Corona-Spaziergänge vor Ort

Reisezeit: Mai 2020 - Juni 2021  |  von Herbert S.

Aachen - Ortsteil Soers - Gutshöfe II

Wir beginnen unseren Rundgang am Purweider Weg (wie Müschpark), passieren das Kloster Raphael (siehe Kapitel Tuchindustrie) und laufen über die lange Allee bis zur oberen Müsch.

Bereits 1686 wurde am Abhang des Lousbergs das Gut Müsch mit einer weitläufigen Nutz- und Parklandschaft angelegt. 1802 baute der Generalsekretär der französischen Verwaltung, Wilhelm Körfgen, das Gut zu seiner Sommerresidenz aus – es entstand der Müschpark, eine feudale Parklandschaft mitsamt Sommerhaus und Gewächshäusern. 1831 kaufte die Familie Johann Heinrich Kesselkaul (1791–1858), Inhaber der Aachener Tuchfabrik Kesselkaul, das Gut. In der Folgezeit hatte das Anwesen dann stetig wechselnde Eigentümer aus den Aachener Industriedynastien. Letzter privater Käufer war Eduard van Gülpen, der den Park 1866 durch den Düsseldorfer Hofgärtner Joseph Clemens Weyhe, Sohn von Maximilian Friedrich Weyhe, der bereits die Lousberganlagen errichtete, im Stil der Zeit gestalten ließ.

Gut Müsch - Strüverweg

Gut Müsch besteht aus drei etwas voneinander entfernt gelegenen Hofteilen: der oberen, der mittleren und der unteren Müsch. Im 18. Jahrhundert hatte Nikolaus Ortmanns die obere Müsch gepachtet und bewirtschaftete den Hof und seine Ländereien, ergänzt durch Land aus eigenem Besitz. 1791 stellte er einen Antrag an die Stadt, neben den bisher erworbenen zehn Morgen Land weitere drei Morgen für 625 Reichstaler zu kaufen und dabei 500 Reichstaler zu üblichem Zinssatz zu leihen. Am 16. Februar 1787 kauften Peter Josef Dominus Klever, die Erben Neusken und J. Mommer aus Aachen die „Mittelste Müsch" einschließlich rund fünf Morgen Wiesen- und Ackerland sowie Garten. Zweieinhalb Morgen ebenfalls zu diesem Hof gehörendes Land wurden am 18. März 1791 Eigentum des Fräulein Henrietta de Geyr.
Heute (1987) wird nur noch die untere Müsch landwirtschaftlich genutzt.

obere Müsch - 1864 – 1903 gehörte die „Obere Müsch“ der Familie Eduard van Gülpen, eine Aachener Tuchherstellerfamilie, die sie ebenfalls als Sommerresidenz nutzte.

obere Müsch - 1864 – 1903 gehörte die „Obere Müsch“ der Familie Eduard van Gülpen, eine Aachener Tuchherstellerfamilie, die sie ebenfalls als Sommerresidenz nutzte.

mittlere Müsch - unterhalb (außerhalb des Parks)

mittlere Müsch - unterhalb (außerhalb des Parks)

untere Müsch

untere Müsch

Gut Strüver - Strüver Weg 41

Folgen wir dem Strüverweg zum Gut Strüver - Ersterwähnung vor 1771; weiß geschlämmte vierflügelige Hofanlage in Backsteinbauweise mit zweigeschossigem Wohnhaus; 1980er Jahre grundlegend saniert -
Heute beherbergt der Hofeinen Hofladen, den seit Jahre die Familei Brüsseler betreib.

Nach einer Kurve öffnet sich der Blick auf Gut Poch, Gut Bau und die Stockheider Mühle(v.l.n.r)

Gut Bau - Strüver Weg 75

Ersterwähnung vor 1771; erbaut auf älteren Fundamenten als dreiflügeliger Hof in Backsteinbauweise mit zweigeschossigem Herrenhaus; alle Bauteile sind mit Satteldächern gedeckt; heute u. a. Kindertagesstätte und Atelier.

Gut Bau liegt am Strüver Weg, in unmittelbarer Nachbarschaft der Höfe Poch, Strüver und der ehemaligen Stockheider Follmühle. Früher hieß diese Straße nach der ehemaligen Pochmühle (so wurde die Stockheider Follmühle zeitweise auch genannt) Pocher Weg. Er bildete eine Verlängerung der Kupfergasse, die über die Buchenallee und durch die Wiesen von Gut Müsch verlief.
Über die Kupfergasse wurden der Pochmühle im 16. Jahrhundert bis zu zehn Karren Kupfer täglich angeliefert, die zu Fertigfabrikaten aus Kupfer und Messing verarbeitet wurden. Bau, Poch und die Mühle unterstanden oft demselben Eigentümer. Eine bauliche Verwandtschaft mit den Höfen Poch und Strüver läßt sich bei Gut Bau nicht verleugnen.
Das Herrenhaus von Gut Bau wird erstmals in den Katasterunterlagen von 1859 erwähnt. Der Ursprung des Hofes liegt jedoch vor dem Jahr 1760, wie uns eine alte Karte von der Soers beweist. 1891 erwarb der Färber Theodor Rzehak aus Eynatten (Belgien) neben der Mühle auch Gut Bau und verbrachte dort etliche Jahre. Seit 1917 wurde Gut Bau von Heinrich Jünger und später von seinem Sohn Leo bewirtschaftet.
Der Hof umfaßte 50 Morgen Acker- und Weideland, Obstwiesen und Gemüsefelder. Direkt gegenüber der Stockheider Follmühle liegt zwischen Ober- und Unterlauf des Wildbaches ein damals zu Gut Bau gehöriges, künstlich bewässerbares Feld, das bis zu drei Ernten im Jahr erbrachte. 1958 verkauften die Erben von Theodor Rzehak Gut Bau an die Firma Rheinbraun, die es 1960 an Familie Wynands von Gut Heide abgab, um es gegen Land der Familie in Lürken zu tauschen.
Ebenfalls 1960 mußte Leo Jünger die Bewirtschaftung von Gut Bau aufgeben, weil sich wegen Landverlustes durch die Flurbereinigung die Landwirtschaft nicht mehr lohnte. Danach diente Gut Bau nur noch als Wohnhaus für später bis zu zehn Familien und verfiel zusehends.
1984 kaufte Bernd Deubner den Hof und baute die Scheune mit Hilfe freiwilliger Arbeitsstunden der beteiligten Eltern zu einem freien Kindergarten um, der im Juni 1985 mit seiner Arbeit begann.

Gut Poch - Strüver Weg 72

urkundlich 1760 eingetragen - Heute Landwirtschaft mit 'Bonnie's Hofladen

An der Stockheider Mühle (siehe Kap. Tuchindustrie) biegt ein schmaler Feldweg links ab, der nach wenigen Metern über den Wildbach führt und diesem folgt bis zur Speckheuer Follmühle in der Rütscher Straße.

Brücke über den Wildbach mit einem Wehr, das früher dazu benutzt wurde, um den Teich an der Stockheider Mühle zu 'bedienen'

Brücke über den Wildbach mit einem Wehr, das früher dazu benutzt wurde, um den Teich an der Stockheider Mühle zu 'bedienen'

Die Speckheuer Follmühle am Wildbach nutzte dessen Wasserkraft seit dem 16. Jahrhundert, zuerst als Kupfermühle, später als Nadel-, Schleif- und Poliermühle. Später wurde eine Walkmühle, Wollspüle und Färberei daraus. Noch bis 1959 bestand hier eine Streichgarnspinnerei.

Gut Eiche - Rütscher Straße 257

Biegt man links in die Rütscher Straße ein und folgt der Straße bis zur Steigung zum Lousberg, so erreicht man Gut Eich.

Am Fuße des damals noch unbewaldeten Ludwigsbergs oder Lölsbergs liegt das Gut Eiche. Mitte des 18. Jahrhunderts bestand es aus zwei Zimmern mit gemeinsamem offenem Kamin, einem kleinen Kellergewölbe und einem kleinen Stallgebäude. Eigentümer war der Kanonikus Moss zur Eich. Die genaue Zeit der Erbauung ist unbekannt, aber auf der Karte des Servis-Hauptregistrators Reiner Josef Scholl von 1760 ist der Hof bereits eingezeichnet. Möglicherweise sind die Reste der Bruchsteinmauern im Inneren des Gebäudes wesentlich älter.
Zum Gut gehörten damals außer dem Haushort (=Garten) fünf Morgen hofeigene Wiese (Eicher Bend) und sechs Morgen als Pfründe vergebenes Eigentum von St. Adalbert in Aachen. Eine Pfründe ist ein Wert (Hofstelle oder Land), der einem von der Kirche Bevorzugten, einem Kanonikus etwa, geliehen wird. Dieser kann dann Pacht oder Lehensgüter aus dieser Pfründe beziehen. Verstirbt der Kanonikus, gehen die Pfründe an die Kirche zurück.

Gut Hausen - Hausener Gasse 29-31

Wir gehen jedoch zurück und folgen dem Pfad an der Speckheuer Follmühle weiter - unterqueren die Schnellstraße, wo wir auf dem Kamm des Rückhaltebeckens für den 'wilden' Wildbach nach links weiterlaufen und schließlich Gut Hausen erreichen .

Gut Hausen besteht aus einer Verbindung von Schloß und Bauernhof. Dabei wird wieder die bei allen größeren Gehöften zu beobachtende scharfe Trennung von Herrenhaus und Pächterwohnhaus beziehungsweise Wirtschaftsgebäuden deutlich. Das Schlößchen befindet sich links vom Eingangstor des Hofes und ist an der Nord- und Ostseite von einem kleinen Park umgeben. Die Kreuzsprossenfenster mit Blaustein-Einfassungen deuten auf das 18. Jahrhundert hin. Angrenzend an das Schlößchen liegt noch ein kleiner Fachwerkbau, der aber erst nach 1945 entstand.
Der Bauernhof besteht aus vier Flügeln, die den Innenhof quadratisch umrahmen. Zum Teil sind noch Bruchstein-Reste in der Außenmauer vorhanden, die mit ihren Schießscharten den einstigen wehrhaften Charakter bezeugen. Alle vier Gebäudeflügel sind mit Jahreszahlen geschmückt, die aus Eisenankern geformt sind. Im Nordflügel, der die Jahreszahl 1575 trägt, findet sich ein Doppelwappen der Klara von Busek, genannt Münch, und des Dietrich von Tomberg, genannt Worms zu Bodenheim. Der dreigeschossige Westflügel, der die Jahreszahl 1649 aufweist, trägt über der Eingangstür zum Pächterhaus vier Ehewappen der Ahnen der Familie Robert von Wachtendunk.

Das Schloss wurde im 13. Jahrhundert erbaut und gehörte bis zur Säkularisierung 1803 dem Aachener Münsterstift. Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert wurden verschiedene Teile erweitert und verändert.

Durch den Bau der Schnellstraße (Aachen -Kohlscheid) wurde ein Teil des Bahndamms der ehemaligen Linie Aachen-Mönchengladbach unterbrochen, so dass leider keine direkte Verbindung für Wanderer zum Lousberg mehr besteht.
Am Ende des Weges hinter Gut Hausen kann man jedoch auf den Bahndamm hinaufsteigen und ihm Richtung Westen bis zur Schloßparkstraße folgen, wo er nochmals unterbrochen wurde.

An der Schloßparkstraße findet sich dann am nördlichen Hang des Bahndamms ein Durchlass für den Wildbach, der im Kapitel Tuchindustrie beschrieben wird.

Groß-Beulardstein - Schloßparkstr. 93

Der Ursprung dieser ehemaligen Wasserburg liegt vor dem 15. Jahrhundert, als der Aachener Schöffe Johann Beulart im Jahre 1400 rund 60 Morgen Land aus dem Schönauer Besitz kaufte und es im Jahre 1423 der vierflügeligen, damals von Wasser eingerahmten Hofanlage zuordnete. Die Bogenbrücke über dem inzwischen trockenen Wassergraben ist bis heute erhalten.
Am 1. Juni 1772 kauften der Major von Trautenberg und der Schöffe Johann von Pel-ser „Zum Groß Beulardstein" einschließlich fast 100 Morgen Weide- und Ackerland. Der aus Bruchsteinen erstellte Eckturm und der Torbau betonen den Verteidigungscharakter des im 16. Jahrhundert baulich ergänzten Hofes. Eisenanker auf dem nach Osten gehenden zweiflügeligen Wirtschaftsgebäude weisen auf die Jahre 1668 und 1686 hin. Vor dem Tor steht auf einem Keilstein die Jahreszahl 1609.

Geht man die Schloßparkstraße weiter nordöstlich bis zum Ende , so ereicht man den Endpunkt unseres vorherigen Rundganges.

© Herbert S., 2020
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Als Vielreisende sitzen wir 'fest'! Für die Monate März und April sind die Menschen wegen des Kontaktverbots darauf angewiesen, sich zu Zweit (oder mit der Familie) zu bewegen. Wir nutzen die Zeit - wie so oft fährt man in die Ferne und schaut sich das Nahe kaum an! Jetzt haben wir Zeit. Wir beginnen mit der unmittelbaren Umgebung unseres Hauses, ziehen allmählich größer Kreise und schließen schließlich meinen ehemaligen Dienstort mit ein.
Details:
Aufbruch: Mai 2020
Dauer: 13 Monate
Heimkehr: Juni 2021
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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