La Moselle - Eine Reise auf den Spuren eines Flusses, Teil 2
1. 10. 2024, Wanderung nach Bains-les-Bains
Zwischentag in La Landre, Wanderung nach Bains-les-Bains, Di., 1.10. 2024
Heute morgen habe ich mich, nachdem das erste Tageslicht zum Fenster hereinschien, nochmal umgedreht. Es is 9:15 Uhr, als ich im Frühstücksraum ankomme. Es sind keine anderen Gäste da. Ich habe eine schöne, geräumige Maisonette-Suite gebucht. Von meiner freundlichen Gastgeberin, die auch ein bisschen Deutsch spricht, lasse ich mir auf meiner Wanderkarte zeigen, wo ich mich eigentlich befinde. Die Ortsbezeichnung La Landre kenne ich, irgendwo in der Nähe muss auch der Kurort Bains-les-Bains sein, aber gesehen habe ich bisher nur, daß unterhalb des großen Grundstückes ein Bach fließt. Da ich heute das Fahrrad stehen lassen und mich zu Fuß auf den Weg machen möchte, frage ich sie auch nach Wanderwegen. Sie empfiehlt mir mehrere. Meine paar Brocken Französisch sind mir jetzt sehr hilfreich. Bains-les-Bains ist etwa vier Kilometer von hier entfernt. Da gibt es Restaurants. Ich habe mir gedacht, abends dort einzukehren, wovon sie mir abrät, aus berechtigter Befürchtung, daß ich den Weg abends im Dunkeln womöglich nicht finden und mich verirren könnte. Ich könne doch am Vormittag dort hin wandern, mir im Supermarkt etwas kaufen und am Abend im Haus essen. Das halte ich für eine gute Idee. Dann würde ich gleichzeitig ein paar Vorräte für die nächsten Tage kaufen. Ich versuche, diesen Gedanken auf Französisch zu formulieren, was zu einer schönen, lustigen Französisch-Lektion wird. Also:
"Je veux aller au supermarché à Bains-les-Bains et acheter quelque chose à manger et des provisions pour les prochains jours."
Sie fordert mich auf, diesen Satz mehrmals hintereinander langsam zu sprechen. "Üben Sie jeden Tag eine Phrase!" gibt sie mir in Deutsch als Empfehlung mit, und das halte ich für einen guten, sinnvollen Ratschlag. Werde ich machen!
Wanderung nach Bains-les-Bains und zurück
Nach dem Frühstück gehe ich zu dem Bach hinunter, der Ruisseau le Recourt heißt, verlasse aber den wieder hinaufführenden, asphaltierten Weg, weil ich auf dem schmalen Trampelpfad, der direkt neben dem Bach verläuft, gehen will. Nach einem kurzen Stück endet der Pfad jedoch. Na ja, egal. Hier ist doch eine schöne Stelle im Bach, die tief genug ist, daß ich mich hineinlegen kann. So komme ich zu meinem geliebten kalten, erfrischenden Natur-Bad, daß ich so liebe. Also, nichts wie rein in die Fluten. Herrlich! Danach am Ufer hocken und das Wasser auf der Haut verdunsten lassen. Der kontemplative Zustand, der sich dabei einstellt: Die Sinne öffnen sich und ich schaue und lausche auf das Fließen des Baches in seinem Bett, nehme alles, was hier ist, bewusst wahr.
Dann gehe ich über eine Wiese oder Weide, oberhalb derer eine Reihe von größtenteils unbewohnten Häusern steht. Mir ist etwas mulmig zumute, weil mir immer noch jeder Anhaltspunkt fehlt, wo hier was ist und wo ich gerade laufe.
Ich komme zu einer kleinen Straße und an einer Abzweigung sehe ich einen Wegweiser. "La Gare de Bains" nach oben, Les Grand Prés" nach unten. Okay, also verläuft etwas weiter oben die Bahnstrecke und da ist auch der Bahnhof, an dem ich gestern abend ausgestiegen bin und in der anderen Richtung ist diese kleine Siedlung, in der ich gestern im Dunkeln ratlos umherfuhr. Ein Blick auf die Karte: Alles klar. Ich weiß genau, an welcher Stelle ich bin. Die Orientierung ist da. Erleichterung! In Les Grand Prés entscheide ich mich, den Weg nach Bains-les-Bains zu laufen, weiter entlang des Baches. Schließlich finde ich eine schöne Stelle an der Mündung eines Baches, der "Bagnerot" heißt. Hier mache ich Rast. Ich lese ein paar Seiten in meinem Buch: " Die Seele des Flusses - Auf dem Po durch ein unbekanntes Italien" von Paolo Rumiz und finde diesen Satz:
"Einen Fluss lernt man erst kennen, wenn man ihn befährt."
Mir kommt das sofort vollkommen plausibel vor. Meine Idee einer Moselreise ließ diese Option völlig außen vor. Es kam mir gar nicht erst in den Sinn! Also bin ich ein typischer Landmensch, oder? Ist es dann doch gar nicht der Fluss selbst, der mich interessiert? Ja, eigentlich doch. Aber es ist nicht die Unmittelbarkeit des Auf dem Wasser seins, sondern die Wahrung der Distanz zu ihm. Abgesehen von den kleinen Abstechern: Ich sitze gerne mal eine Weile am Ufer des Flusses, betrachte seine Strömung, versenke mich in sein Rauschen. Manchmal nehme ich auch ein kurzes Bad. Und auf keinen Fall vergessen, diesen besonderen Moment fotografisch festzuhalten. Und das war`s. ich entferne mich wieder von ihm. Mit einem Kanu oder Kajak zum Beispiel auf dem Fluss zu rudern, seine Wellen, seine Strömung, seine Strudel unmittelbar zu erleben, auch als Herausforderung: Das wäre etwas völlig anderes. Könnte ich mir das vorstellen? Würde ich es lernen wollen? Oder bleibe ich doch lieber ein Landbewohner, der die sichere Distanz zu den Flüssen und Meeren wahrt?
In Bains-les-Bains
Ich erreiche Bains-les-Bains. Erwartet hatte ich ein hübsches, kleines Kurstädtchen. Aber nein, das hier ist wirkliche Tristesse. Im Zentrum verlassene Gebäude, heruntergekommene Fassaden, geschlossene Fensterläden, wo ich hinschaue. Immerhin; es gibt noch eine Therme und auch ein Office de Tourisme. Ich decke mich im "Intermarche" am Ortsrand mit ein paar Lebensmitteln für mein Abendessen ein. Auf dem Rückweg setzt Nieselregen ein. Ich bin glücklich und entspannt.
Aufbruch: | 30.09.2024 |
Dauer: | 11 Tage |
Heimkehr: | 10.10.2024 |