In Düsseldorf daheim, in der Welt zu Hause

Reisezeit: Oktober 2010 - Oktober 2011  |  von Marius Schebaum

Peru: El Misti

Der Mistirioese

So, die Reinold Messners der Anden melden sich wieder zu Wort und berichten live vom naechsten halsbrecherischen Abenteuer!
Der gluecklicherweise schon laenger nicht mehr aktive Vulkan El Misti war das angestrebte Ziel. Ganze 5820 m ueber dem Meeresspiegel und vor allem fuer uns viel entscheidender: ca. 3000 m ueber Arequipa, unserer Unterkunft der letzten Tage. Der lonely planet empfahl, nach Chiguata zu fahren, um dort den 3-Tages-Trip auf den Berg anzutreten. Gesagt getan sind wir am Nachmittag dort mit dem Bus hingefahren und wurden dann ein wenig verloren in diesem verlassenen Bergdorf rausgeschmissen, mit dem Tip, weiter die Strasse runter muesse irgendwo ein Hostel sein. Na gut, haben wir auch gefunden, aber ein alter Typ hat uns gesagt, hier wear schon laenger keiner mehr untergekommen, sei grad im Umbau und ein anderes Hostel? Ne, das gibts hier nicht. Die Sonne schwand schon langsam hinter den entfernten Baumwipfeln, als wir auf einen "Insider-Tip" des Hostel-Besitzers hin die Hauptstrasse runtergestapft sind, um dort das "Casa Inka" zu finden, angeblich eine Art Hostel. Tja, denkste, haben dann dort, wo das Schild hinzeigt, alle gefragt, die dort rumliefen: Ein alter Bauer und zwei faltige alte Omas, die haben alle gesagt, wir koennten weiter den Schotterweg mal fragen, aber es gibt eher nix. Hostel erst recht nicht, ist geschlossen gerade. Mit anderen Worten schwand uns der anvisierte Schlafplatz unter dem Hintern weg und notgedrungen haben wir dann ans Tor einer Art Bauernhof geklopft und gefragt, ob sie ein Zimmer fuer uns haetten. Nach einigem Diskutieren wurde uns dann Asyl gewaehrt und wir wurden in eine Art Wohnzimmer gefuehrt, wo wir unsere Sachen deponieren konnten und ein alter Mann zwei Matrazen und Decken fuer uns auf den Boden legen liess. Dann hat er sich daran gemacht, den alten Kamin in der Ecke zu befeuern, denn auf ca. 3000m in den Bergen kann, wie wir seit dem Colca Canyon ja wissen, maechtig frisch werden. Wir haben uns dann mit Herrn Ernesto Luis Caceres, dem Chef einer Salatplantage, auf der wir genaechtigt haben, den Abend unterhalten, so gut es ging und haben die peruanische Gastfreundschaft am waermenden Feuer sehr zu schaetzen gewusst, wenn man bedenkt, dass dies unsere einzig moegliche Schlafmoeglichkeit weit und breit war.
Am naechsten Morgen ohne die grossen Rucksaecke und grosser Motivation, wenn auch ein wenig verforen von der Nacht, sind wir Richtung Vulkan gelaufen und von den angeblichen 8 Stunden zum "Basecamp" auf 4500 m verliefen die ersten, sagen wir mal 4 auch recht gut. Im Dorf hat man uns dreist ins Gesicht gelogen, dass der Weg einfach sei, nicht anstrengend und dass es einen Schlafplatz am Berg gebe, aber dazu spaeter mehr.

der erste Blick auf das Ziel des naechsten Tages, sah eigentlich machbar aus von hier...

der erste Blick auf das Ziel des naechsten Tages, sah eigentlich machbar aus von hier...

In die Vergangenheit der peruanischen Bergbauern versetzt

In die Vergangenheit der peruanischen Bergbauern versetzt

Es ging zwar steil bergan und wir mussten relativ haeufig nach dem Weg fragen, so lange es die vorhandene Zivilisation zu gelassen hat: Wir sind irgendwann links abgebogen und von da an waren unsere einzigen Freunde trockene Straeucher und schwarzesVulkan-Sand-Asche-Gemisch. Genau hier war dann im Nachhinein der turning point von einer lustigen Wanderung zu einer anstrengenden bis spaeter gefaehrlichen Bergbesteigung. Wir haben uns schwer atmend vorwaerts gekaempf, Hoehenmeter fuer Hoehenmeter und nur an kleinen Faehnchen orientiert, die gluecklicherweise jemand an jeden 5en Strauch oder so gebunden hatte. Doch irgendwann gab es keine Straeucher mehr, der Wind war kein laues Lueftchen mehr, sondern ein richtig fies kalter Bergwind und wir haben unsere Jacken und Pullover ausgepackt, waehrend ein paar Meter weiter unten noch T-Shirt und kurze-Hosen-Wetter war. Aber das Ziel wurde nicht aus den Augen verloren, schliesslich hat man den omniparaesenten Berg staendig wie ein Mahnmahl neben sich gesehen, eigentlich kaum mal mehr als fuenf Minuten ohne den Gipfel verdeckene Wolken. Vielleicht heisst er ja deswegen El Misti, wer weiss?!

Auf und ab und hin und her und noch nicht mal am eigentlichen Fuss des Berges

Auf und ab und hin und her und noch nicht mal am eigentlichen Fuss des Berges

Da leg`s di`nieder! Dieser weisse Pfeil war das letzte zivilisierte Zeichen bzw. Studck Wegmarkierung, das uns unter gekommen ist...

Da leg`s di`nieder! Dieser weisse Pfeil war das letzte zivilisierte Zeichen bzw. Studck Wegmarkierung, das uns unter gekommen ist...

Danach sah der "Weg" fuer gefuehlte Stunden nur noch so aus, ein schwacher Trampelpfad zwischen unkaputtbaren Straeuchern

Danach sah der "Weg" fuer gefuehlte Stunden nur noch so aus, ein schwacher Trampelpfad zwischen unkaputtbaren Straeuchern

Seit diesem letzten weissen Pfeil gab es erstmal keine Steine, keine Faehnchen, kein Weg, nur ein paar schwache Fussspuren, die sowohl von Menschen, als auch von Tieren stammen konnten, aber was fuer Tiere leben hier in dieser kalten Einoede? (ihr koennt schonmal raten, wir haben tatsaechlich welche gefunden spaeter, die man eher nicht hier erwartet)

Die Sonne sank immer tiefer und die Uhr zeigte bereits halb 4, als wir zwischen oeden Pflanzen und schwarzer Asche, in der man immer wieder tief eingesunken ist, einfach nur noch stur vorangestapft sind, auf der Suche nach diesem verdammten Base-Camp, wobei wir nicht mal wussten, ob wir auf der richtigen Hoehe sind, auf welcher Seite des Berges es sich befindet oder wie es aussieht. Aber man braucht ja keine Karte, is alles sehr einfach zu finden hab ich noch ein paar Stunden vorher gehoehrt! Es war ein bisschen wie in Holland in den Duenen rumstapfen, nur mit dem Unterschied, dass der Sand schwarz war und hinter der naechsten Duene kein Meer oder ein Poffertjes und Frikandel-Spezial-Bude auf uns wartete, sondern nur Gestein und haessliche Straeucher (ich gebe zu, sie waren auch am Anfang nicht schoen, aber irgendwo musste man ja seinen Frust ablassen und da es nichts gab ausser diese Straeucher, fanden wir sie mit jedem Schritt haesslicher).
Das Basecamp war auch hinter der naechsten und uebernaechsten Ecke nicht zu finden, stattdessen zog ein Gewitter aus dem Tal in unsere Richtung und drohte uns mit Donner und unklen Wolken. Es musste also eine wichtige Entscheidung gefaellt werden: suchen wir weiter nach dem Base-Camp und riskieren, dass es dunkel wird und wir es vor allem nicht finden oder treten wir geschlagen den Rueckweg an, was auch schon ziemlich knapp werden wuerde, wenn man von 4 Uhr 8 Stunden dazu rechnet! Dreimal duerft ihr raten, welche Entscheidung Winnetou und sein weisser Bruder getroffen haben Nicht aufgeben, dieses verkackte Base-Camp muss doch irgendwo sein! Also weiter um den Berg rumgestapft, im Kopf haben wir beide schon das Szenario durchgespielt, wenn wir das Base-Camp nicht finden: Hinter eine Duehne in die Kuhle auf den warmen Vulkansand legen, alles anziehen, was der Rucksack hergibt: Handschuhe, Schal, Jacke und Muetze und einfach die Nacht ueberleben, die wie man sich vorstellen kann auf knapp 5000m nicht die waermste werden wuerde. Wir sind also weiter einer alten Strasse um den Berg herum gefolgt, weil es z.B. nicht mal einen Weg auf den eigentlichen Gipfel gab. Also touristisch kann man hier auf jeden Fall noch einiges tun, ihr lieben Peruaner!

Die Hoffnung auf den Gipfel hatten wir seit einiger Zeit aufgegeben, jetzt hiess es nur noch irgendwie auf der anderen Seite des beschissenen El Misti wieder runter, um nicht in den Bergen uebernachten zu muessen! Also weiter stur der alten Strasse folgen, wobei das schon nicht so einfach war, denn man hat doch deutlich gesehen, warum sie alt und nicht mehr in Benutzung war: Alle paar Meter riesige Loecher in der Strasse oder Steinschlñaege und Erdrutsche, die den Weg versperrt haben, so dass wir oft selbst auf der Strasse noch klettern mussten!

Einer der bittersten Momente war dann, dass unsere Strasse in einem Bunker im Berg endete! Wieso baut man so eine Strasse, wenn sie dann mitten im Berg aufhoehrt?! AAAAAAHHHH! HASS!!!

Kann schonmal passieren, dass ein Stueck Strasse rausbricht, muss man nicht reparieren, kommt ja schliesslich locker noch vorbei...

Kann schonmal passieren, dass ein Stueck Strasse rausbricht, muss man nicht reparieren, kommt ja schliesslich locker noch vorbei...

Wenn man keine Lust mehr hat als Strasenbauer, baut man ans Ende einfach einen Bunker, spart viel Arbeit...

Wenn man keine Lust mehr hat als Strasenbauer, baut man ans Ende einfach einen Bunker, spart viel Arbeit...

tja wer haette das gedacht, das in dieser Einoede REHE rumlaufen? hats jemand erraten auser meine Jaeger-Grosseltern?

tja wer haette das gedacht, das in dieser Einoede REHE rumlaufen? hats jemand erraten auser meine Jaeger-Grosseltern?

so nah! so nah waren wir dran am Gipfel! nur noch laecherliche 600 - 700 m zum Krater! aber es hat nicht sollen sein

so nah! so nah waren wir dran am Gipfel! nur noch laecherliche 600 - 700 m zum Krater! aber es hat nicht sollen sein

Daneben gab es ein Loch im Boden, das zu einem alten, stinkigen und dunklen Betonbunker fuehrte und mittlerweile haben wir ernsthaft in Betracht gezogen, dort drinnen zu uebernachten und vielleicht sogar ein Feuer zu machen mit ein paar trockenen Straeuchern, aber der Gedanke an die kalte Nacht hat uns zureuckgehen lassen bis zu einer anderen Strasse (die wir von oben gesehen hatten), die dann letztendlich zu einem kleinen Haeusschen fuehrte mit einem riesigen weissen Rohr neben an, dass ins Tal zu einer Industrie-Anlage fuehrte. Neben dem Rohr gab es einen kleinen Weg den Berg runter, hoffentlich zu der Anlage unten, vielleicht gab es dort ja jemanden, der uns helfen wuerde oder nach Hause bringen wuerde?!
Als wir dort ankamen bei mittlerweile schwindenden Licht...

... haben wir einen relativ verwirrten (muss ein Schock gewesen sein, uns zwei verdreckten Halodris zu sehen) jungen Mann in Uniform mit Sturmmaske und Pump-Gun im Buero angetroffen, der offensichtlich in seiner Nachtschicht die Aufgabe hatte, auf eine Seilbahn aufzupassen, die direkt ins Tal fuehrte! Ja, unsere Chance! Aber nach einem Telefonat mit seinem Chef hat er uns mitgeteilt, wir duerften die Seilnahn ins Elektrizitaetswerk unten nicht benutzen, es gebe aber einen eg den Berg runter zum E-Werk und unten wuerde noch ein Bus fahren, der die Arbeiter des Werks nach Arequipa faehrt, da koennten wir vielleicht mitfahren... Das war unsere Chance! Also mit einer laechlerichen Funzel von Taschenlampe (die am Titicaca-See in der Nacht des Lichts schon fast den Geist aufgegeben hat) den Geroell und Steinweg mehr runtergerutscht als gelaufen und Gott weiss, wie wir es geschafft haben, uns KEINEN Baenderriss zu holen. Wir sind alle paar Meter stehen geblieben, um im Dunkeln den Pfad zu erahnen und tatsaechlich sind wir dann wie in einem Agenten-Film irgendwann am E-Werk angekommen. Die Augen mit einer Hand vor den grellen Scheinwerfen schuetzend sidn wir illegalerweise ueber eine Mauer ins Gelaende eingestiegen (kennt ihr noch das PC-Spiel Splinter Cell? Jetzt weiss ich, wie sich der Hauptcharakter immer gefuehlt hat, wenn ich mit ihm in irgendwelche Werke einbrechen musste, um unbemerkt irgendeinen Boesewicht auszuschalten!). Dort haben wir dann tatsaechlich eine Art Buero gefunden wo uns ein verdutzter, aber sehr freundlicher Mitarbeiter zu einer Art Schranke gefahren hat, wo 3 Stunden spaeter ein Bus fahren sollte. Hallelujah! Dort sind wir allerdings dann erstmal mitten in eine Soldatenehrung oder Uebung geraten, so dass um unseren Pick-Up herum finster drein blickende Soldaten salutiert haben, waehrend wir nicht mal aussteigen durften! Nachdem die Uebung aber vorbei war, wurden wir zum Schrankenwaeter gefuehrt, der unsere Personalien aufgenommen hat und uns dann in sein Buero gefuehrt hat. Echt alles wie im Film hier!

sieht auf den ersten Blick nicht gerade einladend aus so ein E-Werk, aber nach unserm Trip kam es uns wie das Paradies vor!

sieht auf den ersten Blick nicht gerade einladend aus so ein E-Werk, aber nach unserm Trip kam es uns wie das Paradies vor!

Soldatenuebung der E-Werk-Armee aus dem dunklen Pick-Up!

Soldatenuebung der E-Werk-Armee aus dem dunklen Pick-Up!

Waehrend es draussen immer immer kaelter wurde und wir heilfroh waren, dass wir doch nicht in dem Bunker ca. 1000 m weiter oben uebernachten mussten, haben wir mit dem Schrankenwaerter gequatscht und mit ihm Karten gespielt, um uns die Zeit zu vertreiben, bis der Arbeioterbus uns nach Arequipa fahren wuerde. Er hat uns sogar noch einen Snack aus der Kantine holen lassen von einem Kollegen, wahrscheinlich weil wir einfach so fertig und ausgehungert aussahen nach unserm 12-Stunden-am-Stueck-Wandertrip.
Danach ist aber alles gut gegangen und der Bus hat uns umsonst nach Arequipa gefahren (obwohl nicht mal ein einziger anderer Arbeiter mit drin sass) und dort haben wir uns dann voellig fertig ins Hostelbett fallen lassen. Was fuer ein Tag!

Nach einem feisten Pfannkuchen-Fruehstueck und einem deluxen Cream-Cookie-Milchshake (mit ganzen Oreo-Keksen!) sind wir dann mit dem Bus nochmal nach Chiguata, um auf der Salatfarm von Ernesto unsere grossen Rucksaecke zu holen. Mit einem letzten sehnlichen Blick auf den Misti war dieses abenteuerliche Kapitel dann auch beendet.

Und wie wir und vor allem unsere Fuesse gelitten haben an diesem langen Wandertag!

Und wie wir und vor allem unsere Fuesse gelitten haben an diesem langen Wandertag!

© Marius Schebaum, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mein Around-the-World-Ticket, mein Backpacker-Rucksack und Ich in einem Jahr einmal links rum um die Welt von Lateinamerika über Mittelamerika, USA, Fiji, Neuseeland, Australien und Indonesien bis nach China...
Details:
Aufbruch: 10.10.2010
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 10.10.2011
Reiseziele: Brasilien
Paraguay
Bolivien
Peru
Panama
Costa Rica
Nicaragua
Vereinigte Staaten
Fidschi
Neuseeland
Australien
Indonesien
Malaysia
Hongkong
China
Katar
Türkei
Deutschland
Der Autor
 
Marius Schebaum berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.
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