Ruhrgebiet - unterschätztes Reisegebiet

Reisezeit: September / Oktober 2014  |  von Herbert S.

Schloß Westerwinkel

Im Gegensatz zu den meisten Burgen, Schlössern und Adelssitzen, die im Münsterland liegen, gibt die Geschichte des Schlosses Westerwinkel (in der Nähe von Herbern) nichts von der eigenen vierhundertjährigen Geschichte und auch nichts vom Leben und Tod jener Menschen preis, die dort gewohnt haben. Die Grafen von Merveldt waren die Erbauer dieses Schlosses, und sie sind auch jetzt noch die Schloßbesitzer. Sie haben an den Gebäuden keine Umbauten vorgenommen; aus diesem Grunde zeigen die Gebäude seit dem 17. Jahrhundert keine Veränderung und entsprechen seitdem dem jetzigen Zustand. Ausweislich der Dokumente gab es schon im Jahre 1225 eine Burg Westerwinkel, von der jedoch keinerlei Reste mehr vorhanden sind.
Die Besonderheit dieses Schlosses beruht nicht auf einer ereignisreichen Vergangenheit oder auf einer faszinierenden Baugeschichte. Vielmehr unterscheidet es sich von allen anderen Schlössern eher durch seinen ganz eigenen Charakter. Es ist zurückhaltend, wie die Einwohner dieses Landstrichs; es versteckt sich in den Hochwäldern und in den mit Hecken eingefriedeten Wiesen und Feldern; es scheint viel eher allein bleiben zu wollen, verborgen vor jedem Fremden, mit sich selbst und seiner kleinen Welt zufrieden. Dieses Dornröschenschloß wurde inmitten eines englischen Gartens errichtet. Es handelt sich hierbei um einen Komplex von Wassergräben, deren Ursprung im früheren Barockstil zu suchen ist, und dessen Prinzipien den Wassergräben der Burg des Mittelalters entsprechen. Zum Zeitpunkt der Erbauung wurden die Wassergräben ausgehoben, jedoch nicht zu Verteidigungszwecken (denn dieses System der Verteidigung war damals schon veraltet), sondern mit einer architektonischen Zielsetzung, die für den barocken Stil repräsentativ ist. Die Gesamtanlage erstreckt sich auf zwei rechteckigen Inseln; die Gebäude liegen auf der östlichen Insel, und der Garten befindet sich auf der westlichen Insel.

Die Gebäude der Vorburg wurden zwischen 1663 und 1696 errichtet. Einer der Flügel, aus denen die Gebäude bestehen, ist inzwischen einem Brand zum Opfer gefallen und verschwunden. In der Mitte - gegenüber dem Tor, das zum Innenhof führt - erhebt sich der Uhrturm. Über dem Eingangstor des Schlosses sieht man Wappen mit folgender Devise: "Gott ist unsere Zuflucht von Generation zu Generation". Jeder Turm des Schlosses ist mit einem Zwiebeldach geschmückt, das von einer Wetterfahne gekrönt wird. Im Inneren des alten Gemüsegartens befindet sich ein Pavillon mit zwei Etagen, im barocken Stil.
Das Haus des Verwalters liegt zwischen den beiden Inseln; es wurde im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts errichtet. Aus farbigen Ziegeln bestehende Ornamente verleihen ihm eine heitere und ganz besondere Note.
Eine dreihundertjährige Geschichte hat fast überall im Innern des Schlosses Spuren und Erinnerungen hinterlassen.
Nachdem man das Eingangstor durchschritten hat, gelangt man in die Eingangshalle; hier sieht man eine holländische Uhr; sie wird auch als "astronomische Uhr" bezeichnet, da sie nicht nur die Uhrzeit anzeigt, sondern auch den Wochentag, das Datum und den Monat, sowie das Sternzeichen, unter dem wir jeden Morgen aufwachen. Die Haupttreppe aus Eichenholz führt zum Obergeschoß
Rechts von der Empfangshalle liegt der große Eßsaal. Er wurde am Ende des 18. Jahrhunderts neu eingerichtet. Damals wurde der Eßsaal im unteren Teil mit Holzpaneele und im oberen Teil mit Lederverkleidung ausgeschmückt. Oberhalb der Türen sieht man Medaillons aus geschnitztem Holz; sie stellen Jagdszenen dar.

Neben diesem Saal liegt der kleine Eßraum. Der Tisch ist mit Meißener Porzellan (Zwiebelmuster) gedeckt. Die Gläser tragen die Initialen F. M.; oberhalb der Initialen ist eine Krone eingraviert.
Der Kronleuchter im Gobelin-Saal stammt aus Murano. Im Turm befindet sich ein charmanter Rauchsalon mit einer Kuppeldecke. Oberhalb des Kamins hängt das Porträt von Klemens-August, Kurfürst von Köln, der auch das Schloß in Brühl erbauen ließ.
Der Salon bietet einen schönen Blick auf den Park. Oberhalb des Kamins sehen wir das Porträt der Gräfin Merveldt; gegenüber befindet sich merkwürdigerweise der Schreibtisch der Gräfin, dekoriert mit Schreibutensilien aus Meißener Porzellan. Links und rechts vom Schreibtisch hängen Porträts von Theodor-Hermann von Merveldt und seiner Gemahlin, Hedwig von Westerholt, die den Bau des Schosses Westerwinkel neu geplant hatten. An verschieden Stellen stehen Spieltische. Das Kissen ist mit einem Bezug dekoriert, der von der zweiten Gattin des Kaisers Wilhelm II anläßlich ihres Exils in Holland angefertigt wurde.
Das Doppelbett des Schlafzimmers stammt aus dem achtzehnten Jahrhundert. Hier können wir uns vorstellen, wie die Zeit aussah, als es noch kein Fließwasser und keinen Ausguß gab; solange ist diese Zeit noch gar nicht vorüber. Auch damals stellte der Koffer jeweils sowohl einen Ladegegenstand so auch ein Toilettennecessaire und eine Modenschau dar.
Der kleine Schreibtisch oberhalb des Kamins wird auch weiterhin von Maximilian von Merveldt bewacht. Er wurde 1764 geboren und ist hier in der Uniform eines österreichischen Generals dargestellt. Er zeichnete sich aus Anlaß verschiedener Kriege aus. In Leipzig wurde er von den Franzosen gefangengenommen. Anläßlich seiner Befreiung erhielt er aus der Hand Napoleons dessen eigenen Ring. Später wurde er österreichischer Botschafter in England. Er starb im Jahre 1815 in London. Hinter Ihnen - an der linken Wand - sehen Sie eine von Prokopp gemeißelte Marmorbüste; es stellt Robert Keith dar, der im achtzehnten Jahrhundert ein Gesandter der Engländer am österreichischen Hof war.
Dieser Raum war das Büro der Gräfin von Merveldt. An den Wänden hängen die Porträts der letzten Merveldt die in Westerwinkel wohnten.
(aus einem Informationsblatt)

Der herrliche Garten ist für Spaziergänger frei zugänglich - um die Parkanlage herum führt ein gepflegter 18-Loch-Golfplatz, den wir uns natürlich nicht nehmen lassen zu spielen. Der zugehörige Parkplatz ist mit einer Schranke versehen; ein Clubmitglied läßt uns mit seinem Chip auf den Parkplatz, das nächste Clubmitglied raunzt mich an: 'damit haben Sie schon gegen die erste Ckubetikette verstoßen' - ich antworte nur, dass normalerweise nicht auf elitären 'etebete'-Clubs spiele. Aber die Rudne macht trotzdem Laune. Der Platz ist eigentlich nicht schwierig, hat nur ziemliche Längen, die an manchen Löchern einen Schlag mehr kosten.

© Herbert S., 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
regelmäßiger Besuch bei Freunden nördlich des Ruhrgebietes machte uns einzelne Sehenswürdigkeiten schmackhaft - außerdem gibt es dort auch mehrere Sterneköche! Nicht alle Kapitel entstanden auf einer Reise! es könnte eine Fortsetzungsreihe werden!
Details:
Aufbruch: September 2014
Dauer: circa 4 Wochen
Heimkehr: Oktober 2014
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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