USA 2012 - 1. Teil - Colorado, New Mexico, Arizona, Nevada, Utah

Reisezeit: Juni / Juli 2012  |  von Uschi Agboka

Von Cortez nach Montrose

15. Tag - DoloresTal/Telluride/Silverton/Black Canyon of the Gunnison N.P.

Mittwoch, 20. Juni 2012 15. Tag Montrose, Colorado Days Inn
Cortez / Dolores Tal / Lizard Head Pass / Telluride / One Million Highway 550 / Red Mountains / Silverton / Black Canyon of the Gunnison National Park / Montrose
Gefahrene Meilen: 215 (346 km)

Da ich gestern früher als Rolf ins Bett gegangen bin, bin ich heute um 5.45 Uhr, als der Wecker schellt, mal richtig ausgeschlafen. Nach dem Frühstück im Hotel fahren wir um 7.45 Uhr los, über den HW 145 North - San Juan Skyway - durch das wunderschöne Dolores-Tal, eine Strecke, die wir besonders gern fahren. Es geht durch den San Juan National Forest, eine grüne Landschaft und immer wieder fällt der Blick auf die schneebedeckten Berge. Wir fahren höher und höher, es ist heute Morgen angenehm kühl.

In Rico machen wir um 8.45 Uhr Halt, auf 2.690 m Höhe, bei 12 Grad. Ich durchsuche meinen Rucksack und ziehe mal meine warmen Handschuhe an. Um 9.05 Uhr machen wir auf dem Lizard Head Pass, 3.116 m, einen Fotostopp. Uns hat es auch ein besonders schöner Truck angetan, der dort geparkt hat. Der Pass ist nach einem nahe gelegenen Berg - Lizard Head, 3.997 m, benannt, der wie der Kopf einer Eidechse ausschaut.

Wir fahren weiter, steil bergab, vorbei an einem wunderschön gelegenen See - Trout Lake, 2.988 m. Ein natürlicher See, der für das Ames Kraftwerk aufgestaut wurde. Die Tour führt weiter, vorbei am "Matterhorn" nach Telluride, am San Miguel River gelegen, wo wir Kaffee trinken. Es gibt dort viele schöne alte Häuser und nette Geschäfte für den großen Geldbeutel.

Früher wurde die Gegend um Telluride von den Ute Indianer bewohnt. 1858 aber wurde Gold entdeckt und so erfolgte die Ortsgründung um 1878. Bekannt ist Telluride durch Robert Leroy Parker - Butch Cassidy -. Dieser überfiel am 24. Juni 1889 die San Miguel Valley Bank in Telluride. Die Beute betrug ca. 24.000 US-Dollar. Es war Butch Cassidys erstes, schriftlich belegtes Verbrechen. Heute haben viele Prominente, wie Oprah Winfrey, Tom Cruise und Ralph Lauren in der Umgebung von Telluride ihre Luxus-Villen. Der Wintertourismus hat Telluride weltberühmt gemacht. Das Skigebiet besitzt 14 Pisten der Kategorie "Doppelt-Schwarz", welche es in Europa nicht gibt. Selbst in Amerika sind sie selten zu finden, Aspen z. B. verfügt nur über 4 doppelt schwarze Pisten. Doppelt-Schwarzer Diamant / Extreme Abfahrt bedeutet besonders schwierig, enge Kehren und unübersichtliche Kanten.

Am Ophir Overlook treffen wir zwei nette Biker aus Salida, der eine hat seine BMW in Deutschland gekauft. Wir werden dem HW 145 bis Placerville, HW 62 bis Ridgeway (Tor zu den San Juan Mountains) und HW 550 bis Silverton folgen, über den Red Mountain Pass.

Zunächst müssen wir an einer Baustelle warten, doch die Zeit hält sich in Grenzen. Dann die Fahrt entlang der hohen (über 4.000 m) schneebedeckten Berge - Uncompahgre Peak 4.364 m - traumhaft. Auch wenn wir diese Strecke schon mal gefahren sind, es ist immer wieder anders, immer wieder schön. Die Landschaften verändern sich ständig, durch die Jahreszeiten, das Licht ... und so gewinnt man neue Eindrücke.

Wir überqueren den Dallas Divide Pass, 2.738 m, den die meisten gar nicht wahrnehmen, weil es dort kein Schild gibt. Den hübschen kleinen Ort Ouray erreichen wir um 11.30 Uhr, es sind 25 Grad.

Jetzt geht es über den Million-Dollar Highway (HW 550), vorbei an den Bear Creek Falls. Der Million-Dollar-Highway war eine Mautstraße, im 19. Jh. gebaut von Otto Mears, er war der "Path Finder" durch die San Juan Mountains. Eine Gedenktafel findet sich an den Bear Creek Falls. Die Red Mountains leuchten heute ganz herrlich in der Sonne in ihren verschiedenen Rottönen. Die Fahrt über den Red Mountain Pass, 3.358 m, ist für uns immer wieder ein Erlebnis. Wie wir feststellen, fehlt das Pass-Schild, entweder wird es erneuert oder jemand hat es als Souvenir mitgehen lassen, alles schon dagewesen. Um 12.30 Uhr sind wir in Silverton, 25 Grad.

Silverton wurde um 1870 gegründet und war zehn Jahre später mit dem Anschluss an das Eisenbahnnetz auf dem Höhepunkt seiner Geschichte. Die Stadt lebt heute vom Tourismus, den die täglich verkehrende Dampfeisenbahn der Durango and Silverton Narrow Gauge Railroad aus Durango sicherstellt. Der schöne historische Kern der kleinen Stadt um die Blairstreet wurde 1961 National Historic Landmark.

Wir besuchen den schönen Ort immer wieder gerne. Rolf lässt sich auf einer der vielen Bänke nieder, raucht seine Zigarre, schaut den vorbei eilenden Menschen zu und hält mit dem einen oder anderen ein Schwätzchen. So wird ihm nicht langweilig, wenn ich die kleinen Lädchen durchstöbere, in denen ich immer fündig werde. Das "Grand Imperial Hotel" von 1882, ganz im viktorianischen Stil errichtet, mit dem "Grumpy's Saloon" hat es uns angetan. Dort spielt ein alter Pianospieler wunderschöne Lieder. Das Schild "It is not a player piano, it is a piano player" gefällt mir besonders gut. Seine schönen Weisen kann man mit einer CD kaufen. Ich darf ihn fotografieren und natürlich werden von alten Bar auch einige Bilder geschossen.

Erst nach 14 Uhr verlassen wir Silverton, wieder über die Red Mountains, die spektakulär in der Sonne leuchten. Vor Ouray passieren wir die "Switzerland Mountains". Um 15.30 Uhr sind wir in Montrose, nach ca. 8 Stunden. Wir laden ab und dann geht es zum Safeway einkaufen. Heute Abend wollen wir picknicken. Doch zunächst fahren wir zum Black Canyon of the Gunnison National Park, da das Wetter und das Licht so herrlich sind.

Der Black Canyon of the Gunnison-Nationalpark schützt den zentralen Teil der Schlucht des Gunnison Rivers, einem Zufluss des Colorado River, die aufgrund des harten Gesteins außergewöhnlich steil ist. Flussaufwärts schließt sich die Curecanti National Recreation Area an, in dem der Fluss zu einem Stausee mit starker Erholungsnutzung aufgestaut ist. Die beiden Ränder der Schlucht sind im Schutzgebiet nicht miteinander verbunden, die meisten Besucher nutzen nur den Südrand.

Zum Gunnison River selbst gelangt man über die East Portal Road, die innerhalb des Nationalparks von der 347 abzweigt. Die East Portal Road ist extrem steil mit Steigungen bis zu 16 Prozent und vielen Haarnadelkurven. Der Black Canyon ist eine tiefe Schlucht, durch die der Gunnison River fließt. Er ist sehr schmal, so dass nur sehr wenig Sonnenlicht bis auf den Grund fällt, was die Wände dunkel bis schwarz erscheinen lässt und dem Canyon seinem Namen gab. Am Chasm Overlook-Aussichtspunkt erreicht er eine Tiefe von 555 m bei nur 345 m zwischen den Rändern der Schlucht. Im Canyon hat der Gunnison River ein durchschnittliches Gefälle von 18 Meter pro Kilometer. Im 3,2 Kilometer langen Abschnitt zwischen "Pulpit Rock" und "Chasm View" beträgt das Gefälle 50 Meter pro Kilometer. Vom Canyonrand ist das Tosen gut hörbar, mit dem das graugrüne Wasser des Gunnison River durch die Schlucht schießt. Der Fluss gräbt sich pro hundert Jahre etwa drei Zentimeter weiter ein.

Der Black Canyon hat seit ewigen Zeiten ein Hindernis für Menschen dargestellt. Eine Besiedelung der Schlucht war nie möglich. Nur auf dem Canyonrand fanden Archäologen die Spuren frühen menschlichen Lebens. Selbst die Ute, der größte Indianerstamm, der hier seit Jahrhunderten lebte, sind nie in die tieferen Regionen des Canyons vorgedrungen. Die ersten Europäer, die den Westen Colorados erkundeten, waren Spanier. Die Expedition im Jahre 1776 führte sie in die Region des Black Canyon, aber sie alle sahen ihn als unpassierbar an. Der erste schriftliche Bericht stammte von der Hayden Expedition. Als sie bei Morrow Point in den Canyon hinunterschauten, erklärten sie ihn für unpassierbar. Im Jahre 1882 suchte die Denver & Rio Grande Railroad einen Weg für ihren Schienenstrang nach Westen. Ihr Vertreter General Palmer beauftragte den Landvermesser Byron Bryant, die Möglichkeit einer Route durch den Black Canyon bis Delta zu erkunden. Am 12. Dezember 1882 begann Bryant mit einer kleinen Gruppe von Vermessern mit der schwierigen Arbeit. Jeden Morgen kletterten sie in den Canyon hinunter, vermaßen die eisige Schlucht in den kurzen Stunden des Tageslichtes und stiegen abends wieder hinauf. Nach weniger als einem halben Monat gab die Hälfte der Männer auf, aber Bryant und der harte Kern seiner Truppe machten weiter. Nach 68 Tagen erreichten sie das Ende des Canyons. Bryant überzeugte Palmer, dass eine Bahnlinie durch den Canyon wirtschaftlich nicht zu vertreten wäre.

Gegen Ende des 19. Jh. suchten die Farmer des Uncompahgre-Tales nach einer Möglichkeit, Wasser vom Gunnison River umzuleiten, um ihre Felder zu bewässern. Zu diesem Zweck wollte man einen Tunnel vom Black Canyon durch die Vernal Mesa bohren. Im Jahre 1900 starteten John Pelton aus Montrose, William Torrence von der Montrose Electric Light and Power Company und eine kleine Gruppe Freiwilliger von Cimarron aus in Booten aus Holz und Segeltuch zu einer Expedition. Aus dem geplanten 5-Tage-Trip wurde eine einmonatige Odyssee. An einer unpassierbaren Engstelle, "The Narrows" genannt, an der der Canyon 12 m breit und 518 m tief ist, gaben sie auf und verließen den Black Canyon beim nächstgelegenen Seitencanyon. Sie nannten den Ort ihres Scheiterns "Falls of Sorrow". Ein Jahr später unternahm der Wasserbau-Ingenieur Fellows, der für die Regierung arbeitete, mit Torrence einen zweiten Versuch. Sie starteten am 12. August von Cimarron aus mit einer Gummi-Matratze als Floß, einer Kodak-Rollfilm-Kamera und leichterem Gepäck, als die vorausgegangene Expedition. Wilbur Dillon versorgte sie von Canyonrand aus mit allem Notwendigen. Der erste Versorgungspunkt war am East Portal an der heutigen Ostgrenze des National Parks. Sie kamen besser voran, da der Fluss jetzt im Hochsommer weniger Wasser führte. Sie ruderten, schwammen oder umgingen die Stromschnellen zu Fuß auf ihrem Weg durch den Canyon. Nach 8 Tagen trafen sie Dillon wieder, der den Red Rock Canyon hinabgestiegen war, um sie mit neuem Proviant zu versorgen. Hier hätten sie ihre Reise beenden können, aber sie beschlossen, noch einen Tag weiter zu machen. Als sie am nächsten Tag aus dem Canyon wieder auftauchten, hatten sie in 9 Tagen 33 Meilen zurückgelegt und den Fluss 76-mal überquert. Sie brachten die Erkenntnis mit, dass der Bau eines Tunnels möglich war. Fellow erkundete den Canyon in den folgenden 2 Jahren mit einer Gruppe von Vermessern genauer und 1905 wurde mit dem Bau des Gunnison Diverson Tunnels begonnen, der 1909 fertig gestellt wurde und bis heute Wasser in das Uncompahgre-Tal liefert.

1916 unternahm Ellsworth Kolb den Versuch, den Black Canyon flussabwärts zu bereisen. Er musste seine Expedition drei mal unterbrechen, da er und andere Mitglieder seiner Crew Verletzungen erlitten, sie mehr als einmal ihre Boote und den größten Teil ihrer Ausrüstung in den Stromschnellen verloren oder das Wetter eine Weiterfahrt unmöglich machte. Er gab nicht auf, und es gelang ihm, wenn auch mit Unterbre-chungen, den gesamten Black Canyon von Cimarron bis Delta zu befahren. Durch die Veröffentlichungen von Fellows und Kolb über ihre Expeditionen begannen die Einwohner von Montrose, sich gegen Ende der 20er Jahre für den Black Canyon zu interessieren. Sie erkannten, was für ein Juwel sie da vor ihrer Haustür hatten und machten sich für die Anerkennung des Black Canyon als National Monument stark. Der Lions Club von Montrose baute eine Straße zum Südrand des Canyons, die am Labor Day 1930 eingeweiht wurde. Am 2. März 1933 erklärte Präsident Herbert Hoover den Black Canyon of the Gunnison zum National Monument. Der Black Canyon wurde im Laufe der Jahre immer bekann-ter und am 21. Oktober 1999 erklärte Präsident Bill Clinton ihn zum Nationalpark.

Auf dem South Rim Trail fahrend, halten wir an den verschiedenen Overlooks, machen Fotos und staunen über den riesigen schwarzen Canyon. Für mich immer wieder ein faszinierender unheimlicher Ort. Auch ein Besuch im Visitor Center darf nicht fehlen. Unzählige Streifenhörnchen springen umher und ein Reh steht direkt am Straßenrand, als wir um eine Kurve. Vor Jahren haben wir schon einmal am Gunnison River gepicknickt und so beschließen wir, nicht ins Hotel zurückzufahren, sondern auch heute den romantischen Platz am Fluss aufzusuchen. Über die East Portal Road, extrem steil mit Steigungen bis zu 16 Prozent und vielen Haarnadelkurven, gelangen wir zum Gunnison und erleben dort einen wunderschönen Sonnenuntergang.

Der Gunnison River ist ein Nebenfluss des Colorado River, ca. 290 km lang. Seine Breite variiert von 30 bis 300 Meter und die Tiefe liegt zwischen einem und fünfzehn Metern. Die starke Strömung und viele Stromschnellen machen eine Fahrt flussaufwärts fast unmöglich. Der Fluss kann jedoch mit kleinen Fahrzeugen auf seiner ganzen Länge befahren werden, obwohl einzelne Abschnitte aufgrund der Stromschnellen nicht passierbar sind. Der Fluss wurde benannt nach Captain John Gunnison, der im September 1853 den Lake Fork des Gunnison überquerte, den Black Canyon aber als unpassierbar ansah. John Gunnison wurde im darauf folgenden Jahr mit sieben weiteren Mitgliedern seiner Expeditionsgruppe in Utah von Indianern getötet.

Spät sind wir zurück im Hotel, nach weiteren 55 Meilen (89 km) und 4 Stunden. Es war mal wieder ein herrlicher Tag.

© Uschi Agboka, 2012
Du bist hier : Startseite Amerika USA Von Cortez nach Montrose
Die Reise
 
Worum geht's?:
Reisetagebuch über die Motorradtour durch 11 Staaten des Süd- und Nordwestens der USA vom 6. Juni bis 9. Juli 2012 - zurückgelegte Meilen 7.930 (12.767 km) – Text: Uschi Agboka Fotos: Rolf Kummer – www.harley-rolf.de
Details:
Aufbruch: 06.06.2012
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 09.07.2012
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors