La Moselle - Eine Reise auf den Spuren eines Flusses, Teil 2
6. 10. 2024, von Nancy nach Metz
Fünfte Etappe: Radtour von Nancy nach Metz, So., 6. 10. 24
Heute morgen ist dichter Nebel. Und es ist kalt. Richtig kalt! Was ich sehr mag. Es bringt mir dieses Gefühl wieder, das ich mit meinen Reisen in den Hohen Norden assoziiere: Kaltes, raues Klima. Herrlich! Als ich nach dem Frühstück kurz nach 8 Uhr aufbreche, ziehe ich Schal und Handschuhe an und rolle mit meinem Fahrrad den Berg runter. Heute habe ich wieder eine lange Etappe vor mir; laut meinem Radwanderführer 70 Kilometer von Nancy nach Metz, nicht eingerechnet die beiden Abstecher, die ich noch machen will.
In Malzeville überquere ich den Kanal und biege auf den Radweg ein, der zunächst an der Meurthe entlang führt. Eine Gruppe junger, athletischer Jogger ist gerade dabei, sich aufzuwärmen. Sie wirken auf mich wie Profis oder Sportstudenten. Überhaupt wieder viele Jogger, auch ältere Männer und Frauen unter ihnen, die sich fit halten. 15 Kilometer nördlich von Nancy, bei Custines, gelange ich zur Mündung der Meurthe in die Moselle. Ganz entspannt und froh, aus der Stadt raus zu sein, genieße ich das angenehme Fahren auf dem Radweg durch das breite Moseltal. Es wird wieder ländlich, aber auch die Autobahn ist ständig präsent. Auch die Zugstrecke von Luxembourg-Ville nach Remiremont verläuft hier durchs Tal. Vor Dieulouard fahre ich durch ein Naturschutzgebiet mit einigen Seen; ehemalige Kiesgruben. Auf halber Strecke zwischen Nancy und Metz liegt die Stadt Pont-à-Mousson. Ich sehe die Moselbrücke und auf der anderen Moselseite zwei große Kirchen. Die erste, gleich hinter der Brücke, ist verschlossen. Die zweite, eine monumentale Basilika, wirkt ebenso verschlossen. Als ich durch die hübschen, alten Straßen zur Brücke zurückfahre, bin ich etwas enttäuscht. Solche großartigen Gebäude, die als erste in den Blick fallen, wenn man sich der Stadt nähert, und dann wieder dieses Gefühl von Tristesse.
Pont-à-Mousson und seine Abtei
Ich fahre nochmal zurück zur Basilika. Habe ich den Eingang nicht doch übersehen? So ist es. Ich finde den Eingang. Es ist die "Abbaye des Prémontrés", die frühere Abtei der Prämonstratenser. In dem riesigen Konventgebäude ist heute ein Hotel, aber man kann die Abtei gegen geringen Eintritt besichtigen. Und das ist wirklich sehr lohnend. Mein Fahrrad darf ich mit reinnehmen und im Außenbereich anbinden. Ich lasse mir viel Zeit. Es gibt verschiedene Ausstellungen in den Räumen des weitläufigen, mehrstöckigen Gebäudes. Werke zeitgenössischer -wie ich vermute, regionaler- Künstler, deren Namen ich nicht kenne. Dokumentationen, Fotografien, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher. Eine Ausstellung widmet sich einem lokalen Jazz-Club und zeigt Fotos und Berichte. Darunter sind einige Größen des Genres, die mir als Jazz-Hörer bekannt sind. In anderen Räumen sitzen Menschen an gedeckten Tischen; irgendeine Feier findet statt. Ich gehe durch den Kreuzgang, in dessen Innerem sich ein Kräuter- und Duftgarten befindet. Die Basilika ist leer, nur der nackte Kirchenraum, hier und da ein paar Fresken. Möglicherweise wird sie gerade restauriert.
Ich gehe eine Wendeltreppe hinauf und schaue mich um. In den oberen Stockwerken sind die Hotelzimmer, auch die alte Bibliothek, die nur mit Führung besichtigt werden kann. Eine Fotodokumentation zeigt erschreckende Bilder: Im Dezember 1944 wurde die Abtei im Zuge der Befreiung der Stadt von den deutschen Besatzern durch die Amerikaner von einer Bombe getroffen und, wie die ganze Stadt, schwer beschädigt und verwüstet. Zu der Zeit, seit 1912 und nach ihrer wechselnden Nutzung als Kloster und als Schule, fungierte sie als Krankenhaus. Die Patienten und das Personal mussten notdürftig und unter widrigsten Umständen evakuiert werden. In späteren Jahren wurde die Abtei allmählich wieder aufgebaut und restauriert, fungierte ab 1964 als kulturelles Zentrum und später als Hotel.
Ich streife noch ein wenig durch die drei Gärten; darunter ein 2018 angelegter, großer französischer Garten, und -besonders schön zur Mosel hin gelegen- der Jardin de la Moselle, der reizvolle Blicke auf die Basilika, auf die Mosel und auf die Stadt gewährt. Hier mache ich kurze Mittagsrast. Wieder über die Brücke, drehe ich noch eine Runde durch die Straßen, bevor ich wieder auf den Radweg abzweige.
Abstecher nach Gorze
Und noch einen Abstecher kann ich mir nicht verkneifen, obwohl es ein großer Umweg ist. Der historische Ort Gorze liegt oben auf der Höhe im Tal des kleinen Flusses Gorzia. Nach wenigen Kilometern durch das Tal erreiche ich den Ort. Hier befand sich eine Benediktinerabtei. Die ehemalige Laienkirche der Abtei Gorze, Saint-Etienne, aus dem 13. Jahrhundert, das älteste gotische Gebäude Lothringens, besuche ich nur kurz, bevor ich wieder weiter nach Ancy-sur-Moselle fahre.
Wenn man ein paar Kilometer das Tal des Flusses Gorzia hinauffährt, erreicht man den historischen Ort Gorze.
Von Gorze wieder hinunter zur Moselle und die letzten Kilometer nach Metz
Zunächst geht es ein ganzes Stück bergan. Es ist anstrengend und auf der steilsten Etappe muß ich das Rad schieben. Dafür werde ich mit herrlichen Blicken ins Gorzia-Tal belohnt. Dann steil runter mit einigen Serpentinen nach Ancy-sur-Moselle. Ein Stück weiter, bei Ars-sur-Moselle, sehe ich die Reste eines römischen Aquäduktes, ein Überbleibsel einer 22 Kilometer langen Wasserleitung, die das römische"Dividuron Mediomatriciis" -das heutige Metz- mit Trinkwasser versorgte. Ich nehme mir aber keine Zeit mehr, es mir näher anzuzschauen.
Leider muß ich jetzt auf der stark befahrenen Straße nach Metz fahren. Ich versuche, es gelassen hinzunehmen, bin aber trotzdem immer wieder total genervt. Schließlich finde ich drei Kilometer vor der Stadt doch wieder den Radweg an der Mosel. Das Hostel "La Brasserie" liegt, wie ich gelesen habe, am Place Roi Georges, in der Nähe des Bahnhofs. Aber dummerweise habe ich auch hier wieder nicht vor der Abreise die genaue Lage gecheckt. Warum habe ich nicht aus den Fehlern vergangener Touren gelernt? Und warum habe ich immer noch kein Navi? Selber schuld! Bei Einbruch der Dunkelheit beginnt wieder die quälende Suche. Und als ich gerade die Brücke überquert habe, fängt es auch noch an zu regnen. Kein kurzer Schauer; es gießt wie aus Eimern! Ich stelle mich irgendwo unter, frage einen jungen Mann, der sich ebenfalls untergestellt hat, nach dem Weg zum Roi Georges. Er ist ausgesprochen freundlich und erklärt mir den Weg ausgiebig und mehrmals auf englisch und auf deutsch, was mir eine große Hilfe ist. Ich finde den Bahnhof, muß nochmal nachfragen und komme schließlich, mittlerweile fix und fertig, zum Platz und sehe gegenüber "La Brasserie". Was für eine Erleichterung nach dieser frustrierenden und entmutigenden Ankunft in der Hauptstadt Lothringens!
Aufbruch: | 30.09.2024 |
Dauer: | 11 Tage |
Heimkehr: | 10.10.2024 |