Deutschlandtour mit dem Lidl-Ticket

Reisezeit: November 2016  |  von Sabine H.

Hallo, Hauptstadt, was gibt´s Neues ???

Ca. 2 Monate vor Beginn meiner Reise las ich in der Presse davon, dass in einem Berliner Bunker der "Führer-Bunker" nachgebaut und zu besichtigen sei. Allerdings nur im Rahmen einer Führung. Das interessierte mich sehr. Warum ?

Ich bin das komplette Gegenteil eines Neo-Nazis und fand die Idee, das "Führer-Hauptquartier" nachzubauen einigermaßen geschmacklos und grenzwertig. Die Berichterstattung mit Fotos dazu war eigentlich hauptsächlich in der BILD-Zeitung zu lesen und da muss man an der Zeitungs-Story natürlich auch immer etwas das Reißerische herausfiltern.

Nichtsdestotrotz hat mich die Geschichte interessiert. Und an der Geschichte des 3. Reiches bin ich sowieso interessiert, da bin ich erblich belastet, denn schon mein Vater, der diese Zeit als Kind miterlebt hat, ist ein wahrer Experte auf diesem historischen Gebiet.

Schöneberger Straße - zumindest schon mal ein veritabler Bunker

Schöneberger Straße - zumindest schon mal ein veritabler Bunker

So wahnsinnig viele WWII-Bunker gibt´s nämlich nicht mehr. In meiner Heimatstadt FL z.B. nur noch 2 und einer davon ist jetzt echt Wohnhaus. Voll krass.

Wer Bunker baut, wirft Bomben ! Sehr wahr.

Wer Bunker baut, wirft Bomben ! Sehr wahr.

Eines muss ich klarstellen - der Führerbunker ist dieses Teil nicht. Natürlich nicht. Denn der steht seit Mai 1945 nicht mehr - Gott sei Dank ! Der war auch ganz woanders. Man will gar nicht wissen, wo, ist einfach nur ein Parkplatz heute.

Vor Beginn der Führung kann man sich ein kleines Museum im Bunker ansehen. Das ist nicht weltbewegend, aber wer sich noch nie mit der Geschichte des 2. Weltkrieges und insbesondere der Endphase beschäftigt hat, ist hier gut aufgehoben und kann sich die Wartezeit bis zum Beginn der Führung hier sehr gut vertreiben. Ich wandere nur kurz hindurch.

Ein Foto aus dem Museum - die Trümmer Berlins und ein paar erhaltene Dinge, die übrig geblieben sind.

Ein Foto aus dem Museum - die Trümmer Berlins und ein paar erhaltene Dinge, die übrig geblieben sind.

Es beginnt die 90-minütige Führung. Ich fasse diese 90 Minuten mal so zusammen: Die Erzählungen seitens des Guides sind sehr gut, informativ und spannend. Die Location tut ihr übriges, kahle nackte Bunkerwände. Beton pur. Oft ein beklemmendes Gefühl. Der Vortrag beinhaltet auch viele Fotos aus den letzten Kriegstagen, die ein fast gespenstisches und vollkommen zerstörtes Berlin zeigen. Menschen, die auf den Resten der Straßen in Trümmern herumirren. Soldaten - welcher Herkunft auch immer - die die Überreste in Augenschein nehmen.

Die Fotos werden an die nackten Bunkerwände geworfen. Es gibt auch Fotos und kleine Interview-Videos von Zeitzeugen, die teilweise tatsächlich noch leben und zu diesem Vortrag beigetragen haben. Der Guide kennt/kannte fast alle persönlich und hat sie selbst befragt. Das ist schon sehr gänsehautträchtig. Zum Guide muss ich noch dazu sagen, dass er seinen Vortrag sehr sachlich vorgebracht hat und ganz offensichtlich mit sehr fundiertem Hintergrundwissen. Trotzdem war seine Führung absolut spannend erzählt.

Weniger cool ist, dass wir einigen Vorträgen über einen Zeitraum von ca. 15-20 Minuten lauschen durften in völlig leeren Bunkerräumen. Platz gab es genug, Sitzgelegenheiten allerdings nur für knapp die Hälfte der Truppe. Der Rest musste stehen. Man hätte hier und da etwas mehr Sitzgelegenheiten schaffen sollen - wie gesagt: Platz reichlich !

Ich werde hier nicht die ganze Führung nacherzählen, das geht auch gar nicht. Und Fotos gibt es nicht. Denn das ist Bedingung: Absolut keine Fotos ! Ist klar: Man will seitens des Veranstalters keine irgendwie komischen Selfies mit womöglich noch seltsameren Kommentaren aus einem ehemaligen Nazi-Bunker auf facebook sehen, noch sonstwo. Dafür ist diese location zu heikel.

Wir bewegen uns nun über 1,5 Stunden durch einen Bunker, der für ein paar hundert Menschen ausgelegt und ausgerüstet war - und in dem in den letzten Kriegstagen fast 10.000 Menschen Unterschlupf fanden. Es müssen sich hier beispiellose Szenen abgespielt haben. Die Luft wurde knapp, Nahrung gab es nicht mehr, Platz auch nicht, keine Sitzgelegenheiten, kein Wasser, keine funktionierenden Toiletten. Die Menschen waren wie Vieh eingepfercht und es muss bestialisch gestunken haben. Bestimmte Hinterlassenschaften hat man geborgen und sind auch hier zu sehen, einfache Dinge, wie Konservendosen, Kleidungsstücke und so. Im betonierten Fußboden haben sich Gegenstände, die Menschen verloren haben, festgetreten, wie z.B. Schlüssel.

Dieser Bunker ganz nahe des ehemaligen Schöneberger Bahnhofes war durch einen Tunnel mit dem Bahnhof verbunden, das war eigentlich "the way out", perfiderweise wurde dieser Tunnel von den Nazi´s in den letzten Kriegstagen geflutet aus dem Landwehr-Kanal. Die tausenden Menschen im Bunker saßen also in der Falle. Während Berlin aus der Luft bombardiert wurde ohne Ende, die halbe Stadt brannte lichterloh, die Allierten fielen von allen Seiten ein. Die allermeisten sind trotzdem lebendig aus dem Bunker herausgekommen. Allerdings unter chaotischen Umständen.

Und der Typ, der für all das verantwortlich war, saß mit all seinen Schergen in seinem Führerbunker, heiratete noch mal eben schnell seine Eva Braun und vergiftete sich, die dumme Eva und seinen unschuldigen Schäferhund Blondie mit Zyankali.

Magda Goebbels tat selbiges mit ihren 6 kleinen Kindern. Unfassbar.

Im letzten Bereich des Bunkers ist nun das zu sehen, wovon in der Presse berichtet wurde und worauf ich so gespannt war: Der Nachbau des Arbeitszimmers von A.H. Die Erzählungen des Guides sind an dieser Stelle sehr subtil. Das nachgebaute Büro ist hinter Glas, damit niemand auf beknackte Ideen kommt.

Angesichts dieses original-getreu gebauten Nachbaus mit entsprechender Ausstattung läuft es einem eiskalt den Rücken herunter. Mehr sage ich dazu nicht. Im davor gelegenen Bereich gibt es auch wieder eine umfangreiche Foto-Ausstellung mit erschütternden Bildern aus den letzten Tagen kurz vor und nach dem Fall Berlins.

Wir durften Fragen stellen ohne Ende und der Guide hat sie alle beantworten können. Es war eine sehr intensive Führung, sie hat mir gefallen.

Noch ein Foto aus dem kleinen Museum. Da war Berlin noch intakt.

Noch ein Foto aus dem kleinen Museum. Da war Berlin noch intakt.

Der Eingang zum Bunker für die Führung...

Der Eingang zum Bunker für die Führung...

Den Rest des Tages verbringe ich beim Bummeln, shoppen und essen - wieder im KaDeWe - es ist so lecker da oben...

Weihnachtsbeleuchtung am Ku´Damm

Weihnachtsbeleuchtung am Ku´Damm

© Sabine H., 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Verkaufsaktion von Lidl mit den vergünstigten Bahntickets hat mich zu einer spätherbstlichen Deutschland-Reise inspiriert...
Details:
Aufbruch: 11.11.2016
Dauer: 17 Tage
Heimkehr: 27.11.2016
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Sabine H. berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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