton nach Revelstoke

Heute moechte ich knapp 300km bis nach Revelstoke kommen, mit stops in Peachland und ueberall dort, wo es mir gefaellt.
Morgens tanke ich zum ersten Mal in Canada. Da ich meine Kreditkarte wg. anfallender Gebuehren so wenig wie moeglich zum Zahlen benutzen moechte, waehle ich die prepaid-Variante: Ich bezahle vorher cash den Betrag, den ich ungefaehr zum Tanken auszugeben meine, dann wird getankt und falls ein Geldbetrag uebrig bleibt, wird er mir zurueckgezahlt. Und in jeder Tankstelle gibts kostenlose Stadtplaene, sehr praktisch! Ausserdem findet man in nahezu jedem groesseren Dorf Visitor Centres, die einem helfen, sich nicht mehr so dumm vorzukommen, ein wirklich guter Service.
Unterwegs ist Tim Hortons mein morgendlicher Anlaufpunkt. Hier ist es immer und ueberall voll! Eine Unmenge an Donuts stehen zur Auswahl und fuer meinen Mocha Latte muss ich glatte zehn Minuten anstehen.
Nachdem ich mein Fruehstueck ergattert habe, gehts bei strahlendem Sonnenschein auf die Strasse durch das Okanagan Valley.

... Ich sag es euch auf diese Weise: Alle die am Suchen sind,
sind mit mir auf der Reise, haben Rückenwind.
Und wir fahr'n auch über Wasser, wenn dort Brücken sind.
Hey, der Typ hat 'ne Meise, aber Rückenwind.
Wir betreten neue Wege, die wir noch nicht hatten,
ich nehm euch mit 'n Stück in meinem Windschatten... (Thomas D.)

In Armstrong sehe ich ploetzlich mitten im schoensten Gruen Ziegen auf einer kleinen Bruecke! Ich habe durch Zufall "Daves Goat Walk" entdeckt, eine absolute Attraktion. Die Ziegen koennen aus ihrem Stall auf die Bruecke spazieren und von dort oben auf Besucher herabschauen. Die stehen unten, koennen fuer 25cent Mais in einen Becher fuellen, der an einem Flaschenzug befestigt ist. Wenn die Ziegen das Geraeusch hoeren, wie der Mais in den Behaelter klappert, scharen sie sich auf der Bruecke um das obere Ende des Flaschenzugs und ziehen mit ihren Hufen den Futterbecher selbstaendig hoch, um es sich zu angeln!

Neben dem Goat Walk befindet sich eine Scheune mit einem wunderschoenen Garten drum herum. Ueberall sind Blumen und Kuerbisse arrangiert und es leuchtet in allen Farben. In der Scheune kaufe ich jede Menge Obst und esse den leckersten French Toast mit Caramel Sirup und Sahne. Natuerlich treffe ich Deutsche und bin ganz stolz, weil sie fragen, ob ich hier lebe, weil man es mir kaum anhoert, dass ich auch deutsch bin. Ich koennte noch Stunden hier in der Sonne hocken, den Ziegen zuschauen und die Nase in die leichte Brise strecken, aber ich habe noch einiges an Strecke vor mir, also gehts weiter.
Gut, dass Papa Kartograph ist und mir das Gen vererbt hat, so komme ich super zurecht, indem ich grob nach Karte fahre. Allerdings ist es auch ziemlich leicht, weil es im Grunde genommen nur den Highway #1, den Trans Canada Highway, gibt, den ich bis nach Brandon fahren werde.

In Revelstoke angekommen, schaue ich im Visitor Centre nach einem Hostel fuer diese Nacht und mir springt die Anzeige von "Poppis Guesthouse" ins Auge. Die Dame am Schalter ruft fuer mich an, aber leider nimmt niemand ab. So entscheide ich mich dafuer, direkt hinzufahren und zu schauen, ob ein Plaetzchen fuer mich frei ist. An der Haustuer klebt ein Zettel mit der Info, dass Poppi derzeit leider fuer eine kurze Weile unterwegs ist, aber gegen fuenf wieder zurueckkommt. Da es schon kurz nach vier ist, setze ich mich auf die Treppenstufen in die Sonne, esse Kirschen und warte. Es dauert nicht lange und eine sympathisch aussehende Frau Anfang 40 kommt mit einem kleinen Hund an der Leine die Strasse entlang auf das Haus zu. Ob das Poppi ist? Sie ist es, begruesst mich herzlich und laesst mich ein. Da sich die Hochsaison fuer Touristen dem Ende zuneigt, bin ich im Haupthaus der einzige Gast und habe das Etagenbad fuer mich allein. Fuer 36$ bekomme ich also quasi ein komplettes Haus inklusive kostenloser PC-Nutzung mit Internet und sogar noch eine Eintrittskarte ins Aquatic Centre, das einen riesigen Whirlpool haben soll! Der schwarzweisse Mischlingsminihaushund heisst uebrigens Butch und ist verschmust ohne Ende. Poppi uebergibt mir Zimmer- und Hausschluessel, wobei ich nach ihrer Aussage den Hausschluessel wahrscheinlich nie brauchen werde, weil sie die Tuer eigentlich immer offen laesst, wenn sie zuhause ist. Was fuer ein Unterschied zu Vancouver!

Nachdem ich das Zimmer mit meinen Sachen vollgeplundert habe, mache ich einen Spaziergang durch Revelstoke und gelange zu einem See mit tollem Ausblick! Gleich daneben ist das Schwimmbad und da ich schlauerweise den Bikini eingesteckt habe, beschliesse ich, den 39Grad heissen Whirlpool mit Ausblick auf die Berge zu testen. Herrlich!
Als ich nach dem Schwimmen durch die Eingangshalle zum Ausgang gehe, hoere ich Stimmen aus der Turnhalle, die sich im gleichen Gebaeude befindet. Ich frage bei der Dame am Eingang, was dort los ist und sie erklaert mir, dass es sich bei dem Spektakel um das woechentliche Bingo Spiel handelt. Das muss ich mir anschauen! Ich blinzle vorsichtig um die Ecke in die Halle hinein, um nicht zu stoeren, als mich ein aelterer Mann von drinnen anbruellt, ob ich nicht mitspielen moechte. Da ich die Unmengen an Zetteln auf den Tischen liegen sehe, erklaere ich ihm, dass ich keine Ahnung habe, wie Bingo hier genau funktioniert. Er lacht, dass die Waende wackeln und stapft los, um mir jemanden zu suchen, der sich meiner annimmt. Innerhalt kuerzester Zeit kommt er zurueck, drueckt mir ungefragt einen Stapel Papier in die Hand, erleichtert mich um 11$ (die Einnahmen kommen spaeter wohltaetigen Zwecken zugute) und geleitet mich zu Christine. Christine ist um die 60, Profispielerin und sehr geduldig. Sie hat zehn verschiedene Farbmarker, zwei Chipstueten und eine Packung Schokobonbons vor sich auf dem Tisch liegen und noetigt mich, alles zu nehmen, was auch immer ich moechte. Ich schaue mich um und stelle verwundert fest, dass in der Turnhalle von jung bis alt alles vertreten ist. Und ich dachte immer, Bingo waere ein Rentnersport! Jeder hat etwas zu knabbern dabei und man fuehlt sich ein bisschen wie bei einem grossen Familienfest. Christine erklaert mir die verschiedenen Spielvarianten und kontrolliert meine paar Zettel zusaetzlich zu ihren siebenundzwanzig eigenen. In der Pause stellt sie mich noch einem hollaendischen Ehepaar vor, dass vor zehn Jahren nach Kanada gekommen ist. Auch, wenn ich an diesem Abend leider kein Geld gewinne, habe ich jede Menge Spass und falle erst gegen ein Uhr nachts nach einem weiteren kurzen Plausch mit Poppi voellig platt ins Bett.

© Rabea Hohl, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
5 Wochen Freiheit! Von Vancouver bis an die Grenze Alaskas oder: Hoffentlich kommt der Nebel im Yukon nicht von dampfenden Hundehaufen!
Details:
Aufbruch: 12.09.2009
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 17.10.2009
Reiseziele: Kanada
Der Autor
 
Rabea Hohl berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.