Corona-Spaziergänge vor Ort

Reisezeit: Mai 2020 - Juni 2021  |  von Herbert S.

Aachen-Kornelimünster und eine Ausstellung

Ein Museum in der alten Klosterresidenz

Die Mitteilung einer Ausstellungsverlagerung in der Lokalpresse veranlasst uns, den Ortsteil Kornelimünster nochmals aufzusuchen.
Das Kunsthaus NRW in Aachen-Kornelimünster hat aus der Not der Beschränkungen, die die Pandemie derzeit wieder aller Museen auferlegt, eine Tugend gemacht: Die diesjährige Sammlungsausstellung wurde kurzerhand auf das Thema Skulptur ausgerichtet und nach draußen verlegt. Der wunderschöne ehemalige Abteigarten, der das Kunsthaus umgibt, wurde kuratorisch ins Visier genommen und behutsam neugestaltet - als Fläche für das Zusammenwirken vor Kunst und Natur sowohl Novum als auch ein wirkliches Highlight für die Region.
(aus AZ vom 1.5.21)

ehemalige Reichsabtei

Die Abtei Kornelimünster wurde um 814 von Benedikt von Aniane (750–821) und Ludwig dem Frommen als Monasterium ad Indam gegründet und war zunächst als Monasterium Salvatoris ad Indam – „Erlöserkloster an der Inde“ – oder auch kurz als Inda bekannt.
Das Kloster erlebte in rund 1000 Jahren eine wechselvolle Geschichte. Zwischen 1792 und 1794 flohen die Mönche mehrmals vor den einrückenden französischen Revolutionstruppen. 1802 wurde die Abtei schließlich wie alle Klöster im Rheinland durch Napoleon aufgelöst.
Die Abteigebäude wurden 1807 an den Fabrikanten und vormaligen ersten Maire Aachens, Jakob Friedrich Kolb, verkauft, der die Residenz des Abtes als Landsitz bezog und in den Nebengebäuden eine Tuchfabrik einrichtete.
Im Jahr 1874 wurden die Abteigebäude schließlich an den preußischen Staat, der dort ein katholisches Lehrerseminar einrichtete.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Land Nordrhein-Westfalen Eigentümer der ehemaligen Reichsabtei Kornelimünster. Da 1802 die Abteikirche der katholischen Gemeinde als Pfarrkirche überlassen wurde, ist das Land lediglich Eigentümer des barocken fünfflügeligen Abteigebäudes mit zwei innenliegenden Höfen. Dazu gehören auch der große Vorhof der Abtei mit seiner einseitigen spätmittelalterlichen Bebauung und die sogenannte Immunitätsmauer, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtete „Turnhalle“ sowie eine spätgotische Doppeltoranlage vor dem linken Seitenflügel und die großflächigen Grünanlagen.
Seit 1976 beherbergt dieser repräsentative Bauteil die Einrichtung Kunst aus Nordrhein-Westfalen
(Ausschnitte aus Wikipedia-Artikeln)

mittelalterliche Torburg der Residenz

mittelalterliche Torburg der Residenz

Wir beginnen den ausgeschilderten Rundgang an der ehemaligen Turnhalle des Komplexes.

Hans Wimmer (1907-1992) - gesatteltes Pferd - vor 1963

Hans Wimmer (1907-1992) - gesatteltes Pferd - vor 1963

Jochen Pechau (1929-1998) - Hund - 1959

Jochen Pechau (1929-1998) - Hund - 1959

links. Freidrich Werthmann (1929-2018) - Traumsegel - vor 1960
rechts: Kurt Wolf von Borries (1028-1985) - Große Sitrzende (Desdemona) - vor 1962

links. Freidrich Werthmann (1929-2018) - Traumsegel - vor 1960
rechts: Kurt Wolf von Borries (1028-1985) - Große Sitrzende (Desdemona) - vor 1962

Im Apfelbaumgarten überrascht die Intervention Drachengestänge von Ulrike Möschel. Die kupfernen Rohre verändern sich im Laufe der Ausstellung,. so wie sich der Baum ändert, in dem die Arbeit hängt. Die Arbeit hat ihren Ausgang in einer Kindheitserinnerung an einen Lenkdrachen genommen. Im Atelier wurde daraus erst ein schwerer Drachen aus Stahl, dann eine ganze Fälle an Gestänqen, eine Raumzeichnung der Rauten. So wie sich die Umgebung des Drachengestänges verändern wird, hat die Künstlerin auch die Veränderung der Oberfläche des Kupfers im Laufe der Zeit als Teil des Werkes gedacht.
(Text aus Aússtellungstafel)

Ulrike Möschel

Ulrike Möschel

Während der 1970er und 1980er Jahre mieden Künstlerinnen, die menschliche Figur direkt darzustellen. Als Folge der Pop Art-Bewegung formten Kunstschaffende wie Ansgar Nierhoff Objekte wie die Hutschachtel, in der ein Hut liegt, der an einen wichtigen Lehrer dieser Zeit erinnert - an Joseph Beuys. Sein Verständnis von Skulptur als Gestalt eines sozialen Körpers findet Parallelen in der Konzeptkunst, in der die Plastik den Körper des Betrachters als Teil des Kunstwerkes einbezieht.
Text der Ausstellungstafel

Ansgar Niehoff (1941-2010) - Hutschachtel - 1971

Ansgar Niehoff (1941-2010) - Hutschachtel - 1971

ebenso überdimensional sind die an die Mauer angelehnten Spaten aus Edelstahl - Plastiken aus den 60er Jahren

ebenso überdimensional sind die an die Mauer angelehnten Spaten aus Edelstahl - Plastiken aus den 60er Jahren

Der »Obstgarten« bietet die Inszenierung eines modernen, geometrischen Skulpturengartens. Hier ist eine Gruppe von Edelstahlplastiken ausgestellt, deren Formen das Sonnenlicht reflektierend einfangen. Sie zeigen die klassische, abstrakte Formensprache der 1960er Jahre - ein Spiel geometrischer Formen Edelstahl ersetzte in dieser Zeit Bronze als Material für Skulpturen im öffentli-chen Raum. Da das industriell produzierte Material als Synonym für den technischen Fortschritt gedeutet wurde, sind viele Kunstwerke auf öffentlichen Plätzen und Gärten daraus gefertigt.

William Brauhauser (1942-2006) - Hügelraumscheibe - 1975

William Brauhauser (1942-2006) - Hügelraumscheibe - 1975

Raimund van Well (1953-2017) - Treibholz - 2010

Raimund van Well (1953-2017) - Treibholz - 2010

Dirk Gottfriedt (*1944) - Raumplastik 2/75 - 1975

Dirk Gottfriedt (*1944) - Raumplastik 2/75 - 1975

Franz Rudolf Knubel (1938-2020) - Faber 15, Nr 1/6 - 1968ß

Franz Rudolf Knubel (1938-2020) - Faber 15, Nr 1/6 - 1968ß

Intervention Tanja Goethe
Die Künstlerin Tanja Goethe lässt die eisernen Säulen mit Hopfenpflanzen umranken, so dass ihre Form langsam verschwinden« In ihren Interventionen verwendet die Künstlerin ein in der Kunst außergewöhnliches Material, sie setzt Nutzpflanzen wie Hopfen oder auch wilde Pflanzen wie den Knöterich ein, um Orte durch minimale Eingriffe zu verändern.

Text der Ausstellungstafel

kleiner Innenhof der Abtei - mit den gußeisernen Säulen

kleiner Innenhof der Abtei - mit den gußeisernen Säulen

Zurück auf dem großen Teil des Gartens

Gereon Krabber (*1973) - Zeckli - 2010

Gereon Krabber (*1973) - Zeckli - 2010

Zwei sehr emsthafte Damen ist eine zeitgenössische Reaktion auf die Tradition des Experimentierens mit abstrakten Formen. Bei Schulze sind sie nicht monumental, nicht steinern. Die Künstlerin hat bewusst ein weiches Material» Keramik, genutzt und so ein Wechselspiel von malerischen Oberflächen und schattigen Höhlen geschaffen. Sie lädt ein, die Position als Betrachterin zu wechseln und sich auf Augenhöhe zu den Plastiken auf die Wiese zu setzen.
Text der Ausstellungstafel

Ulrike Schulze (*1985) - Zwei sehr ernsthafte Damen - 2019

Ulrike Schulze (*1985) - Zwei sehr ernsthafte Damen - 2019

Mitten auf den Weg, gegenüber der Torburg, hat Amit Goffer einen Bunker aus der Zeit des II. Weltkriegs gesetzt. In diesen patentierten Bunker konnte sich eine einzelne Person flüchten. Aus dem eng an den Körper angepassten Raum bietet nur noch ein enger Schlitz eine Verbindung mit der Umgebung. Auch über einen Schalter können Sie mit der Welt Kontakt aufnehmen und auf der Website sfeeplngfortomorrow.com Ihre Gefühle und Gedanken als Sprachbotschaft mit anderen teilen.
Text der Ausstellungstafel

Ähnliche Einmannbunker haben wir auf einer Rundreise in Albanien gesehen. Und auch in Kommern (Freilichtmuseum) ist ein solcher ausgestellt.

Amit Goffer (*1979) - Sleep for tomorrow - 2021

Amit Goffer (*1979) - Sleep for tomorrow - 2021

Unbekannter Kübnstler - Engel aus dem Garten einer Landesbehörde - 1960er Jahre

Unbekannter Kübnstler - Engel aus dem Garten einer Landesbehörde - 1960er Jahre

Bernhard Heiliger (1915-1995) - Traum I - vor 1964

Bernhard Heiliger (1915-1995) - Traum I - vor 1964

Im großen Innenhof der Abtei befinden sich noch einige interessante - nicht weiter beschriftete - Installationen

Nach dem Rundgang nutzen wir die Gelegenheit zu einem weiteren Rundgang durch den Historischen Ortskern und zum römischen Ausgrabungsfeld Varnenum.
dazu mehr im nächsten Kapitel

© Herbert S., 2020
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Als Vielreisende sitzen wir 'fest'! Für die Monate März und April sind die Menschen wegen des Kontaktverbots darauf angewiesen, sich zu Zweit (oder mit der Familie) zu bewegen. Wir nutzen die Zeit - wie so oft fährt man in die Ferne und schaut sich das Nahe kaum an! Jetzt haben wir Zeit. Wir beginnen mit der unmittelbaren Umgebung unseres Hauses, ziehen allmählich größer Kreise und schließen schließlich meinen ehemaligen Dienstort mit ein.
Details:
Aufbruch: Mai 2020
Dauer: 13 Monate
Heimkehr: Juni 2021
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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