Solo durch Jamaika

Reisezeit: Oktober / November 2007  |  von Stefan O.

Der lange Weg nach Port Antonio

09. November 2007

Ich habe mir den Wecker gestellt, doch ich werde schon kurz vorher wach. Ich gehe kurz duschen, bevor ich Blacj anrufe um ihn an meine Mitfahrt zu erinnern. Dann ein kurzer Blick in den Lonely Planet, wo kann man denn in Port Antonio überhaupt unterkommen? Brown's Cache Villa hört sich ganz gut an, darüber bin ich schon bei den Reisevorbereitungen ein paar Mal gestolpert. Fix mal angerufen, ob die noch was frei haben; haben sie! Das wäre dann also auch geklärt.

Während ich meinen Krempel zusammen packe, stelle ich fest, dass ich viel zu viel Zeugs dabei habe. Den Inhalt des kleinen Daypacks verstaue ich im großen Rucksack ebenso den Daypack selbst, keine leichte Aufgabe. Delroy wartet im Garten, er will mich verabschieden, vorher muss ich allerdings noch die SIM-Karte an Gabi zurück geben. Doch ich finde weder Gabi noch sonst jemand von der Germany-Fraktion, also gebe ich die Karte Delroy in die Hand und hoffe, dass sie jemals ihre Besitzerin erreichen wird.

Blacj kommt um Punkt acht Uhr vorbei. Ich fahre mit ihm bis Black River, wo er mir ein Route-Taxi nach Santa Cruz zeigt. Ich habe Glück und bin der erste Fahrgast, also mache ich es mir auf dem Beifahrersitz bequem. Der Fahrer fährt noch ein paar Runden um den Marktplatz und preist seinen Fahrdienst nach Santa Cruz an.

Dort angekommen lässt er mich am Busbahnhof raus. Wieder Glück: Der Bus nach Kingston ist fast voll, allerdings wollen die 500 J$ statt der üblichen 320 J$ wegen meines Übergepäcks. "Ya mon, no problem!", stimme ich zu und nehme Platz. Wobei das Wort Platz nicht allzu wörtlich zu nehmen ist, denn auf den vier Sitzen pro Reihe werden in der Regel fünf Fahrgäste verteilt und so sitze ich mit einer Arschbacke auf dem Schoß meiner Nachbarin. Dieser Bus ist nun voll, voll auf jamaikanisch. Es folgen zirka zweieinhalb Stunden Fahrt in dieser Position. Zum Glück verfügt dieser Bus über eine funktionsfähige Klimaanlage.

Unterwegs kommen wir in eine Polizeikontrolle. Wir müssen ausharren, bis der Fahrer endlich seinen Lappen gefunden hat, dann dürfen wir unsere Fahrt fortsetzen. Ich frage den Doorman nach einer Umsteigemöglichkeit nach Port Antonio. "Am Busterminal in Downtown, wo dieser Bus auch endet", lässt er mich wissen. Dort angekommen erfahre ich, dass zurzeit kein Bus nach Port Antonio bereit steht. Soon come, ya mon! Zeit für ein Bierchen. Ich lade den Busfahrer und seinen Kompagnon zu einem Red Stripe ein und während ich da so biertrinkenderweise auf dem Busterminal rumlungere, kommt Django auf mich zu. Der will sich 'ne Mark verdienen und schaut für mich nach dem Bus. Nach einer Weile holt er mich ab und platziert mich in einem Minibus. Dieser füllt sich rasch mit weiteren Fahrgästen, Tüten und Taschen, Gemüsekisten, Gartenstühlen und sonstigem Gerümpel vom Markt in Downtown. Aus einer der Kisten höre ich sogar Vogelgezwitscher.

Kurz vor Abfahrt erfahre ich, dass der Bus gar nicht nach Port Antonio, sondern nach Annotto Bay fährt, dies aber kein Problem sei, da ich dort umsteigen könne. Der Bus braucht erst einmal eine halbe Stunde, um aus Kingston heraus zu kommen. Dann geht's über eine herrliche Strecke durch die Ausläufer der Blue Mountains. Die Schäden der letzten Stürme und Fluten sind hier deutlich zu erkennen. Auf diversen Wanderbaustellen werden die übelsten der Schlaglöcher notdürftig mit Asphalt zugeschmatzt.

Auf einmal gibt es einen dumpfen Knall. Ein entgegenkommender Jeep ist seitlich in den vor uns fahrenden Lkw rein gebrutzelt. Keine Ahnung, wie das passiert ist. Meine Sicht ist durch diverse Gemüsekisten und sonstigen Krempel stark eingeschränkt. Die Fahrgäste faseln irgendetwas von wegen, der Jeep sei zur falschen Seite hin ausgewichen. Möglicherweise war er mit dem Linksverkehr nicht vertraut.

Kurz vor Annotto Bay überholt uns dann ein anderer Minibus und fragt noch während des Überholmanövers unseren Fahrer, ob er Fahrgäste nach Port Antonio hätte. Ja, mich zum Beispiel. Ich steige um. Glück gehabt, ich ergattere den Sitz neben dem Fahrer. Den können sie mir zwar noch mit Bananenkisten zu bauen, dafür muss ich ihn aber nicht mit anderen Fahrgästen teilen.

In irgendeinem Kaff halten wir an. Offensichtlich die Heimat der Bus-Crew. Es folgt eine kurze Showeinlage in Form einer Pseudoschlägerei mit den Dorfleuten. Der Doorman steigt mit einer Eisenstange bewaffnet aus und schreit irgendwas in der Richtung: "Alta, willste auf die Fresse oder was?" Nachdem wir dann mal alle gelacht haben, bekommt der Fahrer noch ein eisgekühltes Pils in die Hand gedrückt, welches er dann auf der Weiterfahrt mal eben weg ext. Entgegenkommende Busse und Taxen warnen ihn später vor einer Polizeikontrolle in einer der nächsten Kurven. Der Fahrer wirft sich den Gurt über die Schulter - ein Gurtschloss gibt es nicht mehr - und drückt mir die leere Bierpulle in die Hand. Die Bullen grüßt er rotzfrech und darf unkontrolliert passieren.

In Port Antonio steige ich am Busterminal aus. Erst einmal muss ich in meinem Lonely Planet nach der Adresse des Gästehauses blättern. Dann frage ich eine Gruppe Schüler nach dem Weg. Nicht sonderlich weit, stelle ich fest, aber mit mehr als 25 Kilogramm Gepäck auf dem Buckel geht's ziemlich auf die Knochen. Vorsichtshalber frage ich unterwegs noch drei Mal nach. Auf der Veranda der Villa sitzt ein Herr mittleren Alters und teilt mir mit, das hier sei kein Gästehaus mehr. Kann nicht sein, denke ich mir, erst heute Morgen habe ich doch noch mit Ms. Brown telefoniert. Deren Tochter kommt kurz darauf aus der Tür, zeigt mir die Zimmer. Nebenbei erfahre ich, der Herr auf der Terrasse sei ihr Bruder und nicht ganz dicht.

Port Antonio - East Harbour

Port Antonio - East Harbour

Die Villa, ein altes Holzhaus, macht einen sehr urigen, fast schon gespenstischen Eindruck. Es verfügt über sieben Zimmer, Gemeinschaftsküche und -esszimmer sowie über ein gemeinsames Wohnzimmer, möbliert in antiquarischem Stil, davor eine Veranda mit herrlichem Blick auf East Harbour.

Das Haus ist alt, aber sauber. Da es jedoch nur zeitweise genutzt wird, hat sich hier inzwischen einiges an Getier eingenistet und ich meine, sogar eine Maus gesehen zu haben. Das wiederum kann allerdings auch andere Gründe haben, auch wenn sie nicht rosa war.

Die Brown's Cache Villa

Die Brown's Cache Villa

Will erst mal runter in die Stadt. Die City ist in zwei Minuten zu Fuß zu erreichen. Unterwegs quatscht mich Reeboo an. Ein netter Kerl. Er bietet Rafting-Touren mit einem Floß über den Rio Grande an. Hmm, das klingt nicht schlecht. Bis morgen werde ich mir das noch mal überlegen, irgendetwas Sinnvolles muss man ja hier auch mal anstellen.

Durch die City ist man schnell durch. Ich ziehe mir das geschäftige Treiben auf der West Street rein. Die Geschäfte und Märkte schließen gerade und auf der Straße werden Berge von Müll zusammengekehrt. Es gibt ein paar Bars und Clubs hier. Der bekannteste dürfte wohl der Roof Club sein. Mehr ist allerdings im LaBest los. Nach der langen Fahrt bin ich allerdings nicht mehr der Fitteste und so verabschiede ich den Tag mit ein paar Red Stripe und einer Tüte auf der Veranda des Gästehaus. Aus nicht allzu weiter Ferne wirken noch ein paar Reggae-Beats auf mich ein.

© Stefan O., 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ein beruflicher Aufenthalt in Florida brachte mich auf die Idee, meinen diesjährigen Urlaub jenseits des Atlantiks zu verbringen, da ich mit den USA aber nicht viel anfangen kann, suchte ich mir ein Ziel, an dem ich mich mit Sicherheit wohl fühlen würde.
Details:
Aufbruch: 31.10.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 19.11.2007
Reiseziele: Jamaika
Der Autor
 
Stefan O. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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