Jakobsweg 2011 - Teil I - Camino del Norte - Teil II - Camino Primitivo

Reisezeit: März / April 2011  |  von Uschi Agboka

Camino del Norte - Laredo-Güemes-Santander

22./23./24./25./26. März 2011 - 10.-14. Tag Laredo - Güemes - Santander

Dienstag, 22. März 2011 10. Tag Laredo - Güemes - 24 km

Nachdem ich gestern Probleme mit meinem rechten Bein hatte - ich nehme an, es ist eine Sehnenreizung -, bin ich gespannt auf den heutigen Tag. Mein Fußgelenk tut sehr weh. Von Santona, wohin wir mit dem Bus fahren mussten, machte ich mich auf den Weg, direkt zum Strand von Berria (Norbert nahm die Strecke um den Monte Buciero). So stelle ich mir den idea-en Strand vor, keine Badenden oder Sonnenanbeter, sondern nur ein paar einsame Strandwanderer. Ein herrliches Stück Erde in der Vorsaison. Vom Strand aus führt der Weg steil hoch zum Punta del Brusco. Von oben hat man einen atemberaubenden Blick auf die Strände von Berria und Noja. So machte ich hier eine längere Mittagspause und legte mich eine Stunde in die Sonne. Danach folgte der Abstieg zum 3 km langen Sandstrand, wo ich mehrere Fotostopps einlegte, um die wunderbaren Felsformationen zu fotografieren. Der kleine Ort Noja ist eines der touristischen Epizentren Kantabriens. Im Sommer tummeln sich hier Zigtausende von Urlaubern, eine Horrorvorstellung für mich, die ich die Einsamkeit liebe. Doch heute in der Nebensaison ist der Ort ruhig und verschlafen und so kann ich ein einer kleinen Bar einen Kaffee mit Milch genießen. Der Camino führt von Noja aus durch eine dem Allgäu ähnliche Landschaft. Der Weg zur Herberge ist nicht weit, aber er zieht sich, würde Heinz Becker sagen. Für mich waren es lange 18 km. Endlich erreiche ich mit Norbert die sehr schöne Herberge von Güemes, wo wir herzlich empfangen werden. Leider ist mir mein Fotoapparat aus der Tasche gefallen, das Batteriefach ist defekt. Zum Glück kann ich es mit Pflaster kleben. Nach einem gemeinsamen Abendessen ging es um 22.30 Uhr in die Falle, ich hoffe, dass es morgen meinem Fuß besser geht. Bis nach Santander sind es noch 15 km, dort kann mein Bein sich dann 1/2 Tag ausruhen.

Mittwoch, 23. März 2011 11. Tag Güemes - Santander - 21 km

Leider geht es meinem Bein/Fuß heute Morgen nicht wirklich besser. Beim gemeinsamen Frühstück unterhalten wir uns mit Pastor Ernesto, einem interessanten Mann, der schon die ganze Welt bereist hat. Er ist ein "worker Priest".

Diese Priester gehen einer Vollzeit-Arbeit in einer Fabrik oder ähnlicher Stätte nach, um den Alltag der Arbeiterklasse zu erfahren. Die Initiative geht auf die Französische Kath. Kirche zurück. Pater Jacques Loew begann diese missionarische Tätigkeit 1941 in den Docks von Marseille. 1945 genehmigte Papst Pius XII. nur ungern dieses kühne soziale Engagement der französischen Arbeiter-Priester. Doch sie fielen später in Ungnade, weil sie sich zu stark für die Belange der Arbeiter einsetzten. 1953 wurden alle Arbeiter-Priester aufgefordert, ihre Arbeit und die Gewerkschaften zu verlassen. Jacques Loew gründete daraufhin in Afrika die "Saints Peter and Paul Mission to Workers", die Priester aus der Arbeiterklasse ausbildete. Im Jahr 1963 durften die Arbeiter-Priester an ihre Arbeitsstellen zurückkehren. Als Roncalli Papst Johannes XXIII wurde, rief er das 2. Vatikanische Konzil aus, zumindest teilweise aufgrund der Ergebnisse dessen, was die Arbeiter-Priester der Kirche offenbart hatten. Es begann eine Zeit der Erneuerung und Auseinandersetzung mit der modernen Welt. Karol Wojtyla, der spätere Pabst Johannes Paul II, reiste durch Frankreich und Belgien und traf sich dort mit Arbeiter-Priestern, deren Arbeit er sehr bewunderte. 1947 schrieb Wojtyla: "Pater Loew kam zu der Erkenntnis, dass das Weiße Gewand (Dominikaner) allein nichts mehr besagt in der heutigen Zeit." In den 1960er Jahren entstand in der Kirche von England eine ähnliche Arbeiter-Priester-Bewegung.

Ernestos Meinung ist völlig verschieden von der des Vatikans und er findet, dass es mit der kath. Kirche durch Papst Benedikt schlechter geworden ist. Die Herberge selbst hat Ernesto nicht nur für Pilger aufgebaut, sondern sie steht auch Behinderten etc., die auf Reisen sind, offen. Nach einer herzlichen Verabschiedung ging es durch welliges, landwirtschaftlich geprägtes Gelände an die Küste. Der Camino führt entlang der Steilküste bis zum Sandstrand von Somo. Die Ausblicke sind atemberaubend, auch das Wetter spielte mit, es wehte leider nur ein sehr starker Wind. Mit der Personenfähre lasse ich mich übersetzen, unterwegs steigt auch Norbert steigt zu. Vom Anlegeplatz in Santander bis zur Herberge sind es nur ein paar Meter. Nach dem Duschen musste ich mich hinlegen, meinem Bein ging es nicht besser. Nach einer Ruhepause von 2 Std. besichtigte ich die gotische "Catedral de Santa Maria de la Asuncion (Iglesia Alta, obere Kirche, 13. Jh.)". In der "Iglesisa del Santisimo Cristo (Crypta del Cristo oder Iglesia Baja, untere Kirche, um 1200)", die sich unter der Kathedrale befindet, liegen die Reliquien der Heiligen Emeterio und Celedonio. Hier stieß ich mit meinem Fuß gegen eine Bank, ein stechender Schmerz fuhr mir ins Bein und ich beschloss, ins Krankenhaus zu gehen, um mich untersuchen zu lassen. Pilar, die nette Dame aus der Herberge, hat mich begleitet, zum Übersetzen und sie meinte, sie kenne das von anderen Pilgern, es sei eine Überanspruchung des Schienbeines. Der Arzt bestätigte mir diese Diagnose Tendinitis (Sehnenentzündung - tritt auch bei geübten Sportlern auf) und verordnete mir u. a. 3 Tage Ruhepause. Mich beruhigte das nicht gerade. Aber wenn es sein muss, muss es eben sein. So werde ich die nächsten 3 Tage in Santander verbringen, die verordneten Medikamente nehmen, das Bein kühlen, in der Hoffnung, dass ich dann wieder ohne Schmerzen laufen kann. Bei meiner Reiseplanung habe ich ja Reservetage für Unvorhergesehenes eingeplant, wie sich später herausstellte, leider 2 Tage zu wenig.

Donnrstag, 24. März 2011 12. Tag Santander - Ruhepause

Heute ist Helmut in der Herberge angekommen. Leider hat er die gleichen Schmerzen und Symptome wie ich. In der Bar Barruca essen wir gemeinsam zu Abend. Norbert geht bzw. fährt natürlich den Camino ab jetzt allein weiter.

Freitag, 25. März 2011 13. Tag Santander - Ruhepause

Nach dem Frühstück in der Bar Barruca (Kaffee und Tortilla für 2 Euro), bin ich in die Stadt gegangen.

Santander ist eine sehr schöne Stadt mit vielen Jugendstilbauten. Von den Römern als Hafenstadt gegründet, kamen im 8. Jh. westgotische Siedler aus Calahorra (La Rioja), um hier Zuflucht vor arabischen Invasoren zu finden. Im 13. Jh. kam es durch Stadt- und Handelsrechte zu einem ersten wirtschaftlichen Aufschwung. Ende des 15. Jh. wurde durch ein Schiff aus Flandern die Pest eingeschleppt, weitere Epidemien reduzierten innerhalb von 200 Jahren die Einwohnerschaft sehr stark. Erst ab 1753 kam die Wirt-schaft wieder in Schwung, vor allem durch den Warenaustausch mit den spanischen Kolonien Ende des 18. Jh. Im 19. Jh. wurde der Weizenexport nach Amerika hauptsächlich über Santander abgewickelt, gleichzeitig wurde die Stadt Industriestandort. Nachdem Königin Isabel II. den Sommer im Jahr 1861 in Santander verbrachte, kamen die Banos e Ola (Wellenbäder) in Mode. 2 schlimme Katastrophen trafen die Stadt: 1893 explodierte im Hafen ein mit Dynamit beladenes Dampfschiff, 600 Tote und mehr als 2.000 Verletzte waren die Folge. Und im Jahr 1941 zerstörte ein durch einen Hurrikan entfachtes Feuer fast die gesamte Innenstadt. Doch Santander erholte sich und gelangte bereits in den 1960er Jahren wieder zu Wohlstand.

Ich habe mehrere der schönen Kirchen in Santander besichtigt und viele Ruhepausen in der Sonne genossen. Mittags habe ich mit Helmut wieder in der Bar Barruca gegessen: 2 Mittagsessen, dazu 1 Flasche Wein, Gesamtkosten 9 Euro. Die Bar ist sehr zu empfehlen. Später habe ich mich in den Park gesetzt, das Bein hochgelagert und den herrlichen Sonnenschein genossen. Heute ist der bisher wärmste Tag auf dem Camino. Nach ein paar Tapas am Abend ging es um 21.30 Uhr ins Bett.

Samstag, 26. März 2011 14. Tag Santander - Ruhepause

Heute habe ich nochmals ein bisschen die schöne Stadt erkundet, mein Bein oft hochgelegt und geschont, denn Morgen soll es weiter gehen mit dem Camino.

© Uschi Agboka, 2011
Du bist hier : Startseite Europa Spanien Camino del Norte - Laredo-Güemes-Santander
Die Reise
 
Worum geht's?:
Bericht nach den Tagebuchaufzeichungen meines Mannes Rolf, von Irun nach Santiago de Compostela, 699 km, 13. März bis 15. April 2011.
Details:
Aufbruch: 13.03.2011
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 15.04.2011
Reiseziele: Spanien
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors