"Shanghai'd in Shanghai" oder "In China wasch´ ich Waschmaschinen"

Reisezeit: September 2011 - März 2012  |  von Fanny Schmidt

06.12.2011 Wischi-waschi Tempelfett

die blöde Kuh

die blöde Kuh

DUCKLING

DUCKLING

Waschen für Anfänger

"Ich wasche meine Haare- die Haare und die Ohren auch
Ich wasche meine Haare - die Haare und die Ohren auch
Wischi wischi waschi wischi die Haare und die Ohren auch."

Wischi waschi zuviel Haschi genaschi oder wie?
Das Lied ist von einem Mann. Kinder sollen ihre Erfahrungen und alltäglichen Freuden in seinen songs wieder finden. Hmmmm. Schon klar. Und nun malen wir noch einen Sack Kartoffeln und stimmen alle fröhlich ein - Waldorf lässt grüßen. Hier in Shanghai. Und ich mitten drin. Summe kniend auf dem Balkon dieses pädagogisch gehaltvolle Stück vor meiner verhassten Haier-Toploading-KALT-Waschmaschine um sie per Musik und Meditation zur Arbeit zu animieren. Bei mir ist keine Spur von Freude zu finden - auch nicht, nachdem ich an der Seite einen herzförmigen, ausgeblichenen Aufkleber mit einer möglichen Bedienungsanleitung entdecke. Scheint Dänisch zu sein. Auf die höre ich mal gar nicht, die können doch nur Smørrebrød und zudem steht jetzt auch noch son kleiner Chinamann vor der Tür der nicht grad zur Grundstimmung beiträgt. Er hätte gerne die Stromrechnung der beiden Vorgängerkollegen ausgeglichen. Ich sage ihm, sie wären längst zurück im Bettenlager und er müsste sich bitte an eine andere Stelle wenden. Aber das will er alles nicht verstehen und meine Anspielung auf YELLOW-ÖKO findet er wohl auch nicht komisch. Tür zu, Affe tot und icke wieder zurück zu meinen Klamotten bzw. immer hin und her zwischen Balkon und Küche und Wasserkocher. Zwei bis vier heiße Füllungen kippe ich meist in das Monster (Danke an Gelachen-san für den Tipp) um so was wie eine Säuberung zu erreichen. Thank god das mich dabei niemand sieht.

Alle meine Sachen sind schwarz und fein oder sollte ich lieber sagen waren?? Nachdem sich das Waschbiest dann doch noch dazu herabgelassen hat, ihren Diensten nachzukommen, hätte ich ein weiße-Fussel-besetztes Seil daraus knoten und mich damit erdrosseln wollen. Nen Schnaps tat´s auch. Ein HOCH auf Haier mit Firmensitz in Qingdao. Konzentriert euch da hinten mal lieber auf die Bierproduktion ihr Technikgenies. Rülps.

"Das Wasser haftet nicht an den Bergen, die Rache nicht an einem großen Herzen".

Da irrst du mein lieber Konfuzius und deinem Kumpel Laotse kannste auch gleich mal Bescheid sagen...Nichts da "das Weiche besiegt das Harte" und son Kram. Mein Herz ist groß, manchmal geht's halt nur mit Gewalt und ich gehe genau jetzt schnurstracks ins Badezimmer und knöpfe mir Lockenstab und Wannenstöppel vor. Nehme Rache, gebe dem Stab noch eine Chance andernfalls fliegt er in hohem Bogen 26 Etagen tief. Damit er sieht wie ernst ich es meine, packe ich den undichten Stöpsel und schleudere ihn Richtung Müllsack. Jaaaa noch lachen Sockenkarussel und Clo-Pömpel ihre Freunde aus der Nasszelle aus...niiichht mehr lange. Guckt nur genau hin. Mein Amoklauf setzt sich fort. Tatort Küche. Fünf-Euro Toaster und Semmelbröselreibe zittern. Ein böser Blick reicht. Fürs erste. Das Besteck sollte sich lieber fürchten. Eine Nacht eingeweicht um Essensreste zu lösen....voller Rostflecken am nächsten Morgen. Die haben sich abgesprochen ich schwöre.
Der Staubsauger macht ebenfalls was er will - frisst die Fußleisten (zur Erinnerung: die mit Tesa-Film angeklebten). Dabei muss ich Beutel sparen..."Guten Tag ich möchte einen Staubsauger kaufen" - "Oh ja gerne wie wäre es mit diesem hier?" - "Den nehme ich, haben sie bitte auch Beutel dazu?" - "Nein, Beutel haben wir nicht und ich kann ihnen auch nicht sagen, wo sie welche bekommen". "Na gut, das macht nichts, ich werde im Anschluss in die Kitty-Hauptzentrale im LuXun-Park fahren und mir welche nähen lassen. Auf Wiedersehen und vielen Dank für die professionelle Beratung, so bin ich das gewohnt". "Gern geschehen, auf Wiedersehen".

Dann ist da noch unser Neuzugang. DUCKLING. Duckling ist gelb (was sonst) und hat sage und schreibe 600!! Watt. Duckling soll uns ein wenig unterstützen, jetzt wo es kalt wird draußen. Duckling steckt noch im Originalkarton aber ich habe jetzt schon Verbot, die kleine Ente zu benutzen wenn ich alleine zuhause bin - Wir haben bereits über mögliche Rettungsmaßnahmen im Brandfall gesprochen. Der Ausweg würde uns übers Dach führen da wir ja ganz oben wohnen. Dazu müsste ich dann im Vorfeld noch schnell Wäsche waschen, das Kletterseil aus dem Knotensalat herstellen, mich als John Wayne verkleiden und noch nebenbei einen Lassokurs absolvieren. Wahlweise ginge auch ´n MacGyver-Dress oder?
Jaaaa, nneeeinnn wir haben keine Heizung. Niemand hat eine. Wir haben umstellbare Klimaanlagen. Die machen warm jedoch auch Lärm. Tja, das Leben ist kein Ponyhof und man muss eine Entscheidung treffen. Wärme und Taubheit oder gut hören können wie man erfriert. (Der Frotteesackanzug-Kauf steht vor der Tür, die gibt's auch in groß und für die Herren als Pandakostüm sogar mit Öhrchen dran, ich denke es ist ein gutes Weihnachtsgeschenk....) In den Badezimmern sind Heizstrahler angebracht die dafür sorgen, dass man sich abwechselnd wie ein Grillhähnchen oder wie ein noch auszubrütendes Hühnerei fühlt.
Mario: "Fanny, hör auf zu putzen". Icke: "Wieso?" "Weil das Haus sonst zusammenfällt" (Nur mal zur Bildung eines Bildes )

Kurzer klugscheißeriger Einschub

Mal kurz ganz ernst:
Wir jammern auf hohem Niveau. Alles Quatsch und nicht der Rede wert was da oben geschrieben steht. Der normalsterbliche Chinese wäre froh in so einer Hütte wie wir sie aussuchen durften, zu wohnen. WG´s, Platzmangel, horrende Mieten bei kleinem Einkommen sind an der Tagesordnung. Staubsauger, 2 Badezimmer und Linoleumboden in beige wären ein Traum. Der Unterschied zwischen stinkreich und sauarm ist gravierend. Entweder du fährst nen fetten Straßenkreuzer oder du endest als Landei auch gerne mal als Prostituierte in einem der unzähligen Massage- und Friseurläden um (nachdem der Traum vom besseren Leben in Wunderland Shanghai in Seifenblasen zerplatzt ist), wenigstens den Goldeseln ein "happy end" zu bereiten und zu hoffen, das dich einer heiratet.
Das Schlimme daran: Die Eselkraulerinnen haben oft mehr Gehirn als ihr Patient und nur einfach Pech und keine Chance, weil sie da herkommen, wo sie herkommen.

Wohnzimmer

Wohnzimmer

Küche

Küche

Blick vom großen Balkon

Blick vom großen Balkon

Blick vom kleinen Balkon

Blick vom kleinen Balkon

Jing'an-Tempel

Jing'an-Tempel

singende Mi-Mönche die den Pappkartons das letzte Geleit geben

singende Mi-Mönche die den Pappkartons das letzte Geleit geben

...bevor es Diskussionen gibt: Das auf Buddhas Brust ist die SWASTIKA

...bevor es Diskussionen gibt: Das auf Buddhas Brust ist die SWASTIKA

Totengedenktafeln

Totengedenktafeln

Nudelmönche im Jing'an-Tempel

Jetzt wieder Schluss mit Sentimentalität und zurück zu Kunst und Kultur, sind ja nicht zum Spaß hier.

Am Samstag (03.12.) war herrliches Wetter. Kühl aber sonnig und mein Plan stand fest: Jing'an-Tempeltour mit anschließendem Streifzug durch die French Concession und der Idee im Kopf am Abend ins Theater zu gehen oder so. Mario hat voll Schiss bekommen, weil ich ihn schon in diverse "komische" Vorstellungen auf diesem Erdenrund geschleppt habe. Mir fällt mein Versprechen das zu lassen wieder ein und ich verwerfe die Eingebung. Er leidet noch immer unter der Kaschperleaufführung in Hanoi wo er in der ersten Reihe eingequetscht nur knapp ner Beinthrombose entgangen ist. Die Marionettenaufführung mit Folkloretänzen in Mandalay fand er auch richtig doof und dann gabs da noch Bonzo den Clown in Shanghai. Dafür kann ich aber nichts, da wurde er eingeladen. Ich glaube Bonzo mit seinem Winterprogramm hats damals auf ewig versaut.

Nun gut. Jing'an also. Tempel der Ruhe. Und Sitz der tibetisch-buddhistischen Mi-Sekte. (Nudelsekte??) Wir haben dann auch echt welche gesehen. Am Buddha-Grill stand nen Typ mit leeren Pappkartons. Sieben Zwerge sind dann kurz vom Mittagsschlaf hoch, haben für die Boxen gesungen ("With the fire from the fire works up above me. With a gun for a lover and a shot for the pain at hand. You run for the cover..." traallaaallaaa fällt mir ein vonne Gnadenschwestern) und dann hat sie der Grillmeister verbrannt. Hmm. Google gibt nichts über die MI´s her, es erscheint nur ne Information über Nackt-Yoga nehme an ich habe mich vertippt, wer also was weiß bitte kurze Info an mich. Cool.

Anfahrt: Mit der Metro. Direkt Jing'an tempel station aussteigen, Exit 1, Treppe hoch, links, da. 30 Kuai Eintritt und vorbei mit der Ruhe. Viel Beton, viele Touristen, viele Buddhastatuen, fast alles modernisiert aber dennoch sehr sehenswert. Noch mehr sehenswert aber noch voller ist im Übrigen der Jade-Buddha Tempel. Aber den kennen wir schon. Von damals.

Die große Kupferglocke im Tempelhof ist die Hauptattraktion. Die werde ich auch nie vergessen, das war nämlich so:

Mario: "Fanny?"
Ich: "Jaha?"
Mario: "Was bitte machst du da genau?"
Ich: "Ey man da liegt voll viel Kohle aufm Boden ´rum ich sammele die ein. Coool wa?"
Mario: Schweigen und Grinsen
Fanny: "Warum lachstn so?"
Mario: "Fanny?"
Fanny: "Jaha?"
Mario: "Das sind Glücks- und Spendenmünzen die die Leute in die Glocke schmeißen"
Fanny: "Oh"

PS: Als ich dann später das Fettnapffett abgeschüttelt hatte, habe ich uns von der Knete zu ner Nudelsuppe eingeladen und mich übelst abgefeiert. Und ich dachte, kennste einen Tempel kennste alle. Trugschluß.

Unterwegs konnten wir dann noch nen kleinen Autocrash beobachten. Mal wieder typisch...Immer schön an die Regeln und Vorgaben halten dann bin ich auf der sicheren Seite und brauche nicht selbständig denken. Ein Audi und ein Kleinlaster rollen im Schneckentempo auf der Strasse. Vorfahrt hat der Laster, der Audi beginnt aber schon aus 50 Meter Entfernung zu signalisieren, dass er wahrscheinlich noch vorher abbiegen wird. (Das ist normal im gelben Ländle, Verkehrszeichen sind nur eine freundliche Empfehlung. Auch für Fußgänger, wobei ich mir selbst geschworen habe, dass die nächste Karre die mich bei grün anhupt und mir den Weg nimmt meinen 6-er Träger Bier den ich vom Einkaufen nach Hause schleppe, auf der Motorhaube wieder findet. Sind doch hier nicht bei den Hottentotten sondern in der Volksrepublik.)
Unser regelfester Lasterfahrer besteht auf sein Recht und fährt dem Schönen in die Seite. Selten dämlich wo doch immer der Größere Schuld bekommt und blechen muss. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ooohhmmmm.

Audi mietz "Raudi"

Audi mietz "Raudi"

Shanghai Nights...

Shanghai Nights...

Kiosk

Kiosk

...ich liebe dieses Bild - alte Villa in der French Consession

...ich liebe dieses Bild - alte Villa in der French Consession

alle Donuts rein...soviel wie geht

alle Donuts rein...soviel wie geht

Konfuzius sagt:

Wer nicht in den Spuren anderer wandelt, gelangt nicht ans Ziel. Der Schüler soll den Meister perfekt kopieren, erst wenn Original und Kopie nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind, hat der Schüler das Ziel erreicht.

Ich frage mich:
Und was ist, wenn der Lehrer ein Idiot ist? Ist es nicht besser seinen eigenen Kopf zu haben?

PS: Einen schönen Nikolaustag allen. Habe Mario Bratreis in die Schuhe gesteckt, mal sehen wie er es findet.

Affenzirkus

Affenzirkus

© Fanny Schmidt, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Denn das Leben ist wie eine große Autobahn, Lass uns nicht lange überlegen, sondern los fahr'n. Wohin is egal und wo lang werd'n wir sehn, es wird immer weiter gehn...(Ohrbooten) Dieses Mal: Experiment China - Ein halbes Jahr Shanghai
Details:
Aufbruch: September 2011
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: März 2012
Reiseziele: China
Der Autor
 
Fanny Schmidt berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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