Solo durch Jamaika

Reisezeit: Oktober / November 2007  |  von Stefan O.

Kein Weg

02. November 2007

Gegen sieben Uhr wache ich auf, dusche und haue mir ein paar Cornflakes aus dem Supermarkt rein. Gegen acht Uhr steht Jimmy vor meiner Tür. "Bad news, bad news", fängt er hastig an zu plappern. Die Straßen seien immer noch in einem katastrophalen Zustand und wir müssten unsere Fahrt auf morgen vertagen. Na gut, dann bleibe ich halt noch 'ne Nacht hier, fühle mich hier auch nicht gerade unwohl. Jimmy warnt mich noch einmal eindringlich vor einem Abstecher nach Downtown, er hätte schon wieder von Schießereien gehört und das übliche Blabla.

Draußen ist es heiß, aber noch trocken, also versuche noch einmal mein Glück am Geldautomaten, natürlich erfolglos! Ich latsche die zwei Kilometer ins Pegasus-Hotel, die wissen bestimmt welche Phonecard ich brauche und können mir auch gleich ein Amt vermitteln.

Ein kleiner Shop innerhalb des Hotels vertreibt zwar diverse Sorten Phonecards, aber nicht die, die ich für das Festnetz brauche. Ich werde an die Tanke verwiesen, wo ich auch meine Karte bekomme. Zurück im Pegasus stellt eine außerordentlich hilfsbereite Dame vom Business-Center des Hotels fest, dass man mir die falsche Karte verkauft hat. Sie recherchiert ein wenig, schreibt dann auf einen Zettel, welche Karte ich denn nun brauche, eine so genannte JusTalk-Karte, aha!

Ich versuche mein Glück noch einmal an der Tanke, aber JusTalk-Karten haben die hier nicht. Also noch mal ins Pegasus. Die Dame ruft in den umliegenden Hotels an und wird im nur wenige Meter entfernten Hilton-Hotel fündig. Ich bin beeindruckt, wie herzlich und unkompliziert mir hier geholfen wird und das obwohl ich kein Hotelgast bin. Im Hilton bekomme ich dann endlich meine JusTalk-Karte, mit der ich wieder zurück ins Pegasus Hotel latsche. Die Dame vom Business-Center vermittelt mir das gewünschte Gespräch.

Das andere Ende der Strippe liegt in Europa und dort zeigt man sich weniger hilfsbereit und das obwohl ich Bankkunde bin. Vermutlich wurde der Verfügungsrahmen erhöht, doch leider auf dem falschen VISA-Konto, finde ich heraus und zwar auf einem Konto, von dem ich bis dato gar nicht wusste, dass ich es besitze. In Deutschland ist inzwischen später Nachmittag, genauer gesagt, Freitagnachmittag. Da fällt halt schon mal nach dem Mittag der Griffel aus der Hand und so findet sich natürlich wieder kein Schwein, das mir weiter helfen kann. Ich werde auf Montag vertröstet.

Daraufhin muss ich erst mal einen brennen. Auf der Half-Way-Tree-Road ist das aber so gar keine gute Idee, da alle zwei Minuten hier die Bullen vorbei gescheißert kommen. Ich verschwinde in eine der Seitenstraßen, dann fängt es mal wieder an zu pissen. Zehn Bretterbuden, etliche Bettler und fünf Ganja-Verkäufer später finde ich dann mein Gästehaus wieder. Apropos Bettler: Es ist durchaus nicht unsittlich, dem ein oder anderen davon mal 10 J$ in die Hand zu drücken, es sind hier die ärmsten der armen Schweine.

Draußen schifft es in Strömen. Langsam kriege ich Hunger. Ich schmeiße erst mal den Fernseher an, rauche einen und penne kurz darauf ein. Irgendein fremdes Geräusch - davon gibt es hier einige - lässt mich zirka 30 Minuten später wieder wach werden. Der Regen hat nachgelassen und ich kann endlich meine Runde drehen.

Zuerst zum Geldautomaten. Dass meine EC-Karte hier funzt, habe ich ja schon gestern herausgefunden. Doch vor der Bank stehen sie Schlange. Zwei Jungs von der Müllabfuhr stellen kurzerhand ihren Dienstwagen auf der Straße ab, es ist Rush-Hour. Sie lassen den Motor laufen und die Tür offen, während sie sich in die Schlange vor dem Geldautomaten einreihen. Auf das Einreihen kann ich dagegen im Moment verzichten und will erst mal was futtern. Derweil kommt der Geldtransporter, stellt sich vor den Müllwagen und zwei Gestalten mit Langwaffen nicht identifizierbaren Herstellers, aber offensichtlich mit automatischer Ladevorrichtung, springen heraus. Aha, jetzt kommt Nachschub.

Ich überquere die Straße; entgegen anders lautenden Berichten wird man dabei hier übrigens nicht gleich tot gefahren. Will mir irgendwas im KFC reinziehen, doch der ist rappel voll und ich beschließe, in einem benachbarten lokalen Schnellrestaurant ein Chicken-Sandwich, bestehend aus einem Hähnchenschnitzel mit etwas Salat in einer Art Fladenbrot zu verdrücken.

Die Straßen Kingstons

Die Straßen Kingstons

Die Schlange vor der Bank hat sich inzwischen abgebaut und ich hebe ein paar Kröten ab. Ich nehme, was ich kriegen kann, denn nur Bares ist Wahres, soviel weiß ich inzwischen. Doch mehr als 30.000 J$ pro Tag sind nicht drin. Auf dem Rückweg will ich noch 'ne Schachtel Kippen holen, bei einem der zahlreichen Straßenhändler. Er will 300 J$. Nicht gerade ein Schnäppchen, aber okay und ich habe jetzt keinen Bock um ein paar Cent zu feilschen. Ich gebe ihm 500 und bekomme 150 wieder. Aha, 500 minus 300 sind also 150!? Ich frage diesen vollgekifften Penner, ob er einen Taschenrechner braucht, doch der versteht plötzlich nur noch Patois. Erst als ihm sein Kumpel anrät, mir den Rest auch noch zu geben, rückt er den Fuffi raus.

Im Supermarkt hole ich noch ein paar Red Stripe, verschwinde auf mein Zimmer und dreh mir noch 'nen stattlichen Spliff. Während ich so in meinem Bett liegend den fremden Geräuschen lausche, wird mir erst so richtig bewusst, wie die Menschen hier so leben, dass das, was ich hier sehe und erlebe Alltag ist auf den Straßen Kingstons.

© Stefan O., 2008
Du bist hier : Startseite Karibik Jamaika Kein Weg
Die Reise
 
Worum geht's?:
Ein beruflicher Aufenthalt in Florida brachte mich auf die Idee, meinen diesjährigen Urlaub jenseits des Atlantiks zu verbringen, da ich mit den USA aber nicht viel anfangen kann, suchte ich mir ein Ziel, an dem ich mich mit Sicherheit wohl fühlen würde.
Details:
Aufbruch: 31.10.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 19.11.2007
Reiseziele: Jamaika
Der Autor
 
Stefan O. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors