Corona-Spaziergänge vor Ort

Reisezeit: Mai 2020 - Juni 2021  |  von Herbert S.

Würselen - Dinoeier

Ein vergleichsweise kurzer Spaziergang bietet sich an, um die schwarze, die rote und die weiße Halde am Osthang des Wurmtals nahe Würselen zu besuchen. Einsteigen kann man entweder oberhalb der Pumpermühle an der asphaltierten Straße, wo ein durch zwei Rohrbögen abgesperrter Fußweg abzweigt.
Dann befindet man sich im Prinzip schon auf den schwarzen Halde.
(Die andere Möglichkeit ist der Beginn im Wurmtal am Teuterhof - dort befindet sich auch eine Infotafel. Hier wäre der erste Blick auf die weiße Halde möglich)

alte Bergarbeitersiedlung an der Straße zur Pumpermühle

alte Bergarbeitersiedlung an der Straße zur Pumpermühle

Halde Gouley

Die Entstehung der Kohle
Vor ca. 300 Millionen Jahren lieferten mangrovenartige Urwälder, die sich damals im Raum um Aachen ansiedelten das Ausgangsmaterial für die Entstehung von Steinkohle. Das Meer, das sich damals periodisch von Großbritannien bis in den Eifelraum erstreckte, bedeckte diese Wälder, der daraus resultierende Abschluss von Sauerstoff bewirkte eine Inkohlung der organischen Substanz. Je länger die organische Substanz dieser Inkohlung unterlag, desto mehr ist sie mit Kohlenstoff angereichert worden und desto J hochwertiger ist die Kohle.
Das Aachener Revier
Vielen unbekannt ist die Tatsache, dass im Aachener Revier (12 Jh.) der erste Steinkohleabbau Europas erfolgte, somit mehrere Jahrhunderte vor der Abbautätigkeit im Ruhrgebiet (seit dem 14 Jh.). 1997 endete der Steinkohleabbau in diesem Raum, daraus resultieren etwa 15 Halden im Aachener Norden und Osten, die bis ins niederländische Limburg reichen.
Die Entwicklung der Halden
Die Halden haben sich auf Grund der spezifischen Bodenfaktoren, des besonderen Reliefs und des einzigartigen Mikroklimas zu einzigartigen Biotopen mit z. T. bedrohten Pflanzen- und Tierarten entwickelt. '

Bei der hier existierenden Halde Gouley handelt es sich um eine etwa 17 Hektar große Halde der Grube Gouley im Würselener Stadtteil Morsbach, mit deren Aufhaldung man im Jahr 1880 begonnen hat. Im Jahr 1969 wurde der Betrieb eingestellt, allerdings wurde später noch ausgebranntes Haldenmaterial abgebaut.
Flora und Fauna
Die Lage am östlichen Wurmtalrand, einem Gebiet mit besonders hohem Schutzstatus (FFH-Gebiet), macht die Halde Gouley Im Vergleich zu den anderen Bergehalden einzigartig. Die steilen und deshalb erosionsgefährdeten Hänge hat man im Rahmen der Rekultivierung aufgeforstet. Als Pioniergehölze hat man Erlen, Pappeln, Robinien, Birken, Wildbirnen und Ahorn angepflanzt. Die Südhänge wurden wegen der dort vorhandenen und wertvollen Trockenrasen-Bereiche nicht bepflanzt und sollen deshalb unverändert bleiben. Auf den Freiflächen der Halde findet man unter anderem die Wiesen-Glockenblume, die Gemeine Wegwarte, den Kleinen Wiesenknopf, verschiedene Königskerzen, das Tausendgüldenkraut und das kleine Habichtskraut.

Text der Infotafel am Aussichtspunkt der Halde Gouley

Freifläche der Halde

Freifläche der Halde

Steilhang der schwarzen Halde

Steilhang der schwarzen Halde

am oberen Rand des Steilhangs

am oberen Rand des Steilhangs

Hier begegnet man dann auch den ersten sog. Dinoeiern.
Im Zuge der Euregionale die Stadt Würselen (gemeinsam anderen Gemeinden im Rahmen des Projektes „Grenzland Wurmtal”) die 18 riesigen „Dinosauriereier” und zwei Aussichtsplattformen beigetragen. Die Platzierung der „Eier” sollen einen Weg durch die urzeitlich anmutende Landschaft weisen, und die Besucher auf die vom Pfad angelegten Wege leitent, um schützenswerte Landschaft unberührt zu erhalten.

Auf dem Plateau überraschen nun diese riesigen Eier (Gewicht ca 2 Tonnen), aus Granitstein von einem Bonner Werk gefertigt, glatt geschliffen, am Boden verankert und gegen Beschmierungen mit einer speziellen Aussenschicht versehen. Die Idee zu diesen Dino-Eiern hatte der Landschaftsarchitekt Norbert Kloeters. Er fand die konträre Landschaft von weißen Sodahalden und schwarzen Bergbau-Abraumhalden, black & white, derart skurril, dass er sich hier in eine urzeitliche Landschaft versetzt fühlte.

Das Projekt wird bis heute sehr kontrovers diskutiert. Von „faulen Eiern“ und Verschwendung von Steuergeldern war sogar die Rede. Die Fertigung der Eier hat immerhein über 30.000 ,- € gekostet.

Die weißen Eier sehen aus, als würden sie, wie richtige Eier, aus Kalk bestehen. Damit bringen sie den Bezug zu den unmittelbar angrenzenden weißen großflächigen Aufschüttungen neben der Kohlehalde. Auf dem Gelände einer alten Grube lagern noch heute die Abfallprodukte einer ehemaligen Sodafabrik, den Solvaywerken, die in den 1870er Jahren hier entstand. Die Kalkrückstände aus dieser Produktion wurden neben der Kohleabraumhalde aufgeschüttet.

Einige Jahre nach dem belgischen Chemiker Solvay, aber unabhängig von diesem, arbeitete Moritz Honigmann (1844-1918) ein Ammoniak-Soda-Verfahren aus, das sich als brauchbar erwies.
1871 beantragt er die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung einer Sodafabrik in Grevenberg (Würselen) Gegen die Fabrik regt sich Widerstand, der allerdings nach einem Gutachten eines Dr. Claßen (Chemiker) aus Aachen, der erklärt in einem Schreiben an den Würselener Bürgermeister Quadflieg, "dass die beabsichtigte Sodafabrikation ohne Bedenken concessioniert werden könne, weil dabei keinerlei Dämpfe entstehen könnten, welche der Nachbarschaft lästig oder der Vegetation schädlich würden". so dass weiterer (Gegen)-gutachten eingeholt werden. Schließlich im März 1873 wird die Sodafabrik genehmigt.
1912
Die chemische Fabrik Honigmann produziert schließlich bis 1912 , dann wird sie von der Deutsche Solvay-Werke AG aufgekauft, die im Jahre 1930 das Werk stilllegt.

Auf der infotafel am Teuterhof weist noch eine Abbildung auf eine weitere Grube hin, von der allerdings nichts mehr existiert. Aber auch eine Abbilung des Viadukts, der die Orte Kohlscheid und Würselen verband ist noch zu sehen.

er wurde 1967 gesprengt - heute wäre man wahrscheinlich froh eine solche Verbindung wieder aufnehmen zu können

er wurde 1967 gesprengt - heute wäre man wahrscheinlich froh eine solche Verbindung wieder aufnehmen zu können

© Herbert S., 2020
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Als Vielreisende sitzen wir 'fest'! Für die Monate März und April sind die Menschen wegen des Kontaktverbots darauf angewiesen, sich zu Zweit (oder mit der Familie) zu bewegen. Wir nutzen die Zeit - wie so oft fährt man in die Ferne und schaut sich das Nahe kaum an! Jetzt haben wir Zeit. Wir beginnen mit der unmittelbaren Umgebung unseres Hauses, ziehen allmählich größer Kreise und schließen schließlich meinen ehemaligen Dienstort mit ein.
Details:
Aufbruch: Mai 2020
Dauer: 13 Monate
Heimkehr: Juni 2021
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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