Solo durch Jamaika

Reisezeit: Oktober / November 2007  |  von Stefan O.

Ein beruflicher Aufenthalt in Florida brachte mich auf die Idee, meinen diesjährigen Urlaub jenseits des Atlantiks zu verbringen, da ich mit den USA aber nicht viel anfangen kann, suchte ich mir ein Ziel, an dem ich mich mit Sicherheit wohl fühlen würde.

Welcome to Jamaica

31. Oktober 2007

Miami Beach, zwei Uhr in der Nacht: Ich habe nur noch wenige Dollar in der Tasche und draußen an der abgelaufenen Parkuhr steht mein Mietwagen mit leerem Tank. Am Geldautomaten bekomme ich mit meiner Kreditkarte keinen Cent und um 10:55 Uhr geht mein Flug nach Kingston.

Ich hatte mir den Wecker gestellt, um meine Bank zu erreichen. Keinen blassen Schimmer, was hier abgeht! Um zum angemessenen Preis nach Deutschland zu telefonieren, benötigt man hier eine Phonecard. Die habe ich, aber dummerweise ist sie ausgerechnet jetzt leer. Also anziehen und raus auf die Straße. Ein Call-Center ist schnell gefunden. Bis ich wieder im Hotelzimmer bin, ist es schon halb drei. Erster Versuch: Fehlanzeige. In Deutschland ist nämlich nicht 8:30 Uhr, wie ich vermutet habe, sondern erst 7:30 Uhr. In Europa ist inzwischen Winterzeit. Noch mal pennen gehen lohnt sich nicht. Zum Glück finde ich noch ein letztes Becks in der Minibar. Na ja, in der Not frisst der Teufel Fliegen!

Inzwischen ist es drei Uhr. Das Bier ist alle. Ich auch. Ein neuer Versuch: Von der Bank höre ich, dass wohl Hotels und Autovermietungen teilweise den Betrag doppelt blocken. Verstehe ich nicht! Wie blocken? Sie reservieren sich zunächst den Betrag. Nach dem Abbuchen ist diese Reservierung aber noch aktiv, was bedeutet, dass derselbe Betrag noch einmal geblockt und damit nicht verfügbar ist. Helfen kann man mir aber zurzeit nicht, da sich noch niemand mit höherer Kompetenz im Hause eingefunden hat. Na Mahlzeit! Ich lege mich wieder aufs Ohr.

Um 6:10 Uhr klingelt der Wecker. Ich packe meinen Kram ein und ziehe mir noch das "kontinentale Frühstück" rein, bestehend aus Cornflakes und Kaffee. Wer weiß, wann ich zum nächsten Mal wieder etwas in den Magen kriege.

Ich versuche, meinen Wagen zu tanken, doch die Tanke akzeptiert meine Kreditkarte nicht, wie soll's auch anders sein. Ich opfere 20 meiner letzten Dollar und zahle bar. Nun aber ab zum Flughafen.

Die Fahrzeugübergabe findet einige Kilometer außerhalb des Flughafens statt und ich werde mit einem Shuttle zum Terminal gekarrt. Boarding ist in zwei Stunden. Genug Zeit es noch einmal bei der Bank zu probieren. Nach diversen Rücksprachen wird mir letztendlich hoch und heilig versprochen, dass mein Verfügungsrahmen erhöht werde, was etwa drei bis vier Stunden in Anspruch nehmen würde. Erleichterung! Damit könnte ich erst einmal leben.

Problemlos komme ich durch die Sicherheitskontrolle in Miami. Der Flug mit American Airlines verläuft ebenso unspektakulär und mit 10-minutiger Verspätung lande ich um 11:45 Uhr Ortszeit auf dem Norman Manley International Airport in Kingston. Dort heißt es erst mal Anstehen an der Passkontrolle - nicht wirklich anders als in Miami.

"Welcome to Jamaica", werde ich am Einreiseschalter von einer freundlichen Dame begrüßt. Im Gegensatz zu den USA habe ich hier den Eindruck, dass mir nicht nur leere Worthülsen aus irgendwelchen Benimmregeln um die Ohren fliegen. Weshalb ich hier bin? Weil ich beruflich in Miami zu tun hatte und anschließend noch ein paar Tage Urlaub machen möchte. Und da ich mit den USA nicht viel anfangen kann, bin ich nun hier. Das könne sie gut verstehen, sagt sie halblaut. Zu diesem Zeitpunkt ahne ich nicht, dass meine Haltung den Vereinigten Staaten gegenüber hier generell auf breite Zustimmung stoßen wird.

Während ich draußen vor dem Terminal auf den Driver warte, den mir Lennie vom Irie Rest Guesthouse in Treasure Beach schicken wollte, bieten mir zwei Taxifahrer höflich und unaufdringlich ihre Dienste an. Ich lehne dankend ab, doch auf meinen Fahrer warte ich die nächsten zwei Stunden vergeblich.

Ein bulliger Taxifahrer fragt mich später nach meinem Ziel. "Treasure Beach", gebe ich an. So langsam bin ich mir ziemlich sicher, dass hier irgendetwas schief gelaufen ist. Er wirft einen kurzen Blick in die Liste, in der diese Strecke mit 230 US$ angegeben ist. Ich biete ihm 150 US$, den Preis, den Lennies Fahrer wollte. Er verliert das Interesse an mir und überlässt mich einem netten älteren Kollegen. Dessen Name ist Jimmy, wie ich später erfahre. Da es inzwischen aber schon 15:00 Uhr ist und die Sintflut eingesetzt hat, hat auch Jimmy keinen Bock, mich heute noch nach Treasure Beach zu fahren, und schon gar nicht für 150 US$. Ich frage ihn nach einem günstigen Hotel in Kingston. Er wüsste da ein Gästehaus in Uptown, zirka 30 US$ pro Nacht und 25 US$ für die Fahrt dorthin. Das klingt nach 'nem Plan.

Inzwischen ist Kingston geflutet, so habe ich den Eindruck. Ich nehme Jimmys Angebot an. Er fährt mich - nein schwimmt mich - vorbei an zahlreichen Baracken, einem Hospital und einer Schule. Unterwegs warnt er mich vor Downtown. Erst gestern hätten sie wieder einen erschossen dort. Als ich ihm von meiner soeben beschlossenen Planänderung erzähle, morgen mit Bussen und Route-Taxis nach Treasure Beach zu fahren, erzählt er mir die Story von einem Fahrgast, den er des Nachts wieder auflesen musste, da er vom Route-Taxi irgendwo ausgesetzt wurde. Ihm gegenüber hätte er erzählt, er würde jemanden kennen in Kingston, was aber gelogen war. Wirklich beeindruckt bin ich davon nicht, trotzdem werde ich mir das noch einmal überlegen.

Draußen waten Menschen in ihren Sandalen durch die Fluten. Wir nähern uns dem Ziel, dem Union Square Guesthouse. Jimmy zeigt mir den Supermarkt und ein paar Fressbuden, für den Fall, dass ich Hunger kriege.

Im Gästehaus werde ich herzlich empfangen. Es hat eine kleine Lobby, ausgestattet mit einer Couch, einem Sessel und einem Fernseher. Und es hat eine kleine Bar. Es gibt Zimmer von 2.200 J$ bis 2.600 J$. Ich entscheide mich für das günstigste. Jimmy leiht mir sein Handy, damit ich im Irie Rest anrufen kann. Was da nun schief gelaufen ist, kann ich erst einmal nicht erfahren. Ich gebe an, morgen zu kommen. Inzwischen habe ich mich entschieden, mich von Jimmy fahren zu lassen. Vorausgesetzt, er macht mir den gleichen Preis, den ich aus Treasure Beach habe: 150 US$. Jimmy druckst rum, stimmt dann aber zu. Er will morgen um neun Uhr auf der Matte stehen.

Union Square Guesthouse

Union Square Guesthouse

Okay, erst mal zum Supermarkt. Dort gibt es einen Geldautomaten. Die drei bis vier Stunden sind nun mehr als um und der Verfügungsrahmen sollte nun wie versprochen erhöht worden sein. Irgendwie ahne ich es schon: Anstatt der Kohle spuckt der Automat einen Zettel mit der Aufschrift "No Funds" aus. Prima, tolle Bank! Da hocke ich nun in da fuckin' middle of Kingston und habe immer noch keine Kohle.

Zurück im Gästehaus lerne ich den Hausherrn kennen. Er ist sehr freundlich und kommunikativ. Ich frage ihn nach einem Internet-Café, woraufhin er einen Kumpel mit Internetzugang anruft. Leider ist dieser Kumpel derzeit nicht zu Hause und so verweist er mich auf das Pegasus-Hotel. Heute habe ich aber keinen Bock mehr, dorthin zu fahren. Draußen kübelt es, als gäbe es kein Morgen mehr. Ich genehmige mir erst eine Flasche des beliebten einheimischen Biers Red Stripe und quatsche ein wenig mit dem Hausherren. Er fragt mich nach meinen weiteren Zielen.

"Treasure Beach", sage ich. Ob ich dann weiter nach Negril fahre, will er noch wissen. "Nein, da sind mir zu viele Touristen", antworte ich. "Zu viele Amis", bringt er das Problem auf den Punkt. Ich erzähle ihm von meinem Plan, noch nach Port Antonio zu fahren und die Blue Mountains zu besuchen. "Eine gute Wahl", lässt er mich wissen.

Das Red Stripe ist alle. Nun habe ich die Wahl, entweder selbst etwas zu besorgen oder das letzte Heineken zu trinken. Ich entscheide mich für einen Sixpack Red Stripe aus dem Supermarkt.

Nachdem ich in der Lobby noch etwas ferngesehen habe, verkrümele ich mich einige Zeit später auf mein Zimmer. Dort packe ich erst mal meinen Lonely Planet aus, vielleicht finde ich raus, wo ich überhaupt bin. Draußen höre ich Gegröle und Gestampfe. In dem Wettbüro nebenan wird gerade ein Pferderennen gesehen und im Endspurt muss natürlich jeder seinen Gaul anfeuern. Das hört sich an, als würden sie jemanden verprügeln.

© Stefan O., 2008
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 31.10.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 19.11.2007
Reiseziele: Jamaika
Der Autor
 
Stefan O. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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