In Düsseldorf daheim, in der Welt zu Hause

Reisezeit: Oktober 2010 - Oktober 2011  |  von Marius Schebaum

Bolivien: La Paz

Hoechste Hauptstadt der Welt

Aus der kahlen und trostlosen Salzwueste sind wir innerhalb von ganz entspannten 11 Stunden mit dem Nachtbus nach La Paz geheizt. Wobei ganz entspannt hier ironisch zu verstehen ist, denn man wurde von der Buckelpiste unterm Bus so auf und ab geschleudert, dass man weder Fotos machen, lesen (klar, "nachts" soll ja auch geschlafen werden, deswegen wird um 20 Uhr das Licht ausgemacht), Muski hoeren (ich weiss, es gibt dieses Anti-Shock-System bei neuwertigen Elektromedien und mein Discman hat dies sogar, aber gegen diese Rumpelfahrt war selbst er machtlos, auch wenn er lange gekaempft hat), geschweige denn, sich unterhalten kann (weil die Stimme sich anhoert wie beim gurgeln und man es bei dem gespringe nicht schafft, seinem Gegenueber in die Augen zu sehen, aber is ja sowieso dunkel).

Nachdem wir die widrigen Umstaende allerdings mit nichts ausser Grofftie-Augen und Schlafmangel ueberwunden hatten, sind wir in den Tumult von La Paz eingetaucht, das auf ca. 4100m mitten zwischen, in, ueber und neben den Bergen liegt. Ueber der Stadt trohnt auf 6000m ein schneebdeckter Vulkan, der dat Pannoramma dann so richtig schoen abrundet. Ich sachma, ham se gut hingekriegt die Bolivianos.

Hochhaeuser ohne Ende, Lehmhaeuser ohne Ende, Vulkan mit Ende auf ueber 6000m

Hochhaeuser ohne Ende, Lehmhaeuser ohne Ende, Vulkan mit Ende auf ueber 6000m

Man muss sich das so vorstellen, dass im Zentrum der Stadt einfach alle Gerueche, Stimmen, Farben, Verkehrsmittel, Lebensmittel und sonstiger Kram zusammenkommen, so dass man in einem nicht endenden Strom von Menschen durch die Strassen schwimmt und gar nicht weiss wo man hingucken soll, weil man gerade wieder etwas lecker Frittiertes gerochen hat, aber absolut nicht zuordnen kann, wo es herkommt, weil sich um einen herum ca. 15 Buden mit dampfenden Fritteusen und entsprechenden Marktschreiern befinden.
Das klingt zwar erstmal furchtbar kompliziert, aber sobald man nach ein paar Stunden heruasgefunden hat, wo man mainstream-maessig mit dem Strom schwimmen kann und wo man beim Eintreten in die Strasse gegen eine Wand von Menschen und Autos rennt, taucht man absolut in die Azmozphaere der Stadt ein.
Zu dieser Atmosphaere gehoeren auch unendlich viele Marktstaende, die einfach ALLES verkaufen:
es gibt exklusive Nivea-Staende, Zahnpasta-Wagen, Socken, Shampoo, Seife, Schuhe, usw.
Das Lustige dabei ist, dass die Maerkte nach Branchen eingeteilt sind, das heisst wenn man beispielsweise Shampoo sucht, dann wird man im Shampoo-Sektor erstmal voellig erschlagen vom Angebot der 95.000 Shampoo-Staende.

tja, auch sowas findet man auf dem Markt:
getrocknete und dadurch geschrumpfte Lama-Phoetusse, gibts uebrigens in allen Varianten, weiss, schwarz, gross, klein, mit Haaren, ohne, usw.

tja, auch sowas findet man auf dem Markt:
getrocknete und dadurch geschrumpfte Lama-Phoetusse, gibts uebrigens in allen Varianten, weiss, schwarz, gross, klein, mit Haaren, ohne, usw.

Was die Ernaehrung angeht haben wir uns den lokalen Gepflogenheiten angepasst und morgens zum Fruehstueck einen ganz frisch gepressten O-Saft (Papa, sogar mit Fruchtfleisch, du wuerdest die wahrscheinlich ne Wanne kaufen und drin baden) fuer leider das duenne Portemonnaie extrem belastende 20 Euro-Cent gegoennt (manchmal muss sich auch was Gutes tun). Tagsueber oder abends kann man so weit das Auge reicht an den Frittier-Staenden einen frisch gemachten Hamburger kaufen, aber nicht so ein MC´s-Scheiss mit ner labbrigen sauren Gurke und nem duennen Stueckchen Fleisch drauf, sondern mit Spiegelei, Salat, Tomaten, Zwiebeln, Mayonaise, Ketchup, scharfer Sauce und ein paar frisch-auys-der-Fritteuse-Pommes. WELTKLASSE! und das Beste dabei: kostet gerade mal 30 Cent

Kommen wir nun zu den nicht so angenehmen Dingen:
Nach der Woche in La Paz haben Markus und ich uns bei "Wetten dass?" angemeldet und wollen mit verbundenen Augen verschiedene Gerueche erkennen: Hundescheisse, Katzenpisse, Menschenurin, Muell, altes Frittenfett, Kippen, Abwasser, usw.
Unglaublich, was alles einfach irgendwo ohne nachzudenken auf die Strasse geschmissen wird, da haetten die Umweltminister bei uns schon kapituliert.

Noch etwas, sagen wir, gewoehnungsbeduerftiges:
Ich hab ja gedacht, studierste mal Sport, dann haste keine Probleme auch mal wandern zu gehen oder in etwas hoeheren Gefilden Ski zu fahren oder so. Tja denkste, die Bolivianer haben naemlich jede Strasse so steil wie moeglich gemacht, damit Touristen kurz vor dem Exitus japsend oben ankommen und dann wehrlos sind und man sie aurauben kann. Nein, nicht ganz, aber zwischendurch wird einem schon mal ganz schoen schwindelig und man hat das Gefuehl, selbst wenn man tie einatmet, dass irgendwie ein bisschen Luft fehlt. Und waehrend man dann so schnaufend durch die Menschen- und Staendemengen tapst, kommen alle paar Sekunden von links, rechts, vorne und hinten kleine Minibusse (das Hauptverkehrsmittel der Stadt), die absolut niemals bremsen, so dass man mit winken und rufen und mit einer schuetzenden Hand auf der Kuehlerhaube die oft zweispurige Strasse uebersprinten muss. Als netter Nebeneffekt haben diese Minibusse ihre Katalaysatoren leider auch auf irgendeinem Markt verscherbelt und deshalb kommt bei jedem Gas geben eine allmaechtige schwarze Rauchwolke aus dem Heck, durch die man sich mit Augen, Nase und Mund zu durchtankt.

Ich sachma, La Paz ist einfach eine Sache der Gewoehnung

Kommen wir aber nun zum mit Abstand aufregendesten Teil dieses Ortes:
Es gibt in der Naehe eine so genannte "Death Road" und die heisst nicht aus Jux und Dollerei (das hab ich irgendwie von dir, Oma, eigentlich gar nicht mehr zeitgemaess, aber retro ist ja in) so, sondern auf dieser extrem schmalen Schotterstrasse, die sich ueber 3000m ins Tal schlaengelt, sind seit Befahrung 1991 jedes Jahr im Schnitt 25 Autos und 17 Fahrradfaher toedlich verunglueckt.
Diese Zahlen waren anscheinend doch irgendwann nicht mehr tragbar und deshalb wurde fuer die Autos eine Umgehungsstrasse gebaut und die urspruengliche Strecke wird jetzt nur noch von total verrueckten und lebensmueden Downhill-Bikern (wie uns zwei Halodris) mit ihren Guides genutzt.
Wir sahen zwar aus wie Profis, aber gefuehlt haben wir uns eher wie Kreisklassen-Amateure, als wir die sich durch den Urwald und ganz knapp an teilweise 600 m tiefen Schluchten entlang schlaengelnde Strasse gesehen haben.

Los gings auf 4700m bei tatsaechlich 0 Grad um 7 Uhr morgens mit allem ueber den Leib geworfen, was irgendwie zur Verfueung steht. Die ersten 20km sind wir dann bei echt-andischem Nebel- und Regenwetter runtergeheizt und hatten bei der Drogenkontrolle schon ein wenig den Kaffee auf. Aber je weiter wir dann von den trostlosen Anden in das saftig gruene Amazonas-Becken gerasst sind, desto waermer wurde es und nachdem man immer mehr ausgezogen hatte und spaeter auf 1200m und 30 Grad sogar im T-Shirt und Sonnebrille fahren konnte, war die Laune auch wieder im Lack.

Waehrend der Fahrt ins Tal ist man teilweise auf mit ca. 50 km/h auf ein paar lockeren Steinen oder durch Schlamm geheizt und hatte bei dem Gerappel Muehe, den Lenker fest zu halten. Sobald man mal einen Blick 1 m weiter nach links gewagt hat, hat man meistens nur noch Abgrund und zahlreiche Gedenksteine und Kreuze der hier verunglueckten Menschen gesehen.
Da wurde einem schon ein wenig mulmig, aber am Ende fuehlt man sich doch verdammt geil, wenn man in der Haengematte mit Blick auf das gruene Amazonas-Tal und die "Death Road" nach einem Sprung in den Pool auf sein gerade erst hart erkaempftes T-Shirt schaut, auf dem in grossen orangen Buchstaben prankt:
"Survivor of the Death Road!"

Bis die Tage, dann vom Titikaka See (jaja, haha, witztig so eine Kombination aus zwei Faekal-Woertern, was haben wir uns nicht auf die kleinen Schenkel gehauen damals im Kindergarten)

Euer Survivor

Nicht inklusive im Preis:
Eintritt in den Nationalpark, ok, kann ich verstehen. 
Drinks im Hotel, na gut, Wasser gibts da gratis. 
Aber Security? hm, will ich das wirklich?

Nicht inklusive im Preis:
Eintritt in den Nationalpark, ok, kann ich verstehen.
Drinks im Hotel, na gut, Wasser gibts da gratis.
Aber Security? hm, will ich das wirklich?

Spaetestens nach den ersten 50m weiss man, wie die Leute auf Death Road gekommen sind

Spaetestens nach den ersten 50m weiss man, wie die Leute auf Death Road gekommen sind

Voellig durch die beiden, sowohl was die ehemals trockene Kleidung angeht, als auch die geistige Frische

Voellig durch die beiden, sowohl was die ehemals trockene Kleidung angeht, als auch die geistige Frische

teilweise faehrt man durch kleine Wasserfaelle durch, gut das wir einen Helm bekommen haben!

teilweise faehrt man durch kleine Wasserfaelle durch, gut das wir einen Helm bekommen haben!

© Marius Schebaum, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mein Around-the-World-Ticket, mein Backpacker-Rucksack und Ich in einem Jahr einmal links rum um die Welt von Lateinamerika über Mittelamerika, USA, Fiji, Neuseeland, Australien und Indonesien bis nach China...
Details:
Aufbruch: 10.10.2010
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 10.10.2011
Reiseziele: Brasilien
Paraguay
Bolivien
Peru
Panama
Costa Rica
Nicaragua
Vereinigte Staaten
Fidschi
Neuseeland
Australien
Indonesien
Malaysia
Hongkong
China
Katar
Türkei
Deutschland
Der Autor
 
Marius Schebaum berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.
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