Ostfriesland für Fischliebhaber und Nicht-Wassersportler

Reisezeit: September 2023  |  von Herbert S.

Ostfriesland Mitte - (Aurich u.a.) : Granitquaderkirche

Es gibt in Ostfriesland eine ganze Reihe von Kirchen, an denen Granitstein verarbeitet wurde. Eine sowohl vom baulichen, als auch von der Bedeutung für geographische Vermessung bedeutende ist allerdings die Kirche in Middels bei Aurich.

Die ev. luth. Granitquaderkirche in Middels bei Aurich wurde Anfang des 13. Jahrhunderts vollständig aus Granitquadern errichtet und ist eine der ältesten Kirchen Ostfrieslands.
Die Steine stammen von Granitfindlingen aus der Eiszeit, die in mühseliger Arbeit zu Quadersteinen geformt wurden. Die Mauerstärke beträgt 1,5 Meter. Der Glockenturm aus Backstein stammt aus dem 14. Jahrhundert und steht einige Meter versetzt von dem Kirchengebäude.

Schon für das 8/9. Jh. ist an dieser Stelle ein Gräberfeld nachzuweisen. Im 10/12. Jh. stand hier eine Holzkirche. Die Granitquaderkirche stammt aus dem frühen 13. Jh., die Apsis wurde um 1400 erneuert. Die Nordseite zeigt noch ihre fast vollständige romanische Form, während die Südseite stark verändert und die Westwand vollständig erneuert ist. Der Glockenturm stammt aus dem. 14. Jh.
(leider geschlossen)

GregorHelms, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

GregorHelms, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

Höhenfestpunkte dienen der Bestimmung des örtlichen Höhenniveaus in Bezug zum Meeresspiegel. Sie sind insbesondere bei Planungen von Bauwerken, Straßen, Kanalisationen und Gewässern von Bedeutung. Der Höhenfestpunkt an der Middelser Kirche (Glockenturm) war in Ostfriesland somit ein wichtiger Ausgangspunkt für Höhen-Vermessungen.
Für den Höhenbezug wird der mittlere Meeresspiegel an einer Messstelle (Pegel) der nächstgelegenen Küste als Nullpunkt herangezogen. In Europa ist der Amsterdamer Pegel für den Nordseeraum maßgebend.
Von hier aus wurden die über das gesamte Land verteilten amtlichen Höhenfestpunkte netzartig mit einem Nivellement verbunden und so höhenmäßig bestimmt (s. Abbildung).

Diese amtlichen Höhenfestpunkte realisieren somit das Höhen-Bezugssystem. Die Höhenmarken wurden oft an dauerhaften Gebäuden angebracht und gelten hoch heute als stabile Höhenpunkte.
In Niedersachsen geht der amtliche Höhenbezug zurück auf die Königlich Preußische -Landesaufnahme. In den Jahren 1868 bis 1894 wurde erstmalig in ganz Preußen ein zusammenhängendes Höhennetz geschaffen, das die Grundlage für den späteren Aufbau des heutigen Deutschen Haupthöhennetzes (DHHN 1992) bildete.
Der Höhenfestpunkt an der Middelser Kirche wurde 1893 von der Königlich Preußischen Landesaufnahme bestimmt. Das Höhenniveau bezog sich auf Normal-Null (s. Angabe auf der Höhenmarke). Heute werden die Höhen im DHHN über Normalhöhennull (Höhe über NHN) unter Berücksichtigung des Erdschwerefeldes angegeben. Normalhöhennull ist eine mit Hilfe von Schweremessungen ermittelte Bezugsfläche gleicher Schwerkraft, die dem gedachten gekrümmten Meeresspiegel unter der Erdoberfläche entspricht (s. Abbildung).
Die Höhenmarke am Glockenturm wurde bei der Sanierung 2006 an der Südwestwand entfernt, 2008 wurde sie an der Südostwand wieder angebracht und neu bestimmt. Die Oberkante der Höhenmi hat heute eine Höhe von 10,159m über NHN.
Weitere historisch bedeutsame Höhenpunkte sind u.a. am Schloss in Aurich am Landesmuseum in Emden, an der St Nikolai-Kirche in Leer zu finden.

Eine weitere Bedeutung kommt dem Glockenturm der Middelser Kirche zu:
Die Kirche (Glockenturm) in Middels hat in den Anfängen des Liegenschaftskatasters in Ostfriesland (ca. 1870) als Nullpunkt eines Koordinatensystems eine besondere Bedeutung erlangt.
Ein geschichtlicher Rückblick:
Für eine gerechte Besteuerung von Grund und Boden war eine genaue Parzellarvermessung (Grundsteuervermessung) notwendig.
Die Grundstücke sollten für große zusammenhängende Gebiete in Karten dargestellt werden.
Voraussetzung dafür sind Koordinatensysteme. Infolge der Erdkrümmung lassen sich ebene Koordinaten nicht in Systemen beliebiger Größe anwenden. Die Längenverzerrungen würden zu groß werden. In Ostfriesland wählte man deshalb in jedem der drei Kreise einen Trigonometrischen Punkt der Gaußschen Triangulation aus, der Nullpunkt eines eigenen Koordinatensystems (Partialsystem) werden sollte. Exakter Nullpunkt des Systems im Kreis Aurich wurde die im Bild mit Pfeil gekennzeichnete Glockenturmspitze. Weitere Nullpunkte waren die Reformierte Kirche Leer für den Kreis Leer und die Kirche Greetsiel für den Kreis Emden.
Die drei Koordinatensysteme wurden nach 1945 mit der Herstellung neuer Katasterkarten durch das Gauß-Krüger-System abgelöst.

© Herbert S., 2023
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach langer Zeit (Corona und 3 abgesagten Urlauben) können wir uns noch einmal aufraffen, ein Stück unerlebtes Deutschland zu entdecken. In der Zeitschrift Landlust hat meine Frau Ulrike eine Ferienwohung entdeckt, die uns reizt. Auf der Hinfahrt sind allerdings in den Niederlanden noch ein paar Besichtigungen eingeplant.
Details:
Aufbruch: 10.09.2023
Dauer: 10 Tage
Heimkehr: 19.09.2023
Reiseziele: Niederlande
Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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