Canada und Alaska

Reisezeit: Mai / Juni 2007  |  von Franzi S.

Der dritte Tag auf der Ten-ee-ah Lodge

Montag, 4. Juni 2007

Als wir heute morgen aufstehen, ist es draussen bewölkt. Das erste Mal seit vielen Tagen! Es war eine unruhige Nacht. Die Luft war zum Schneiden dick und feucht und ich erwachte immer wieder durstig. Nachbrand lässt grüssen...

Natürlich erfreuen wir uns wieder über neue Mückenstiche, und wir fragen uns wirklich, wo sich diese Viecher verstecken. Denn jeden Abend suchen wir das Schlafzimmer mit Sperberaugen ab und entdecken meistens kein einziges Tierchen. Das Fenster hat ein Mückengitter davor, also wo zum Teufel verstecken die sich??

Beim Frühstück lernen wir ein Schweizer Paar kennen, das ganze drei Monate in Kanada herumreist und auf dem Weg in den Yukon ist. Wow... drei Monate, das wär' was! Zurück im Chalet schmeisse ich mich in meine Reiterkluft, Jeans, langarmiges T-Shirt und Stiefel. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich noch einen Regenschutz mitnehmen soll. Obwohl die Sonne wieder ein wenig scheint, ballen sich am Horizont ziemlich dunkle Wolken zusammen.

Um viertel vor zehn begeben wir uns zu der Sattelkammer, wo meine Reitführerin Sarah bereits die Pferde aufsattelt. Da sich niemand mehr angemeldet hat, bin ich heute tatsächlich die Einzige, was mir natürlich sehr gefällt! Sarah ist Kanadierin mit Schweizer Wurzeln. Ihr Vater kommt aus dem Berner Oberland, ihre Mutter aus dem Zürichgebiet. Beide wanderten in jungen Jahren aus, so dass Sarah in Kanada geboren wurde. Da Zuhause aber Schweizerdeutsch gesprochen wurde, spricht auch sie hervorragend Mundart.

Yeah... endlich wieder ausreiten!

Yeah... endlich wieder ausreiten!

Ich frage sie, ob wir wohl einen Regenschutz brauchen würden. Sie verneint, wenn es regnen komme dann höchstens ein klein wenig. Ist mir auch recht! Sie stellt mir mein Reittier vor: Es ist eine Sie und heisst Bubbles. Eine schöne braune Stute mit schwarzer Mähne. Ich mag sie auf Anhieb. Sie scheint ein sanftes Wesen zu haben, was mir Sarah auch bestätigt. Sie sei ein aussergewöhnliches Pferd und vermöge sich in kürzester Zeit auf den Reiter einzustellen. Sitze jemand ohne Erfahrung auf ihr, könne sie lammfromm dem nächsten Pferd nachreiten, und wenn jemand mit Erfahrung auf ihr reite, gehorche sie jedem Befehl. Das gefällt mir!

Sarah stellt mir Bubbles vor

Sarah stellt mir Bubbles vor

Wir verlassen hoch zu Pferd die Lodge. Jürg winkt uns nach und ist froh, dass er nicht mit muss. Reiten wird nie zu seinem Lieblingshobby werden...

Der Ausritt wird wunderschön. Zuerst geht's lange dem Waldweg entlang, den wir vor zwei Tagen erwandert haben. Denn biegen wir auf einen kleinen Seitenpfad ab, der uns über Stock und Stein langsam in die Höhe führt. Bubbles gehorcht wirklich sofort jedem Befehl und lässt sich wunderbar leiten. Vorsichtig klettert sie über jeden Baumstamm, der im Weg liegt und schreitet gemächlich auf dem schmalen Trampelpfad den Berghang hinauf.

Irgendwann erreichen wir einen schönen Aussichtspunkt, wo wir einen Halt machen. Man hat einen herrlichen Blick in die Ferne, jedoch hängen die Wolken tief und es scheint als ob Petrus jeden Moment die Schleusen öffnen würde.

Sarah erzählt viel von sich. Sie ist "Wrangler", das ist die offizielle Bezeichnung, wenn man als Guide mit Touristen Ausritte organisiert und begleitet. Zusammen mit ihrem Freund Tony, der ebenfalls Wrangler ist, wohnt sie in Lac La Hache. Auch von mir will sie viel wissen. Sie ist wirklich sehr nett, und der Ausritt macht riesig viel Spass.

Als unsere Pause vorbei ist, reiten wir auf einer breiteren Strasse wieder den Berg hinab. Da sie weiss, dass ich nicht zum ersten Mal auf einem Pferd sitzt, fragt sie mich, ob ich gerne ein wenig im Trab oder Galopp reiten würde. Aber ja doch! So wird der Rückritt äußerst kurzweilig, da wir immer wieder die Gangart wechseln. Eigentlich habe ich immer ein wenig Mühe, die Pferde in den Galopp zu bringen. Nicht so mit Bubbles. Ein kurzer Kick und sie ist im Trab, ein weiterer Kick und sie galoppiert los. Wow - ich bin beeindruckt! Und so erzählt mir Sarah auch noch viel über das Einreiten von Pferden. In welchem Alter man damit beginnt und wie man vorgeht.

Durch unsere Geschwindigkeit sind wir fast eine halbe Stunde schneller wieder in der Lodge als vorgesehen. Zum Glück! Denn plötzlich öffnen sich die Himmelsschleusen und es beginnt zu regnen. Zurück in der Lodge helfe ich Sarah beim Absatteln. Zudem werden die Tiere noch mit einem weissen Pulver eingerieben, das sie von lästigen Tierchen befreien soll.

Es war ein ganz toller Ausritt, und ich bedanke mich herzlich für ihre Führung. Der Spassfaktor ist halt schon grösser, wenn man so nur zu Zweit ausreiten kann ohne eine ganze Horde Touristen, die zum ersten Mal auf einem Pferd sitzen.

Erstaunlicherweise habe ich auch kein einziges Wehwehchen. Das Knie schmerzt nicht, auch nicht der Rücken oder die Beine. Vermutlich half es, dass wir auf verschiedene Arten geritten sind, wo der Körper nicht so einseitig belastet wird. Zudem ist Bubbles auch eines der besten Pferde, die ich je geritten bin!

Die Regenfront hat uns nun vollständig erreicht. Es regnet Bindfäden. Ich denke die Leute hier sind froh darüber, ist doch alles ziemlich trocken. Auf der Veranda können wir herrlich am Trockenen sitzen und einen kleinen Lunch geniessen. Es wird auch kälter, so dass wir uns irgendwann wieder ins Chalet begeben.

Als der Regen für einen Moment aussetzt, schlägt Jürg vor einen Spaziergang zu unternehmen. Als wir neben der Lodge vorbei spazieren, springt sofort Twister daher, der sich über den nächsten Ausflug zu freuen scheint. Auch die ganze Pferdehorde, welche auf der Weide am Grasen ist, findet einen Ausflug wohl amüsant und schliesst sich uns an. So begibt sich ein ziemlich umfangreicher Umzug über die kleine Brücke beim Abfluss des Sees, vorbei an den Hook Ups für Camper zu einem weiteren Chalet, das wir noch nie gesehen haben. Muss auch neu gebaut sein. Es ist ein wunderschöner Ort direkt am See mit einem herrlichen Ausblick.

Die Pferde verschwinden in alle Richtungen und suchen sich ihr Futter. Der liebe Twister legt uns unermüdlich Steine und Hölzchen vor die Füsse. Wird der Hund denn niemals müde?

Es fängt wieder leicht zu regnen an, so dass wir wieder zurück zur Lodge spazieren. Jürg geniesst den restlichen Nachmittag auf der Veranda und ich lege mich aufs Sofa für ein Nickerchen.

Um sechs begeben wir uns in die Lodge. Es hat neue Gäste gegeben. Zwei neue Schweizer Paare sind hinzugekommen und die Holländische Familie ist abgereist. Wir setzen uns an die Bar und plaudern ein wenig mit den andern Gästen. Anita kommt vorbei und gibt mir einen Zettel, ich solle Regula anrufen. Ich versuche es zuerst im Spital von 100 Mile House, wo sie arbeitet. Aber dort findet man sie nicht. Dann werde ich halt später bei ihr zuhause anrufen.

Das Essen - heute im Innern der Lodge - ist wiederum äußerst lecker. Zur Vorspeise gibt es Toast mit Tomaten, dann gefüllte Plätzli mit Blumenkohl und Kartoffelstock. Bedient werden wir von Anne-Mae, einer sehr netten jungen Kanadierin, die auch ein wenig Deutsch spricht. Sie sei vier Monate in der Schweiz gewesen und habe in der Migros Klubschule Deutsch gelernt. Sie erinnere sich auch an uns. Wir wären 2002 hier gewesen. Wow, das nenne ich ein gutes Gedächtnis (oder haben wir uns so schlimm aufgeführt mit Mani und Roger?).

Während dem Abendessen ruft Regula nochmals an, so dass mich Anita ans Telefon holt. Wir verabreden uns morgen um halb elf bei der Post in 100 Mile House.

Beim Verlassen der Lodge tragen wir uns noch ins Gästebuch ein. Danach gibt es eine weiteren Yazee-Kampf mit Jürg. Er will Revanche für die 5 zu 0 Niederlage von gestern! Nun, heute Abend ist es besser, er verliert nur 3 zu 2, was er immer noch nicht lustig findet. Männer...

Es wird uns bewusst, dass wir morgen unsere schöne Ten-ee-ah Lodge verlassen müssen, was uns sehr traurig macht! Wir lieben diesen Ort, und wir werden mit Sicherheit wieder hierher zurückkehren. Wir haben es uns jedes Mal geschworen, und es hat immer wieder geklappt.

Weniger vermissen werden wir die verflixten Mücken! Immerhin müssen wir in der Zwischenzeit gegen jegliches Mückengift immun sein. Somit wird uns zuhause keine Mücke mehr was anhaben können. Wir sind nun schlimmeres gewöhnt... Gute Nacht!

© Franzi S., 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem Kreuzfahrtschiff gehts von Vancouver aus in den Südwesten Alaskas. Danach geniessen wir mit dem Mietwagen die Wildnis von British Columbia.
Details:
Aufbruch: 17.05.2007
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 13.06.2007
Reiseziele: Kanada
Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Franzi S. berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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