Marokko - ein Märchen aus 1001 Nacht
Tag 4 – Meknès, Rabat und Casablanca
Erwachen und Frühstück
Andrea war schon weit vor dem Weckerklingeln von Hühnergegacker und vor allem vom sehr lauten Rufen des Muezzin erwacht. Ich hatte sie gestern gebeten, mich erst um halb acht zu wecken, was sie auch tat. Ganz leicht war es aber nicht. Dennoch stieg ich letztlich so auf, dass noch ein Blick vom Balkon auf den schönen Vollmond in der Morgendämmerung möglich war und ich kurz nach 08:00 Uhr beim Frühstück saß. Andrea und ich haben zwar nicht gar nichts gegessen, wie gestern Abend noch gemeint, doch es hielt sich in Grenzen.
Meknès
Pünktlich um 08:30 Uhr startete unser Bus. Heute begleitete uns Idriss als örtlicher Reiseleiter. Auch er sprach deutsch und hat früher in Meknès gewohnt, kennt sich also in der Stadt gut aus.
Meknès selbst wurde zweimal durch ein Erdbeben zerstört –1755 und 1882..
Auf einer Anhöhe legten wir einen kurzen Fotostopp ein. Beim Anblick der uns in der Morgensonne zu Füßen liegenden Stadt wurden die Auslöser sehr häufig betätigt.
Wir fuhren weiter bis zum Bassin l‘Aguedal, das unter Moulay Ismaïl inmitten der Kasbah erbaut wurde und als Wasserspeicher dienen sollte. Es hat eine Oberfläche von fast 5 ha (50.000 qm). An seinem Rand befinden sich die Ruinen des Heri es–Souani, einem Getreidespeicher. Wir verließen unseren Bus und liefen ein Stück am Rande des Bassins entlang. Mehrere Frauen hatten sich hier zum Frühsport zusammen gefunden und turnten eifrig. Beim Blick auf die Stadt linkerhand, erregte jedoch etwas ganz anderes unsere Aufmerksamkeit. Auf den ehemaligen Palästen der Konkubinen des Königs – er hatte 4 Hauptfrauen und 500 Konkubinen – saßen hunderte von Störchen, etliche von ihnen in den Baumwipfeln, die diese Gebäude umgeben. Auch hier waren die Auslöser der Kameras im Dauerbetrieb.
Dann fuhren wir ein kurzes Stück weiter Richtung Königstadt. Dort stiegen wir aus und schlenderten zu Fuß weiter. Am Straßenrand sahen wir alte Männer, die einer Arbeit nachgingen. Eine riesige Matratze wurde von einem von ihnen mit Kunstfasern gestopft. Die anderen saßen um ihn herum, erzählten und lachten. Wir durchschritten die Tore und befanden uns in der Königsstadt. Unser Spaziergang dauerte nicht lang. Nach 20 Minuten waren wir am Bab el Mansour angekommen, diesem prächtigen Tor, wo wir bereits gestern waren. Hier verabschiedeten wir uns von unserem lokalen Reiseführer und um 10:00 Uhr saßen alle im Bus, der nun mit uns in ein Industriegebiet fuhr, vorbei an einem im Jahre 1912 gegründeten Pferdegestüt, das heute 230 Pferde hält und Pferdezuchtbetrieb betreibt.
Let girls learn
Auf unserem heutigen Weg von Meknès nach Rabat stand der Besuch einer Teppichknüpferei auf dem Programm, die Teil des von Michelle Obama für ganz Afrika initiierten Projektes „Let girls learn“ ist. Hier wird jungen Frauen die Möglichkeit gegeben, das Teppichknüpfen zu erlernen, eines der ältesten Handwerke der Menschheit. Die Mädchen und Frauen erreichen hier ein unterschiedliches Niveau ihrer Fertigkeiten. Vom Lehrling bis zur Meisterin ist alles vertreten. Manch Eine arbeitet an wahren Kunstwerken. So haben wir einen reinen Seidenteppich bestaunen dürfen, der das letzte Abendmahl zeigt. Für diesen etwa 50x70 cm großen Teppich benötigt eine Knüpferin 32 Monate. Für einen mindestens doppelt so großen Teppich mit gleichem Motiv, jedoch aus Bio– Baumwolle hergestellt, werden nur 7 Monate benötigt. Und am Niveau der Arbeiterin orientiert sich auch ihr Lohn. So bekommt ein Lehrling 100 € im Monat, die Meisterin 500 €. Darüberhinaus sind sie sozialversichert hinsichtlich Renten– und Krankenversicherung inklusive Mutterschutzleistungen. Und sogar ihre Familie ist abgesichert, also auch die Eltern. Das ist eine große Seltenheit in Afrika. Außerdem lernen sie hier auch lesen, schreiben und rechnen. Da etwa 75% der Besucher aus dem deutschsprachigen Raum hierher kommt, sprechen viele der Frauen wenigstens ein paar Worte deutsch. Leider wurde das Projekt mit der Präsidentschaft von Donald Trump eingestampft in Afrika. Nur in Marokko wird es noch weitergeführt bis 2021, allerdings unter der Schirmherrschaft einer anderen Stiftung. In den letzten fünf Jahren wurden hier 3.000 Frauen ausgebildet.
Wir erfahren den Unterschied zwischen einfachen und doppelten Knoten und wir durften selbst Hand anlegen. Nach einigen Versuchen sind mir die Doppelknoten tatsächlich gelungen. Meine „Lehrerin“ ließ meine Fäden allen Ernstes in dem von ihr gerade bearbeiteten Teppich und klopfte sie fest. Das verstand ich nicht, denn ich hatte zwischendurch mit einem schwarzen Wollfaden gearbeitet, der nun mitten zwischen den hellen Wollfäden geknüpft war. Also entweder fällt das später bei der Dichte der Knoten je Quadratzentimeter gar nicht mehr auf, oder sie fummelt es wieder raus, wenn die Besucher in den Verkaufsräumen sind. Wir erfuhren aber auch, was es bedeutet, wenn Teppiche echt handgeknüpft oder handgefertigt sind. Die handgeknüpften werden tatsächlich mit der Hand geknüpft, bei handgefertigten Teppichen werden die Fäden mit einer Teppichpistole hineingeschossen. Diese Fäden können relativ leicht herausgezogen werden.
Der Preis eines Teppichs bemisst sich sowohl am verwendeten Material ( Seide, Bio–Baumwolle, merchanisierte Baumwolle, Schafwolle, Angorawolle, Ziegenhaar…), den Farben und der Anzahl der Knoten je Quadratzentimeter. Wir haben Teppiche aus sämtlichen Materialien befühlen und auf Strümpfen begehen dürfen. Was für Unterschiede! Je nach Fettanteil der Wolle unterscheidet sich auch die Qualität. Die Wolle mit nur 20% Fett gibt Fasern beim Benutzen ab. Irgendwann ist der ganze Flor weg und man hat einen Kelim – einen Flachteppich. Je höher der Fettanteil, desto strapazierfähiger ist der Teppich. Wir Deutschen getrauten uns kaum sie mit Schuhen zu betreten. Doch wir durften und sollten es ruhig tun. Es ist ein Gebrauchsgegenstand. Die strapazierfähigsten sind nahezu unempfindlich gegenüber Schmutz, da dieser durch den hohen Fettanteil weniger Chancen hat, in die Faser einzudringen. Die Farbe wird hier aus der Natur gewonnen. Das, was uns erzählt wurde, weckte meine Erinnerungen an bereits in der Türkei besuchte Manufakturen. Natürlich war es eine Verkaufsausstellung. Und so hatten wir eine Stunde Zeit, uns etwas auszusuchen. Ich zog es hingegen vor, mich mit einem noss noss in die wärmende Sonne nach draußen zu verziehen. Aber kein Grund zu schlechtem Gewissen – es wurden einige Käufe getätigt. Dennoch – wenn Platz, Ambiente und Geld vorhanden wären – ich könnte wohl kaum widerstehen. Allein, ich könnte mich nicht entscheiden....
Mittag und Rabat
Anschließend fuhren wir zu unserem heutigen Mittagessen. Ich nahm eine Kleinigkeit zu mir und setzte mich dann in der herrlichen Garten in die Sonne. In den beiden Swimmingpools war jedoch kein Wasser mehr drin. Also lief ich auch nicht Gefahr, mich erfrischen zu wollen. Kurz kam mir der Gedanke, dass ich wohl besser heute früh etwas Sonnencreme aufgetragen hätte.
Als wir alle wieder im Bus waren, entschied ich mich für einen Mittagsschlaf. Damit verpasste ich zwar die vielen Eukalyptusbäume und den viertgrößten Korkeichenwald der Erde, in dem Schafe und Rinder weideten, aber man kann eben nicht alles haben. Korkeichen hatte ich in Portugal schon gesehen und begnüge mich nun mit den Fotos von Andrea.
Nach etwa zwei Stunden Fahrt erreichten wir Rabat – die Hauptstadt Marokkos. Ein erster Stopp führte uns zu dem Amtssitz des Königs. Hier konnten wir Außenaufnahmen vom Gebäudekomplex machen. Doch die Sonne stand genau hinter dem Komplex, so dass ich mir die Gegenlichtaufnahmen auch hätte sparen können.
Als wir wieder am Bus waren, riefen gerade die Muezzine zum Gebet.
Nach etwa 10 Minuten Fahrt hatten wir das Mausoleum Hassan des II. erreicht. Im 12. Jahrhundert wollte hier der Sultan Yacoub el–Mansour eine Moschee errichten mit einem 88 Meter hohen Minarett. Doch als er starb, war das Minarett erst 44 m hoch und die Moschee noch nicht fertiggestellt. Nun ist es hier üblich, dass kein König das unvollendete Werk eines anderen Königs fortsetzt. Aus diesem Grund ist das Minarett nach wie vor 44 m hoch, die Moschee nur durch Säulen erkennbar. Seine Moschee sollte größer werden als die von Córdoba, stand aber im krassen Missverhältnis zur damaligen Einwohnerzahl von Rabat. Vor dem Minarett (Hassan–Turm) befindet sich ein wunderschöner Brunnen.
Gegenüber dem Minarett ist heute eine neue Moschee. Rechts daneben befindet sich ein Museum. Links neben der neuen Moschee ist das Mausoleum mit den Grabmalen vom Großvater des heutigen Königs, Mohammedia V., seinem Vater, Hassan II. und seinem Onkel. Leider konnten wir keinen Blick hineinwerfen, da das Mausoleum wegen eines offiziellen Besuches für die Öffentlichkeit geschlossen war. Schade.
Das gesamte Areal wird von einer Ehrengarde bewacht. Draußen sitzen sie auf Grauschimmeln und werden nach 90 Minuten abgelöst. Die Ehrengarde vor dem Mausoleum wird nach zwei Stunden abgelöst.
Casablanca
Nun lag die Fahrt nach Casablanca vor uns. Etwa 1 3/4 Stunden könnte sie dauern. Wir warfen letzte Blicke auf Rabat und den Fluss Wadi Bou Regreg, der direkt in den Atlantik fließt. Fischerboote, Jetski, am Ufer entlang flanierende Menschen und an der Mündung zum Ozean eine enorme Brandung sind das, was ich als Bild mitnehme. Eine ganze Weile führte die Straße direkt am Atlantik vorbei. Die Wellen waren mächtig und ich fühlte mich sofort an Nazaré in Portugal erinnert.
Später durchfuhren wir eher landwirtschaftlich geprägte Gegenden, bevor die Metropole sich mit vielen Neubauten, aber auch Slumähnlichen Arealen ankündigte.
Casablanca erreichten wir kurz vor 19:00 Uhr, bezogen unser Zimmer und gönnten uns zunächst einmal auf dem Balkon einen Schluck unseres marokkanischen Rotweins. Plötzlich entdeckte Andrea in ihrer Blickrichtung den buttergelb aufgehenden Mond. Er war riesig! Und wenig später hatten wir einen super Vollmond, der natürlich umgehend mit den Kameras festgehalten wurde. Wie gut, dass wir nicht gleich zum Abendessen gestürzt waren. Beim Abendessen habe ich mich dann bei all den Leckereien doch mal wie der nicht so zurückgehalten, wie ich es wollte. Auch Andrea überlegte, heute Abend ein paar Verdauungstropfen zu nehmen. Aber vielleicht würde ja ein kleiner Spaziergang schon helfen? Also zogen wir in den 17 Grad lauen Abend. Den Atlantik hatten wir uns als Ziel gesetzt. Und ganz ohne Stadtplan, immer schön dem Gehör nach, standen wir kurze Zeit später auf der Strandpromenade. Jetzt bloß nicht an Deutschland denken. Es handelt sich eher um einen Boulevard an einer der Hauptstraßen. Egal. Vergebens suchten wir nach einer Möglichkeit, ans Wasser zu kommen. Überall Bars und Restaurants oder auch Clubs, die ihren Mitgliedern Zutritt zum Strand gewähren. Wir sahen viele Swimmingpools am Strand und wir vermuten, dass ein bad im Ozean hier einfach nicht möglich ist. Da dachten wir, es gibt ja auch hier in Casablanca bestimmt auch eine Medina. Dann gehen wir eben dorthin. Wir sprachen ein junges Pärchen darauf an und man wies uns den Weg. Nach der Entfernung befragt, hörten wir, die Altstadt sei etwa 6 bis 7 km entfernt. Hm. Das war uns dann doch zu weit zu laufen. Also schlugen wir die Gegenrichtung ein und fanden letztlich tatsächlich Punkte, an denen man ans Wasser kam. Besonders verheißungsvoll war es in der Dunkelheit da unten jedoch nicht. Herrenlos umherstreunende Hunde machten die Angelegenheit auch nicht besser. Schließlich kehrten wir um.
Naja – war also nicht so toll, unser Ausflug ins Casablanca bei Nacht. Doch wir haben ja noch immer einen Rest von unserem Wein und sitzen nun auf dem Balkon, schreiben, trinken und genießen die immer noch laue Nacht.
Aufbruch: | 10.11.2019 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 24.11.2019 |