Marc und Marten um die Welt

Reisezeit: August 2013 - August 2014  |  von Marten Seifert

Dschungeltour

Dienstag 24. September 2013
Es ist immer noch kalt, als wir kurz vor neun im Büro unserer Agentur stehen und auf unsere ebenfalls 50€ p.P. teure bzw. billige Dschungeltour aufbrechen möchten. Leider weiß die Dame hinterm Schreibtisch davon gar nichts und so müssen erst einige Telefonate geführt werden, bis wir dann eine halbe Stunde später in einem Boot sitzen, das uns zu unserem Camp bringen soll. Auf der gegenüberliegenden Seite des Benirivers wird dann eine 13€ p.P. teure, sehr aufwendige Eintrittskarte für den Dschungel ausgefüllt. Danach heißt es drei Stunden Bootsfahrt. Und als wäre der Kälteeinbruch nicht genug, fegt uns hier auch noch ein unglaublicher Fahrtwind entgegen, sodass mir selbst mit Pullover und Schal zu kalt ist. Marc war immerhin schlau genug, eine lange Hose anzuziehen.
Dafür ist die Fahrt an sich mal wieder absolut sehenswert. Zwar gibt es am Ufer des Benirivers zumindest auf unserem Abschnitt keine Kaimane oder Schildkröten zu sehen, aber dafür ist der Fluss nach dem gestrigen Regen stark angeschwollen und riesige Strudel und Verwirbelungen umtreiben unser Boot. Während die Strudel an einigen Stellen 50cm tiefe Löcher in den schlammig braunen Fluss drücken, quillt das Wasser an anderer Stelle wieder nach oben und bildet dort richtige kleine Berge. Kentern möchte man hier selbst mit Schwimmweste nicht, aber zum Zugucken ist es einfach geil.

Beniriver

Beniriver

Irgendwann legt das Boot an und nach 10 Minuten Fußmarsch durch den Dschungel erreichen wir unser Camp. Eine halbe Stunde sitzen wir hier wie bestellt und nicht abgeholt. Wir wissen nicht, wie unser Guide heißt und kein Guide weiß, wer wir sind. Danach werden wir immerhin schon mal zum Mittagessen gebeten.
Für zwei Gruppen endet das Dschungelabenteuer heute und so wird schließlich auch ein Guide für uns frei. Der kann zwar kein Englisch, aber das wussten wir auch schon vorher. Es gibt keine Leute, die sich genug mit dem Dschungel auskennen und die Zeit haben, Englisch zu lernen, hat uns zumindest die Tante bei der Travel Agency in La Paz erklärt. Und irgendwie ist uns das dann auch ganz recht.

unser Camp

unser Camp

Auf leisen Sohlen brechen wir am Nachmittag zu unserer ersten Dschungeltour auf. Nur Marc, ich und der Guide. Total cool.
Unzählige schmale Pfade führen durchs Unterholz. Vögel zwitschern und singen um uns herum und tausende verschiedene Gerüche wechseln sich alle paar Meter ab. Es ist ein bisschen wie in La Paz, nur viel angenehmer. Über uns ragen die Bäume mit ihren majestätischen Kronen 30, manche sogar 40 Meter hoch in den Himmel. Lianen hängen bis auf den Boden herab, wo die verschiedensten Büsche und Sträucher um das spärliche Sonnenlicht kämpfen.
Doch aktuell ist Frühlingsanfang, der Höhepunkt des Laubwechsels und der Boden ist voller Blätter. Aber da nicht nur die Bäume sondern auch die Insektenpopulationen verhältnismäßig licht sind, werden wir uns nicht beschweren.

Nur Mücken summen leider in Massen um uns herum. Autan interessiert die auch einen Dreck und so ist lange Kleidung und bloß-nicht-stehenbleiben der einzige Schutz.
Neben dem Geruch der zerkauten Kokablätter unseres Guides, schlägt uns plötzlich ein moschussähnlicher Gestank entgegen. Das Geräusch von berstendem Holz hallt durch den Wald. "Pigs", erklärt uns der Guide mit einem breiten, um einen Schneidezahn verminderten Grinsen im Gesicht. Einige Minuten versuchen wir, uns schleichend den Schweinen zu nähern. Doch es liegt zu viel trockenes Laub auf dem Boden.
Dann geht plötzlich alles ganz schnell. Der Guide rennt los, wir hinterher. Laub raschelt, Büsche wackeln. Das Unterholz kracht. Der Tiergestank ist allgegenwärtig. Es quiekt und grunzt. Dunkle Schatten sausen durch das Dickicht. Und dann, direkt vor uns prescht eine Herde von dreißig, vierzig schwarzen Schweinen durch den Dschungel. Leider viel zu schnell für scharfe Fotos.

vorbeisausendes Schwein

vorbeisausendes Schwein

Insgesamt geht es über drei Stunden durch den Dschungel. Warum ich mich heute so schwach fühle, erfahre ich erst am nächsten Tag. Unser Guide erklärt uns derweil allerlei heilende Wirkungen verschiedener Pflanzen und Bäume. Ein Baum, dessen Rinde unfassbar nach Knoblauch riecht, kann zum Beispiel auch als Mückenschutz eingesetzt werden. Obwohl meine Spanischkenntnisse immer noch mehr als begrenzt sind, ist es dank Einsatz intensiver Mimik und Gestik des Guides sogar mir möglich, seine Erklärungen zu verstehen.
Und während wir uns einige Meter weiter unter einem besonders großen Baum noch über feuchte, von Affenurin getränkte Blätter freuen, merken wir gar nicht, dass wir schon längst mit der kompletten Sohle in deren Hinterausscheidungen stehen.
Das Geräusch eines startenden Flugzeuges lenkt plötzlich unsere Aufmerksamkeit auf sich. Natürlich handelt es sich nicht um ein Flugzeug, sondern um irgendeine Brüllaffenart, die den gesamten Dschungel mit diesem ohrenbetäubenden Rauschen zusammenschreit. Im Sturmschritt geht es weiter durchs Dickicht, bis wir nach einer Viertelstunde endlich am Fuße eines monströsen Baumes stehen in dessen Gipfel eine Brüllaffenfamilie haust und uns skeptisch von oben herab mustert.

Die Sonne neigt sich dem Untergang und um uns herum beginnt es zu dämmern. Marc und ich haben jegliche Orientierung schon vor zwei Stunden hoffungslos verloren, doch unser Guide schreitet zielstrebig durch die Weiten des Dschungels, bis wir plötzlich wieder in unserem Camp rauskommen. Und das alles ohne Kompass. Unfassbar dieser Typ.
Auch wenn das Abendbrot ähnlich gut ist, wie bei der Pampastour, endet der Tag für Marc trotzdem mit Trauer. Die zwanzigminütige Zweisamkeit mit einem Nachtfalter endet tragisch, als dieser von Marcs Hosenbein direkt ins offene Lagerfeuer fliegt und mit einem lauten Zischen verglüht. Was ein dämliches Kamikazeviech.

soviel zum Thema Einzelbetten

soviel zum Thema Einzelbetten

Mittwoch 25. September 2013
Der Magen-Darm-Virus, mit dem ich seit zwei Wochen mehr oder weniger im Einklang lebe, hat leider den Waffenstillstand annulliert. Nach einer unruhigen Nacht, in der ich verzweifelt aufs Hellwerden gewartet habe, ist meine erste Handlung an diesem Tag der Gang zur Dschungeltoilette.
Während der Virus mit Magenkrämpfen, Schwächgefühl und na ja, ich denke jeder weiß, wie sich so ein M-D-Virus hauptsächlich äußert, zum Angriff übergeht, habe ich ihm vorerst nichts weiter als Kohletabletten entgegenzusetzen. Wir werden sehen, wer den längeren Atem hat.
Nach dem Frühstück geht es dann direkt wieder los, den Dschungel erkunden. Das Schwächgefühl macht es mir leider schwer, die Tour so richtig zu genießen. Die Schweineherde läuft uns heute auch nicht mehr über den Weg. Dafür hämmert unser Guide gegen den Stamm eines kleinen Baumes und zeigt voller Stolz auf die abnormal riesigen Ameisen, die keine Minute später aus ihrem unterirdischen Bau heraufkriechen. Die Information, dass man nach einem Biss dieser Viecher den ganzen Tag lang teuflische Schmerzen hat, lässt Respekt und Sicherheitsabstand vor ihnen noch weiter wachsen.
In der Ferne hören wir wieder die Brüllaffen schreien, aber abgesehen von einem Tukan, der uns vor die Linse kommt, bleibt der Vormittag eher ruhig.

Tukan

Tukan

Plötzlich, wir sind gerade mit dem Beobachten einer Blattschneiderameisenstraße beschäftigt, raschelt es direkt neben uns. Ein dunkler Schatten schiebt sich aus dem Dickicht in unser Blickfeld. Vollkommen regungslos beobachten wir das ausgewachsene Exemplar eines Ameisenbärs, wie es immer näher auf uns zukommt und uns mit seinen schlechten Augen einfach übersieht. Erst als er schon fast auf einen Meter herangekommen ist, riecht er uns plötzlich. Zu Tode erschrocken macht das Tier kehrt und flüchtet ins Unterholz zurück. Doch ein Foto von ihm ist uns sicher.

Das üppige Mittagsmahl genießt sich mit meinen Magenkrämpfen leider nicht ganz so, wie die Tage zuvor, aber wenigstens lässt das Schwächegefühl ein wenig nach. Nach dem Essen verlässt die letzte verbliebene Gruppe das Camp und weil heute auch keine neue kommt, bleiben nur Marc, ich, unser Guide und die Köchin zurück. Zurück im menschenleeren Dickicht des bolivianischen Dschungels.
Am Nachmittag geht es dann noch mal für 3-4 Stunden los, den Weg für die Nachtwanderung ebenen. Über diverse Trampelpfade gelangen wir an einen Beniriverzufluss, wo wir in einigen Stunden Tapire und andere Tiere auf der nächtlichen Suche nach Wasser anzutreffen hoffen. Das Versinken der Sonne hinter den majestätischen Kronen der Dschungelbäume bekommen wir auf diese Weise auch noch zu Gesicht.

Nach dem Abendessen geht es dann den gleichen Weg durchs Dickicht zum Fluss. Einige giftige, aber wohl nicht tödliche Spinnen spinnen ihre Netze am Wegesrand, während eine Gruppe nachtaktiver Äffchen im Blätterdach über uns herumturnt. Bei der Überquerung eines kleinen Baches kommt uns noch ein Käuzchen, oder Eule, oder was auch immer für ein nachtaktiver Vogel vor die Linse und lässt sich fürs Foto fast fünf Minuten lang von unserem Guide direkt mit der Taschenlampe anleuchten.

Unsere Lampe gibt leider, gerade als wir das Flussufer erreichen, wie aus dem Nichts den Geist auf und so stolpern wir die letzten hundert Meter blind über Stock und Stein dem Guide hinterher. Nachdem dieser uns schon tagsüber bewiesen hat, dass er nicht nur jedes Affengebrüll perfekt imitieren, sondern auch allein am Rascheln der Blätter erkennen kann, um welches Tier es sich handelt, unterhält er sich jetzt mit zwei einsamen Kaimanen im Tümpel vor uns. Wie gesagt, einfach cool der Typ.
So lange wir auch stillsitzend warten, einen Tapir bekommen wir leider trotzdem nicht zu Gesicht und so brechen wir den Rückweg durch die Finsternis an, immer an den Fersen des Guides klebend, damit wir wenigstens ein bisschen am Licht seiner Taschenlampe teilhaben können.

Donnerstag 26. September 2013
Heute Vormittag steht wieder Piranhafischen auf dem Plan. An einem Tümpel im Dschungel, wo es von Mücken und furchtbar aufdringlichen Fliegviechern nur so wimmelt. Immerhin habe ich heute das Glück, keinen Fisch zu fangen, dem ich beim Hakenrausziehen wieder irgendwelche Leiden zufüge, nur um ihn dann wieder ins Wasser zurückzuwerfen. Dafür fängt Marc heute einen und der Guide zieht auch was an Land.

Beim Mittagessen kommt eine neue Gruppe Touristen an. Wir sind derweil ganz froh, wieder in die Zivilisation ohne Mücken und mit eigenem Bad zurückzukehren. Das schöne Wetter mit Sonnenschein bei über 30°C ist nämlich auch zurückgekehrt und da man wegen der vielen Mücken nur langärmlich durch den Dschungel wandern kann, lässt es sich im Schnellboot ohnehin viel besser aushalten.

Unterwegs legen wir noch einen Stopp am Ufer des Benirivers ein, von wo uns ein kurzer Fußmarsch durch den Dschungel zu einer steilen Bergwand führt. Dutzende grüne und rotblaue Papageien sitzen hier in den unzähligen Löchern in der Felswand und in den Baumkronen über uns. Als uns unser Guide die Felswand hinauf, noch näher an die bunten Vögel heran, führt, empfangen uns die Papageien mit lautem Protestgeschrei.
Durch die grüne Dschungellandschaft fährt uns das Schnellboot weiter stromabwärts, zurück nach Rurrenabaque.

© Marten Seifert, 2014
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ein ganzes Jahr haben wir uns Zeit genommen, um von Berlin aus über NY, Südamerika, Australien und Ozeanien und Südostasien um die Welt zu fliegen, bevor es wieder in die Heimat zurückgeht.
Details:
Aufbruch: 27.08.2013
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 26.08.2014
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Peru
Bolivien
Chile
Ecuador
Kolumbien
Panama
Costa Rica
Französisch Polynesien
Neuseeland
Australien
Singapur
Indonesien
Malaysia
Thailand
Myanmar
Kambodscha
Deutschland
Der Autor
 
Marten Seifert berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.