Marokko - ein Märchen aus 1001 Nacht
Tag 12 - In der Wüste
Der Morgen
Um 06:45 Uhr wurde ich wach, nach einem guten und erholsamen Schlaf. Geduscht habe ich lieber nicht, denn Andrea wusste zu berichten, dass andere, die geduscht haben, sich fast verbrüht hatten. Also begnügte ich mich mit Wasserhahn und Waschbecken. Frühstück gab es wieder im großen Innenhof. Gereicht wurden Brot mit Olivenöl, Butter, Marmelade, Honig und Eierkuchen, Kaffee und Tee. Eier gab es auch. Gegen halb acht waren wir alle fertig, kurz kurz vor 08:00 Uhr setzte sich unser Minibus bei nur 6,1 Grad mit uns in einen herrlichen Sonnenaufgang über den Bergen in Bewegung.
Thodraschlucht
Wir fuhren als erstes zur Thodraschlucht am Südhang des Hohen Atlas, wo sich der Fluss Todrha ein bis zu 300 m tiefes Tal ins Gebirgsmassiv gegraben hat. Die steil herabfallenden, roten Felswände sind ein Paradies für Kletterer. Doch danach steht mit ohnehin nie der Sinn noch war auch nur annähernd Zeit, einen Fuß in die Felsen zu setzene. Die Landschaft ist zudem geprägt von ausgedehnten Palmenhainen.
Hochzeit in Aussicht
In Tinerhir, einem auf einem 1.342 m hohen Plateau gelegenen Ort, stieg Abdel zu uns in den Bus, um uns den Vormittag über zu begleiten. Er war ganz in ein leuchtendes blau gekleidet, inklusive Turban. Das sei die Farbe der Wüste, der Tuareg, die früher ein Nomadenvolk waren.
In der Schlucht habe ich ihn abgelichtet.
Eines der Fotos gefiel ihm sehr, ich könne es doch bitte meiner Schwester zeigen, damit sie ihn heiraten könne. Ich habe keine Schwester, aber auch keinen Ehemann. Nun gut, dann könne ich ihn heiraten. Er wohnt mit seiner Mutter in einem Haus, sie sei reicher als Elisabeth Taylor. Er ist zwar Berber, aber er achte und respektiere Frauen. Er hat lange in den Niederlanden gelebt, spricht niederländisch, englisch, französisch, arabisch und berberisch. Er trank dort viel Alkohol und tut es wohl auch heute noch. Gestern Abend habe er zwei Flaschen Wein getrunken. Das mache sich in seinem Kopf heute bemerkbar. Ob den Muslimen erlaubt ist, Alkohol zu trinken? Ja, er ist ein Light–Moslem. Er glaubt an Gott, aber das wars dann auch. Er würde mir nach der Führung seine Nummer geben und ich könne ihm dann das Bild schicken. Das habe ich ihm zugesagt.
Er hat im Bus hinten auf unserem einen freien Sitz Platz genommen und Andrea meinte, die Alkoholfahne sei deutlich gewesen.
Spaziergang um Tinerhir
Mit Abdel unternahmen wir noch einen kleinen Spaziergang um Tinerhir, das eines der schönsten Oasen der Region sein soll. Unser Weg führte uns durch die Oasenfelder, die noch traditionell durch die Einwohner bestellt werden. Das Land gehört ihnen nicht. Dort wachsen Olivenbäume, Pfirsiche, Granatäpfel... von letzteren gibt es zwei Sorten in Marokko. Süße und saure. Die sauren werden nicht geerntet, sie bleiben für die Vögel an den Bäumen hängen. Abdel pflückte uns dennoch einige und ließ uns kosten. Also ich fand sie gar nicht so sauer, konnte sie gut essen. Auf den Feldern werden auch Pflanzen angebaut, aus denen Farbstoffe gewonnen werden für das Färben der Wolle oder aber auch Tattoos. Die Menschen hatten hier früher keine Pässe oder Ausweise. Sie wurden mit entsprechendem Tattoo ihrem jeweiligen Clan zugeordnet, insbesondere die Nomaden, zu denen die Tuareg zählen, wenn sie auch heute sesshafter sind.
Überall wuchs auch Bambus. Mit ihm werden die Olivenbäume geschlagen, damit die reifen Früchte auf den Boden fallen. Das ist Männerarbeit. Die Frauen hingegen sammeln die Oliven dann auf und mahlen sie in vielen Stunden in einer Ölmühle aus Stein und gewinnen so das wirklich sehr wohlschmeckende Olivenöl, das überall hier in derRegion zum Essen gereicht wird.
Tinerhir
Nach dem Feldspaziergang waren wir alle gut eingestaubt. Nun gingen wir ins Jüdische Viertel, in dem heute kein Jude mehr wohnt. Sie sind alle reich geworden mit Gold– und Silberhandel (Marokko ist reich an diesen Bodenschätzen) und weggezogen. Die Bevölkerung besteht zu 100% aus Berbern. Die Juden haben ihre Häuser verkauft oder den Berbern zur Verfügung gestellt. Hier gab es immer ein friedliches Miteinander zwischen Juden und Berbern.
Ich sah einen Moment lang einem Mann beim Ziegel herstellen zu. Eine Pampe aus Lehm und Stroh wurde in eine metallene Form geschippt, diese wurde anschließend abgehoben und der Ziegel konnte nun in der Sonne trocknen.
Wir wurden in ein Berberhaus geführt, wo wir einen Tee bekamen. Der tat gut und spülte den Staub des Spazierganges etwas aus den Kehlen. Es war reiner grüner Tee mit Zucker. Man nennt ihn hier Berber–Whisky, weil die Berber so viel davon trinken. Sie tun hier keine Minze rein, denn das wäre nicht so gut für den Magen und würde dazu führen, dass man alle fünf Minuten zur Toilette müsste. Vielleicht hat dieser viele Minztee ja bei Andrea zu ihren nun scheinbar überstandenen gesundheitlichen Einschränkungen geführt?
Der Berber, dieser hier nun ganz in schwarz gekleidet, stellte uns seine Schwester vor. Die wiederum zeigte, wie die Schafwolle gekämmt und zur Weiterverarbeitung vorbereitet wird. Auch hier wird nur mit natürlichen Farbstoffen für Teppiche gearbeitet. Safran für gelb, rot vom Mohn, braun vom Tee, blau von indigo, grün von Minze... alle werden mit Salz und Essig ( ich hoffe, ich habe es richtig verstanden) konserviert und dann durch die Sonne getrocknet. damit bleichen die Farben auch niemals aus. Pastellfarben erhält man, indem die entsprechend eingefärbte Wolle im Schein des Mondes getrocknet wird.
Natürlich konnten wir hier auch Souvenire käuflich erwerben. Die Preise waren für die Handarbeit und Größe der Teppiche moderat im Vergleich zu denen in den bislang besuchten Großstädten. Ich denke, der Berber hat sich über die Einkäufe von Zweien aus unserer kleinen Gruppe gefreut. Abdel begleitete uns nun noch das kleines Stück zurück zum Bus, nachdem er mir auf meinen Wunsch hin mein Tuch zu einem typischen Turban wand. Na – wenn er das schon für mich tut, steht einer Ehe doch kaum mehr was im Wege, oder? Am Bus nahm er sein salaire (25 Dirham) entgegen und verabschiedete sich.
Auf dem Weg nach Merzouga
Nun fuhren wir zu unserem Lunch, das wir unterwegs in einem Restaurant bekamen.
Gegen 15:45 Uhr passierten wir Erfoud. Nun lagen noch 58 km bis nach Merzouga vor uns. Die sich uns zu beiden Seiten des Busses zeigende Landschaft war geprägt von unendlicher Weite mit sich am Horizont abzeichnenden Gebirgszügen. Wüste eben, manchmal von kleineren Lehmhütten und Kamelen unterbrochen.
In der Wüste
Gegen 17:00 Uhr hatten wir unsere Unterkunft erreicht. Zuvor hatten wir noch an einem kleinen Laden gehalten, um uns mit Wasser zu versorgen, die Norweger und etwas später die Französin und den Schweizer abgesetzt, die jeweils woanders schliefen.
Wir bezogen unser Zelt, das heißt, wir warfen dort schnell unsere Rucksäcke ab. Unser Zelt hatte sechs Betten. So konnten wir uns aussuchen, wo wir drei Frauen unser Nachtlager beziehen würden. Kurze Inspektion des Areals. Es gab vier Toiletten, zwei landestypische und zwei europäische, und zwei Duschen. Männlein und Weiblein getrennt gab es hier nicht. Toilettenpapier und Handtücher auch nicht. Die Brasilianer hatten noch etwas zu bemängeln, denn nach ihrer Buchung hatten sie wohl eine andere Vorstellung von der Unterkunft gehabt. Von wegen Zelt mitten in der Wüste und nicht nur an deren Rand und in vielleicht 20 m Entfernung vom Haupthaus. Uns war es egal und wir freuten uns, hier zu sein. Dann gab es einen sehr starken grünen Tee, ich stöpselte meine Akkus an die Steckdosen im Haupthaus und kurz vor 17:30 Uhr saßen wir auf den inzwischen bereitgestellten Kamelen auf.
Kamelritt
Ich saß auf Alibaba, Andrea auf Shakira. Auch wenn der Name auf ein weibliches Tier deutete, so waren doch alles Männliche.
Said, ein 27 jähriger Marokkaner führte unsere Kamel–Gruppe zu Fuß an. Alibaba lief zunächst ganz vorn. Dann sollte er einen Hügel hinaufgehen und da streikte Alibaba. Er fing an, mit den Zähnen zu knirschen und stand störrisch wie ein Esel am Fuße des Hügels. Said versuchte ein paar Minütchen, ihn mit Ziehen und Zerren an der Leine und gut zureden zum weitergehen zu bewegen. Doch es war umsonst. Also wurde Shakira mit Andrea drauf an die Spitze geholt, Alibaba an Shakira angeknüppert und schon ging es weiter.
Sonnenuntergang in der Wüste
Es war heute den ganzen Tag über sehr wolkig. Nur dann und wann zeigte sich ein Flecken blauer Himmel, der dann so schön zu der blauen Kleidung der Tuareg passte. Oder umgekehrt. Natürlich hatten wir uns unseren Kamelritt in den Sonnenuntergang anders vorgestellt. Doch als wir kurz nach 18:00 Uhr absaßen und zu Fuß einen weiteren Wüstenhügel erklommen, tauchte die untergehende Sonne alles in ein wunderbares Licht. Und gerade die Wolken machten die Szenerie noch fantastischer. Etwa eine halbe Stunde nahmen wir uns Zeit für das Farbenspiel.
Der Gang zum Hügel hinauf war auf den letzten Metern doch recht beschwerlich. Es war recht steil, wir versanken knöcheltief im Sand, die Schuhe waren umgehend voll damit und wir ca 5 cm größer.
Der Rückweg erfolgte dann schon in völliger Dunkelheit.
Abendessen
Kurz vor 20:30 Uhr fanden wir uns alle zum Abendessen im Haupthaus ein. Wie sollte es anders sein – es gab wieder eine Tajine. Diesmal mit Hühnchen. Dazu einen marrokanischen Salat aus Gurken und Tomaten, zum Nachtisch Orangen. Das war so lecker, dass tatsächlich alles aufgegessen wurde, obwohl eigentlich niemand wirklich Hunger haben konnte.
Trommeln am Feuer
Nach dem Essen wurden wir ans Feuer eingeladen. Es wurde zwischen den Zelten angefacht. Rund herum lagen Teppiche, auf denen wir Platz nahmen. Said und zwei weitere Marokkaner schlugen die Trommeln dazu und sangen. Die Trommeln, eine große und eine kleine aneinander gebunden, sind mit Kamelleder überspannte Keramikgefäße. Die drei versuchten unsere internationale Gruppe zum Singen und Tanzen zu bewegen. Doch es traute sich niemand so recht. Andrea, Susanne und ich bewegten uns immerhin sitzend im Takt zu den Trommelklängen.
Ein wenig später haben uns die drei dann immerhin dazu bringen können, uns selbst mal an den Trommeln zu probieren. Das war zunächst gar nicht so einfach. Zwei Hände, zwei Trommeln. Die linke Hand bleibt immer auf der kleineren, linken Trommel, die rechte Hand schlägt mal mit den Fingern, mal mit der Handfläche die rechte, große Trommel und wechselt alle zwei Schläge auf die kleine Trommel, die dann wieder mit den Fingern geschlagen wird.
Im Klartext: Schlag 1: rechte Hand, Finger, große Trommel unten am Rand; Schlag 2: linke Hand, Finger, kleine Trommel unterer Rand ; Schlag 3: rechte Hand, große Trommel, Handfläche obere Trommelhälfte; Schlag 4: linke Hand, Finger, kleine Trommel unterer Rand; Schlag 5: rechte Hand, Finger, kleine Trommel unterer Rand; Schlag 6: linke Hand, Finger, kleine Trommel unterer Rand. Das wird immer wiederholt. Irgendwann war uns die Abfolge in Fleisch und Blut übergegangen und wir wurden immer schneller. Unsere drei Marokkaner lobten uns dafür, wollten Susanne gleich für den nächsten Abend, da behalten.
Als sie unsere Fortschritte registrierten, bekamen wir weitere Trommelschläge gezeigt. Als alle anderen Nationalitäten bereits in ihrem Zelt verschwunden waren, saßen wir drei Deutschen noch immer an den Trommeln und am sich dem Ende neigenden Feuer.
Kurz vor 23:30 Uhr verabschiedeten wir uns von unseren marokkanischen Trommlern und zogen uns ins Zelt zurück.
Sternenhimmel
Noch ein letzter, sehnsuchtsvoller Blick in den wolkenverhangenem Himmel. Doch was war das? Es zeigte sich ein Sternenhimmel, der so vor einer Stunde noch nicht zu denken gewesen war. Andrea und Susanne schauten mit mir ein paar Minuten nach oben. Ich holte dann doch noch mal die Kamera und suchte mir ein dunkles Plätzchen, wo ich ohne Stativ möglichst gute Aufnahmen machen könnte. Die Milchstraße wurde immer deutlicher erkennbar, die Sternbilder verschwammen in der Vielzahl der am Himmel erscheinenden Sterne. Nur der Orion behielt seine relative Einzelstellung. Auch eine Sternschnuppe tauchte vor mir auf und fiel langsam gen Horizont.
Im Zelt bezog ich ein Bett möglichst weit weg von Susanne und Andrea, denn ich wollte mir unbedingt noch die Aufnahmen anschauen. Das Licht des Displays sollte nicht stören. Ich war ganz beseelt. Bei den Langzeitbelichtungen zogen auch immer mal wieder Wolken vor die Sterne. Interessanterweise sind diese auf den Fotos ganz klar abgrenzbar von der Milchstraße. Während die Wolken rötlich erscheinen, ist die Milchstraße weiß. Ich konnte meinen Blick kaum lösen, doch irgendwann musste auch ich die Augen schließen, um am nächsten Tag den Sonnenaufgang in der Wüste erleben zu können. Die Sachen blieben komplett angezogen. Lediglich das T–Shirt tauschte ich gegen ein Schlafshirt. Nur nicht frieren.
Aufbruch: | 10.11.2019 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 24.11.2019 |