La Moselle - Eine Reise auf den Spuren eines Flusses, Teil 2

Reisezeit: September / Oktober 2024  |  von Jörg König

8. 10. 2024, von Metz nach Manderen

6. Etappe: Radtour von Metz zum Dreiländereck und nach Manderen

Das Hostel "La Brasserie", eine ehemalige Brauerei, ist ein sehr entspannter Ort mitten im quirligen Zentrum von Metz. Es ist ganz gut besucht. Eine Gruppe sehr dunkelhäutiger Kinder -ausschließlich Jungen- ist mit ihren Betreuern hier. Ich frage mich, zu welcher Ethnie sie wohl gehören. Es könnten Tamilen sein. Abends höre ich die Kinder auf ihren Zimmern poltern und lärmen. Halt wie Jungs sich so verhalten. Irgendwann hört man dann plötzlich keinen Mucks mehr und es ist total ruhig. Zwei Frauen aus dem nahen Saarland sprachen mich gestern an. Sie sind, wie ich, mit ihren Fahrrädern unterwegs. Sie wollen an der Rhône entlang fahren, Richtung Süden, in der Hoffnung auf besseres Wetter. Bisher seien sie durch hügelige Landschaft gefahren; das sei doch mit Gepäck sehr anstrengend gewesen und sie führen Teilstrecken mit dem Zug, erzählten sie mir.

Heute habe ich meine letzte Etappe vor mir, von hier bis zum Dreiländereck Frankreich-Luxemburg-Deutschland. Ich stehe früh auf, öffne die Fenster. Der Verkehrslärm dringt herein. Ich dusche kalt, mache mein tägliches kurzes Übungsprogramm mit abschließender Morgenmeditation, packe meine Sachen und gehe in den Frühstücksraum. Es ist ca. acht Uhr. Draußen sind viele Menschen unterwegs, zur Arbeit, zur Schule. Reger Auto- und Busverkehr. Als ich losfahre, ist es stark bewölkt, sehr mild und entgegen der Wettervorhersage trocken. Ich verlasse bald die Stadt und fahre auf dem bequemen, asphaltierten Radweg an der Moselle entlang. Ich merke, daß mein Körper sich jetzt an diese Art der Fortbewegung über längere Distanzen gewöhnt hat. Es fühlt sich gut an.

Die Mosel ist hier zu einem großen Teil kanalisiert. Zwischen Argancy und Richemont verläuft links neben der mäandrierenden Mosel der Canal des Mines.
Ein paar größere Frachtschiffe unter belgischer Flagge sind unterwegs. Ich beobachte eines der Schiffe dabei, während es in die Schleuse von Richemont einfährt und auf die Moselle wieder hinausfährt.

Ein Frachtschiff fährt aus der Schleuse bei Richemont.

Ein Frachtschiff fährt aus der Schleuse bei Richemont.

Ein See nahe der Mosel zwischen Metz und Thionville

Ein See nahe der Mosel zwischen Metz und Thionville

Von Thionville zur Grenze

Thionville, die drittgrößte Stadt Lothringens, ist die letzte Stadt auf meiner Tour. Ich mache hier nur Mittagspause, trinke einen Kaffee in der Innenstadt, schaue kurz in die Eglise St. Maximin hinein. Kurz hinter Thionville kommen schon die vier riesigen Kühltürme des Atomkraftwerks Cattenom in Sicht.
Mit Cattenom verbinde ich eine Jugenderinnerung. Ich war Schüler am Max-Planck-Gymnasium in Trier und fuhr mit einem Freund und Mitschüler, Dirk Schmidt, in einem gecharterten Bus nach Cattenom. Das Kraftwerk sollte gerade gebaut werden. Das war um 1984/85, glaube ich. Es gab großen Widerstand. Die Anti-Atomkraft-Bewegung konnte sehr viele Menschen mobilisieren, auch in den Schulen. Die Stadt Trier und das Saarland klagten vor dem Straßburger Verwaltungsgericht auf einen Baustopp. Es war die Idee meines Freundes, daß wir mitfahren; ein paar unserer Lehrer waren auch dabei. Als wir auf der riesigen Baustelle ankamen, befanden wir uns in einer beeindruckenden Menschenmenge, AKW-Gegner aus der gesamten Region. Wir hörten uns die Reden an. Es war schon sehr beeindruckend für mich. Die erste Demo, an der ich teilnahm und die einzige Anti-AKW-Demo. Gebaut wurde Cattenom dennoch.
1986 ging der erste Reaktor ans Netz. Cattenom ist eines der größten Kernkraftwerke der Welt. Es deckt den größten Teil des Energiebedarfes im Nordosten Frankreichs und ist der größte Wirtschaftsmotor der Region. Frankreich will die auf 40 Jahre begrenzte Laufzeit der Reaktorblöcke bis weit ins nächste Jahrzehnt verlängern, während Deutschland und Luxemburg -nach dem Super-GAU in Fukushima und dem daraufhin beschlossenen Ausstieg Deutschlands aus der Atomkraft auf eine Stilllegung drängen. Aber auch hierzulande fordern mittlerweile führende Politiker völlig absurderweise ein teilweises Wiederhochfahren von bereits zurückgebauten AKW`s.
(Quelle: Günther Schenk: "MOSEL- Mit Nancy, Metz, Trier, Bernkastel-Kues und Koblenz", Trescher Verlag)

Das Atomkraftwerk Cattenom, vom Radweg aus gesehen

Das Atomkraftwerk Cattenom, vom Radweg aus gesehen

Hinter dem kleinen Ort Cattenom wird es deutlich ruhiger. Die sanft hügelige Landschaft ist landwirtschaftlich geprägt. Weite Flächen mit Kuhweiden und Feldern, bald auch die ersten Weinanbauflächen, die ich sehe. Die Ballungsräume der Städte, die Industriegebiete und der ständige unterschwellige Sound der Autobahnen liegen hinter mir. Die nächste große Stadt moselabwärts ist Trier.

Der Fluss strömt ruhig und gleichmäßig dahin. Ein paar Kilometer vor dem Dreiländereck wird das Tal, das, seitdem die Moselle die letzten Ausläufer der Vogesen verlassen hat, sehr breit war, wieder deutlich enger. Bei Sierck-les-Bains fahre ich an dem Château des Ducs de Lorraine vorbei, dem Schloss der Herzöge von Lothringen. Hierher zogen sie sich gerne mit ihren Familien zurück. Die Herrschaften wußten schon, wo es am schönsten ist. Ein etwas älteres Paar aus Österreich spricht mich an. Ob ich wüßte, was für ein Schloss das sei. Wir führen einen netten, kurzen Plausch. Sie mögen die Mosel, besuchen hier verschiedene markante Orte. Sie sind neugierig auf meinen Radwanderführer, da sie ebenfalls vorhaben, eine Radtour an der Mosel in Frankreich zu machen. In meiner Heimatstadt Trier waren sie auch schon, sagen sie. Wie alle, die Trier zum ersten Mal besucht haben, erinnern sie sich vor allem an dieses große, schwarze Tor, die Porta Nigra. Ich kann ihnen ein bisschen etwas über deren Geschichte erzählen.

Bald bin ich schon in Apach, dem Grenzort auf der französischen Seite. Jetzt muß ich noch ein paar Kilometer auf einer kleinen, zum Glück kaum befahrenen Straße durch das Tal des Ruisseau de Manderen hinauf zu meinem letzten Quartier in dem Ort Manderen fahren. Dort will ich morgen noch bleiben. Bald kommt das Château de Malbrouck ganz oben auf der Höhe in Sicht. Am Abend kommt dann endlich die Sonne raus. Die Apfel- und Birnbäume hängen voller reifer Früchte. Endlich goldener Oktober!

Apfelbäume bei Merschweiller am Dreiländereck

Apfelbäume bei Merschweiller am Dreiländereck

© Jörg König, 2025
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Das ist das Tagebuch des zweiten Teiles meiner Moselreise von der Quelle bis zur Mündung in mehreren Etappen. Im Unterschied zur ersten Etappe bin ich diesmal nicht gewandert, sondern mit dem Fahrrad von Remiremont zum Dreiländereck Frankreich-Luxemburg-Deutschland gefahren, mit Abstechern entlang des Canal des Vosges und nach Nancy.
Details:
Aufbruch: 30.09.2024
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 10.10.2024
Reiseziele: Frankreich
Der Autor
 
Jörg König berichtet seit 7 Monaten auf umdiewelt.
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