Über Indien zu den hohen Bergen in Nepal und zurück!

Reisezeit: März - August 2009  |  von Jan Schäfer

Das Kinderdorf, Bhakunde, 3 Monate Volunteer: Die Shree Santa Secondary School

Generelles zur Schule

Diese Staatliche Schule wurde 1996 mit der Hilfe des FWHC gegruendet und umfasst im Moment etwa 400 Schueler (grob geschaetzt) und 16 Lehrer.

Dies war der Tag zum Fototermin, an dem ich einfach mal zum Fotogaphen auserkoren wurde. Sinnvollerweise hat man sich einen der wenigen Tage mit schlechtem Wetter ausgesucht...

Dies war der Tag zum Fototermin, an dem ich einfach mal zum Fotogaphen auserkoren wurde. Sinnvollerweise hat man sich einen der wenigen Tage mit schlechtem Wetter ausgesucht...

Der Lehrkoerper und ich...

Der Lehrkoerper und ich...

Der Einzugsbereich umfasst alle Bergdorfer der Region im Umkreis von etwa 3 Kilometern.

Vom Kinderdorf, sind es nur 100 Meter bis zum Einganstor der Schule.

Interessant ist vielleicht noch, dass die Schueler jeden Tag die selben Stunden haben (Deswegen passt der komplette Stundenplan der Schule auch auf eine DIN A4 Seite)und von Sonntags bis Freitag Schule haben (Da koennen wir Deutschen uns mit unseren beiden freien Tagen richtig gluecklich schaetzen).

Ausstattung der Schule

Die Schule hat in ihrem Hauptgebauede 12 Klassenzimmer, 2 Grosse Multifunktionsraeume (in denen das Sciencelab, der Computerraum und die Bibliothek untergebracht sind), Toilettenraueme, ein Leherzimmer und ein Zimmer fuer den Headteacher, dass gleichzeitig das Verwaltungsbuero der Schule ist.
Seit wenigen Jahren verfuegt die Schule auch ueber einen Anbau, der allerdings bisher nur als Abstellkammer und als zweites Lehrerzimmer benutzt wird. In diesem neuen Lehrerzimmer habe ich auch den bisher einzigen Overheadprojektor (ein deutsches Fabrikat) entdeckt. Ob er funktioniert weiss ich noch nicht, aber es gibt sowieso keine Moeglichkeit in der Schule Folien zu bedrucken. (Stimmt... ich hab auch noch gar keinen Kopierer gesehen...)

Das Sciencelab hat die Groesse eines durchschnittlichen Maedchenschuhschranks (Nein, es ist kleiner als ein Flugzeugterminal!...eher so gross wie n Kuehlschrank!). Beherbergt aber eine erstaunliche Sammlung an eingelegten Tieren (z.B. einen Octopus, verschiedene Schlangen und riesige Insekten) und Chemikalien (das ist jetzt nur fuer die, die es interessiert) z.B. Natriumiodid, Natriumcarbonat, Natriumhydroxid, Kaliumnatriumtartrat (Fehling ich komme!), Kaliumchlorat, Kaliumpermanganat Kupfersulfat, Kupferoxid, Silbernitrat, Zinkpulver, Schwefelsaure konz. Salpetersaeure konz. Wasserstoffperoxidloeseung 30%. Also ne ganze Menger toller Sachen, die das Leben schoener machen, oder mit denen man ne ganze Menge Schabernak treiben kann. Ich hab da schon so ne Idee.... Ich sehe Feuer, Wasser und Luft.... Ja, ich will nen Lernzirkel mit den Kindern machen!

Die Einweisung

Nach einer kurzen Vorstellung im Zimmer des Headteachers lernte ich erstmal die beiden anderen Science Teacher kennen. (Ja... Biologie, Chemie und Physik werden von der 4ten Klasse bis zur 10ten einfach zu einem Fach zusammengefasst) Diese beiden jungen netten Lehrer werden aus Persoenlichkeitsrechtlichen Gruenden in Zukunft zur Unterscheidung einfach mit Teacher A und Teacher B im Text erwaehnt. Danach wurde ich gefragt, wie viele Stunden ich denn pro Tag unterrichten wolle. Da ich mich nicht sofort uebernehmen wollte, habe ich erst mal 3 gesagt. Bekommen habe ich dann 2.

Aber in der ersten Woche wollte ich noch nicht unterrichten, sondern mir das Alltagsleben der Schule erstmal angucken. Und so sieht ein typischer Tag ein einer nepalesischen Schule aus.

Mein erster Tag an der Schule

Am naechsten Morgen, ging ich zusammen mit den anderen Kindern vom Kinderdorf um zehn vor zehn zur Schule. Ich stellte mich erstmal zu den anderen Lehrern, die auf dem Schulhof standen und sich ueber die politischen Geschehnisse der letzten Tage unterhielten. Ich wurde freundlich von allen gegruesst (Handefalten zum Gruss plus jedem die Hand schuetteln) und verfolgte gespannt den folgenden Morgenapell.

Nachdem die Kinder in den ersten Minuten vor Schulbeginn ueberall heruumtobten, wurde nun die Glocke (eine einfache Stahlplatte von der Groesse einer Bratpfanne) rythmisch geschlagen. Das Zeichen zum Morgenapell...

Alle Schueler der Schule finden sich nun innerhalb von kuerzerster Zeit auf dem Schulhof ein und stellen sich nach Klasse und Geschlecht geordnet in Reihen auf.
Zuerst wird der Abstand zum Vordermann ueber die Armlaenge des Schulers genormt, damit das Ganze auch eine einheitliche Form bekommt.

Schoen in Reih und Glied...

Schoen in Reih und Glied...

Nun erfolgen in bestimmten Abstaenden Pfiffe aus des Lehrers Pfeife, auf die hin die Schueler in militaerischer Manier einen Schritt zur Seite, Fuesse wieder ran und andere kleine Uebungen vorfuehren. Auf das naechste Pfeifsignal hin, startet der gesamte Lernkoerper mit dem Singen der Nationalhymne. Dabei ist ein deutlicher Lautstarkeabfall von links nach rechts zu hoeren. (Die niedrigen Klassen sind auf der linken und die aelteren Klassen auf der rechten Seite)

Nach diesem allmorgentlichen Ritual (nur wenn es stark regnet, setzt es aus) wird im geordneten Gaensemarsch zurueck in die Klassen gegangen.

Die Lehrer gehen danach ins Lehrerzimmer und man hat noch einige Minuten Zeit fuer ein Plaeuschchen bis dann um 10:15 der eigentliche Unterricht beginnt.

Meine aller erste Stunde fand mit Teacher A in der 6 B statt.

Der Lehrer eroeffnet die Stunde mit einem lauten "Good morning class!", waehrend er in den Raum tritt. Die stehenden Schueler erwiedern "Good morning, Sir!" im Chor. Danach sagt der Lehrer "Please sit down!" und der Chor erwiedert "Thank you, Sir!" waehrend er sich hinsetzt.
Die Schueler sitzen in dieser Klasse nach Geschlechtern getrennt zu dritt in jeder Bankreihe.
Die erste Amtshandlung des Lehrers in der ersten Schulstunde ist auch hier die Ueberpruefung der Anwesenheit. Dies geschieht in Nepal ueber die so genannten "Rollnumbers". Der Lehrer ruft: "Rollnumber one?" und der Schueler mit dieser Rollnumber steht auf und ruft: "Yes, Sir!" und setzt sich wieder hin. So werden alle Nummern durchgegangen. Die Rollnumbers werden gegen Ende eines Schuljahres ueber die Gesamtnote des Schuelers festgelegt und gelten dann fuer das komplette kommende Schuljahr. Somit weiss man als Neuling sofort, dass die ersten Schuler die aufspringen die Klassenbesten sind.

Danach wird meist zuerst das Fach und das Datum in die linke, obere Tafelhaelfte geschrieben. In unserem Fall war es: "Science, 2066-01-21" und danach wurde das Thema des Buchkapitels "Measurement" angeschrieben.

Der Lehrer begann sofort "1 kg, 2m und 3s" an die Tafel zu schreiben und fragte kurz was dass denn sei. Beim Zeigen auf eine der geschriebenen Sachen bruellt der Chor dann: "one kg {keygee}". Danach erklaerte er (wie gesagt, alles in "Englisch", mit gelegentlichen Einwuerfen von Nepali), was eine Einheit "Unit" denn ist. Danach schrieb er die Definition von Unit an: "Unit is a reference standart quantity of respect of which we measure other quantities". Danach sollten sich die Schueler genau diesen Abschnitt im Sciencebuch noch einmal durchlesen. Jeder Schueler schnappt sich also sein Buch und sie alle beginnen in den unterschiedlichsten Lautstaerken die Silben vor sich hin zu murmeln oder zu rufen. Als ich mir den Text im Buch durchgelesen habe, konnte ich ihn gerade so verstehen und ich fragte deshalb mal eine der besten Schuelerinnen ob sie denn wuesste, was "reference" bedeutet. Sie guckte mich nur gross an und schuettelte den Kopf. Was ich besonders schade finde ist, dass den Kindern nicht gezeigt wird, wie lang ist denn 1 Meter, oder wie lange dauert denn eine Sekunde. Allerdings findet man im Klassenraum auch weder Massband noch eine funktionierende Uhr.

Danach sollten die Schueler 2 Uebungsaufgaben loesen.
1. Define, what is a Unit?
2. What is meant by 3 kg?

Der aufmerksame Schueler muesste nun nur die Definition von der Tafel oder aus dem Buch abschreiben, aber da allein das Abschreiben der Fragen wieder so lange gedauert hat, wurden die beiden Fragen als Hausaufgabe gestellt.
Danach verabschiedet sich der Lehrer mit: "thank you class" und der Chor erwiedert: "thank you sir for taking our Class". (In einer vierten Klasse habe ich auch schon einmal: "thank you sir, you are welcome" gehoert)

Kurzes Fazit der ersten Stunde:
Fuer einen europaischen Lehrer, waehre der Geraeuschpegel in der Klasse zu jedem Zeitpunkt als unzulaessig zu bezeichnen gewesen.
Der Lehrer hat keine Einzige direkte Frage gestellt. (Er beantwortet sie sowieso nach 2 Sekunden, nachdem die Zwischenrufe abgeebbt sind)
Es gab keine einzige Meldung.
Die Schueler haben ausser den 2 Fragen nichts aufgeschrieben. (Selbst das sehr ueberschaubare Tafelbild, aus dem man ja wenigstens ein paar Informationen haette entnehmen koennen, mussten sie nicht abschreiben)

Anmerkung: An dieser Stelle, moechte ich auch die beiden folgenden Stunden dieses Lehrers A noch grob beschreiben, da uns dieses Thema "Measurement" auch noch an anderer Stelle dieses Berichtes begegnen wird.

In der folgenden Stunde ging es um den Unterschied zwischen"fundamental units"(wie Meter, Sekunde usw.) und "derived units" (wie Kubikmeter oder Meter/Sekunde). Der Unterschied besteht lediglich darin, dass die fundamental units unabhaenig (independent) sind und die derived units (dependent units) von ihnen abgeleitet werden. Deswegen wurden die zwei Definitionen an die Tafel geschrieben und danach erfolgt wieder das "Gebetslesen" ueber das selbe Thema. Da die Stunde danach auch schon fast wieder vorbei war, gab es als Hausaufgaben wieder 2 Fragen:
1. What is a derived unit?
2. What is meant by m* ?(Kubikmeter eben, ich krieg das hier auf der Tastatur grad nicht hin)

Wenn man den Text verstanden hat oder in der Stunde aufgepasst hat, sollten diese Aufgaben doch leicht zu loesen sein.

Denkt man.... Denn die naechste Stunde offenbarte bei der Hausaufgabenkontrolle, dass fast niemand diese zwei Fragen beantworten konnte. Somit ging noch mal fast die komplette naechste Stunde dafuer drauf, diesen Unterschied zu erklaeren. Fuer wie wichtig ich diesen Unterschied halte, sei hier mal lieber nicht erwaehnt. Ob es die Schueler allerdings danach verstanden haben, kann ich nicht beantworten.

In der zweiten Stunde war ich dann stets bei Lehrer B. Dieser unterrichtete gerade eine 5. Klasse in "plants around us".

Der Raum der 5. Klasse.
Das Modernste im Raum ist die Uhr ueber der Tafel (und sie funktioniert sogar!)

Der Raum der 5. Klasse.
Das Modernste im Raum ist die Uhr ueber der Tafel (und sie funktioniert sogar!)

Kling ja ganz niedlich, wird aber bitterer Ernst, wenn man sich mal ein paar Seiten im Sciencebook angeguckt hat. Es ist voller Fremdwoerter, die man wohl eher auf Universitaetsniveau ansiedeln sollte, als in einem Buch fuer die 5. Klasse.

Oder wusstet ihr, dass man Bluetepflanzen auch Phanerogams nennt? Nein? Ich auch nicht und ich bin jemand der sich eigentlich sehr viel mit Pflanzen beschaeftigt.

Naja, auch hier werden eigentlich nur die wichtigsten Passagen aus dem Buch an die Tafel geschrieben. Hier wird allerding noch zusaetzlich Wert auf die Aussprache der, selbst fuer Europaer schwierig auszusprechenden, Worte gelegt. Der Lehrer traegt das Wort vor und der Chor bruellt es nach. Und dies wird etwa ein Viertel der Unterrichtszeit praktiziert. Hin und wieder stellte dieser Lehrer sogar mal Fragen, die er von der Allgemeinheit beantworten lies, auch wenn diese Meinung doch manchmal sehr divers sein konnte. Manchmal hatte ich das Gefuehl, als bruellten die Kinder einfach eines der letzten 5 Worter rein, dass sie in den letzten 10 Minuten gehoert hatten.

Wenn dann ein Schultag vorbei ist, stuermen die Kleinsten hocherfreut die lange Treppe herunter

Bipana beim Schulschluss...

Bipana beim Schulschluss...

Nach nur 4 Tagen habe ich dann Teacher B gefragt, ob ich die naechste Sektion im Buch halten konnte. Dies war das Kapitel "plant reproduction", dass im Nachhinein betrachtet nicht nur eins der laengsten, sondern vermutlich auch der schwierigsten im gesamten Sciencebuch ist. Aber ich mag ja Herausforderungen.

Der Inhalt des Sciencebooks der Klasse 5...

Der Inhalt des Sciencebooks der Klasse 5...

Das Kapitel beginnt im Buch mit dem Aufbau und mit der Erklaerung der wichtigsten Pflanzenorgane, wie Staengel (stem), Trieb (branch), Knospe (bud) und Wurzel (Root) uvm.

Na, haetten's gewusst...

Na, haetten's gewusst...

.
Dies wird am Beispiel der Mustardpflanze (Senf) gezeigt, da sie zur selben Zeit Knospen, Blueten und Fruechte zeigt. Ich bin also in den naechsten Tagen unterwegs gewesen und habe verzweifelt eine bluehende Mustardpflanze gesucht. In Nirmalas Vorgarten bin ich dann auch gluecklicherweise fuendig geworden. Als ich sie dann allerdings am Tag des ersten Unterrichts ausgraben wollte, war sie nicht mehr da. Nirmala hatte sie, wie all das andere Unkraut, auf den Muell geworfen. Etwas verzweifelt bin ich dann zur Schule gegangen. Doch in der Pause vor meinem Unterricht hatte ich noch mal kurz Gelegenheit nach einer anderen Pflanze zu suchen. Dabei kam mir dann Nirmala entgegen, die doch wirklich die Mustardplant wieder aus dem Muell gesucht hatte. Dankbar und uebergluecklich, ging ich dann mit meinem wichtigsten Unterrichtsgegenstand zu meiner ersten selbstgehaltenen Stunde.

Die erste selbstgehaltene Stunde

Waehrend Techer B in der hintersten Bank sass, betrat ich den Klassenraum und begruesste wie gewohnt die Klasse. Nach dem Begruessungsritual, versuchte ich nochmal klarzustellen, dass mein Name Mr. Schaefer ist und als Alternative schrieb ich sogar noch Mr. Sheppard an die Tafel. Doch ich bin nach wie vor Mr. Seffa.
Danach schrieb auch ich Datum und Stundenthema an die Tafel. Danach fragte ich, was denn "reproduction" bedeutet? Natuerlich konnte das keiner beantworten und ich veruchte den Kindern klarzumachen, dass dies der Grund ist, warum sie ueberhaupt existieren. Denn wie die Kinder schon in den ersten Stunden dieses Schuljahres gelernt haben, muessen sich alle lebenden Dinge fortpflanzen um weiter existieren zu koennen, da sie alle sterblich sind.

Danach hielt ich die Mustardplant hoch und fragte, was das denn sei? Wie aus der Kanone geschossen riefen alle: "Mustardplant!". Ich schuettelte den Kopf und erklaerte den Kindern, dass ich sie so nicht verstehen koenne. Denn ich musste erstmal das Meldesystem einfuehren. Ich erklaerte als kurz wie das zu funktionieren hat und stellte die selbe Frage nochmal. Viele Kinder hatten jetzt zwar ihren Finger oben, aber bruellten trotzden einfach rien. Nach dem vierten Anlauf haben wir dann endlich eine Frage-Melde-Antwort-Situation erfolgreich abschliessen koennen.
Meine naechste wichtige Anmerkung, galt der Kommunikation. Die Kinder sollten immer, wenn ich ein Wort benutze, dass sie nicht verstehen, aufstehen, sich melden und nachfragen, was das Wort bedeutet. Um die Wichtigkeit dieser Anmerkung zu unterstreichen, habe ich im Selbstdialog eine solche Situation den Kindern vorgespielt und danach mit einem Schueler diese einfache Frage "What is the meanig of..." eingeuebt. Trotzdem wurde sie bisher noch nie gestellt. Generell habe ich hier auf der Schule noch nie eine Schuelerfrage gehoert, mal abgesehen von: "Can i go to toilett?" oder "Can i come in?" (Die Schueler muessen immer bevor sie in den Raum wollen entweder einen Lehrer oder den Classcaptain um Erlaubnis fragen).

Danach musste ich erstmal alle Kinder bitten, ihre Buecher zu schliessen, damit sie lernen, ihren Kopf und nicht nur ihre Augen zu benutzen. Danach fragte ich nach den weiteren Organen der Mustardplant, um das Ritual der neuen Unterrichtsform zu festigen. Das Ganze hat auch wirklich sehr gut funktioniert. Alle Kinder waren voll dabei und die erste Maedchenreihe haette mir am liebsten ihre Zeigefinger ins Auge gestochen, um dran genommen zu werden. Danach zeichnete ich schematisch eine Mustardplant an die Tafel und versah die wichtigsten Organe mit Beschriftungsstrichen. Nun sollten die Kinder nach der Meldung nach vorne kommen, und das Wort an die Tafel schreiben. Viele trauten sich anfangs nicht, doch die Angst schwand, als die Klassenprima ihre ersten richtigen Woerter angeschrieben hatten. Nachdem ein Wort angeschrieben wurde, habe ich immer gefragt, wie es denn ausgesprochen wird? Dies soll die Faehigkeit der Schueler staerken, allein vor einem Publikum zu sprechen. Danach fragte ich den Rest der Klasse, ob es denn richtig sei, was dort an der Tafel steht. Dies soll die Aufmerksamkeit der Schuler auch waehrend der Aktivitaet anderer foerdern. Die Schueler erkannten meist sogar die wenigen Fehler die gemacht wurden, da sie nun wegen der Rechtschreibung auch das Buch benutzen durften.

Nun ging es an den naechsten wichtigen Schritt, das Abschreiben (oder Abzeichnen in diesem Fall). Viele Schuler mussten dann natuerlich erstmal den Bleistift spitzen und eine freie Seite im Heft finden. Ich bin in der Arbeitszeit herumgegangen und habe Hilfestellungen gegeben. Dabei ist mir zum erstenmal das gewaltige Leistungsgefaelle innerhalb der Klasse aufgefallen. Waehrend die Klassenbeste in der ersten Reihe mir schon nach 10 Minuten eine einwandfreie Zeichnung mit korrekter Beschriftung unter die Nase hielt, hatten manche in der letzten Reihe noch nicht mal die Ueberschrift fertig abgeschrieben. Anhand der Radierspuren konnte ich erkennen, dass sie vermutlich schon zum 4 Mal versuchten, "Reproduction" richtig zu schreiben. Denn immer wenn sie mal wieder Buchstabensalat im Heft hatten, wurde natuerlich nicht nur dieser Fehler, sondern gleich die ganze Ueberschrift wegradiert. Diese Kinder haetten vermutlich den ganzen Schultag fuer diese Aufgabe gebraucht. Aber ich konnte nicht auf sie warten, da sich die ersten schon anfingen zu langweilen und es somit immer lauter im Klassenraum wurde.
Doch da die Stunde eigentlich auch schon fertig war, gab es fuer die Langsamschreiber nur die Hausaufgabe, alles fertig zu zeichen und zu beschriften. Danach bedankte ich mich bei der Klasse und unter lautem "thank you sir for taking our class" ging ich zwar etwas schockiert, aber dennnoch zufrieden aus dem Klassenzimmer. Auch Teacher B kam mit danach mit einem dicken Grinsen im Gesicht auf mich zu und dankte mir fuer die Stunde.

Die zweite selbstgehaltene Stunde

Im Buch folgt auf den Pflanzenaufbau der Bluetenaufbau, der an einer fiktiven Bluete durchgefuehrt wird. Auch hier tauchen wieder Fremdworter allerhoechster Gueteklasse auf.

Wie gesagt, wieso schon in der 5. Klasse?

Wie gesagt, wieso schon in der 5. Klasse?

Ich wuerde ja mal zugerne die Antwort des Autors hoeren, womit er diesen Buchinhalt fuer eine 5. Klasse begruendet. Wieder wollte ich einen realen Unterrichsgegenstand mit einbringen und mein Ziel war es dieses Mal, dass die Schueler die Zeichnung selber anfertigen. Also begab ich mich wieder auf die Suche nach einer geeigneten Bluete, an der man gut die 4 wichtigsten Dinge, Kelchblatt (sepal), Kronblatt (petal), Staubblatt (stamen) und Fruchtblatt (pistill) erkennen kann. Dann faellt einem erstmal auf, dass fast alle Pflanzen eines dieser Bluetenorgane auf die eine oder andere Art und weise umgewandelt haben und die einzige urtuemliche Rosaceae, die ich gefunden habe, war in ihrer Bluete leider nur 7mm gross. Aber anders gings halt nicht. Die Schueler mussten in diesem Fall lernen, dass man in der Biologie eben manchmal genau hingucken muss.

Ein weiteres Problem bestand darin, die Pflanze unversehrt zu den Kindern zu bekommen. Die Pflanze waechst naemlich auf den Reisfeldern und wie alle Pflanzen aus Feuchtgebieten verwelkt sie schon innerhalb weniger Minuten nachdem Ausrupfen.

Anmerkung: Ich werd n andermal weiterschreiben, aber um es schon mal vorweg zu nehmen, es werden noch Tiefen zu den Hoehen kommen!...tiefe Tiefen! (und in der Naechsten Folge sehen sie... Wird Jan es schaffen die Meute bruellender Kinder zu bendigen, wird sein Darmtrakt diese Tortur ueberleben und was haben die Illuminaten mit Durchfall zu tun?)

Endlich gehts weiter...

Somit bin ich kurz vor dem Stundenbeginn aufs Reisfeld und habe genug Blueten fuer jedes Kind gepflueckt.

Nach der Begruessung im Klassenraum fragte ich die Schuler, was wir denn in der letzten Klasse gemacht haetten? Schweigen im Walde... Auch auf meine beiden Antwortmoeglichkeiten, die ich zur Verfuegung stellte, wollte keiner so richtig antworten. Lehrer B hat dann gluecklicherweise angefangen zu uebersetzten und schon wurde "draw something" reingerufen. Wieder musste ich das Meldesystem erklaeren. (ums schon mal vorwegzunehmen, es funktioniert nach nun 3 Wochen immer noch nicht gut, aber man kann damit arbeiten)
Danach fragte ich, was wir denn gezeichnet haetten? Jetzt wurde sich sogar gemeldet, aber ich wollte eigentlich alle Finger sehen und somit wurden die Klassenbesten mal nicht drangenommen. Dies war vermutlich absolute Folter fuer die Kleinen. Sie riefen die Antwort rein, ich sagte "tschub" (nep. Still), sie verraenkten sich fast den Arm beim melden, und konnten es einfach nicht verstehen, dass ich sie nicht dran nehmen konnte. Ich ging rum und versuchte die Anderen zu motivieren noch einmal nachzudenken, was wir denn in der letzten Stunde gemacht hatten. Doch ich stiess nur auf grosse Kulleraugen, die sich freuten mich zu sehen, aber wieder vermutlich nicht verstanden, was ich von ihnen wollte. Dann konnte ich endlich einen der Uebermotivierten gluecklich machen, in dem ich ihn die Antwort sagen liess.

Naja nach dieser etwas ungluecklichen Stundenwiederholung, begann ich wieder mit dem Anschreiben des Stundenthemas "parts of a flower". Danach holte ich die gepflueckten Blueten hervor und lies sie im Klassenraum herumgehen damit jedes Kind sich eine nehmen konnte. Nun gab ich den Arbeitsauftrag genau hin zu gucken und einfach nur das zu zeichnen, was zu sehen war.
Und wieder war der Unterschied in der Arbeitsgeschwindigkeit astronomisch.
Einige Wenige waren ja wirklich gut und zeichneten sogar den schwierig zu erkennenden Pistill in der Mitte der Bluete schon ganz gut. Andere zeichneten einfach die Bluete aus dem Buch ab. Daraufhin liess ich wieder alle ihre Buecher im Rucksack verstauen. Manche brauchten mal wieder ewig um die Ueberschrift abzuschreiben. Ich sagte ihnen dann, dass sie diese nicht braeuchten und dass sie einfach nur zeichnen sollten. Andere legten so viel Wert auf die Symmetrie und Formgenauigkeit ihrer Bluetenblaetter, dass sie fast das Blatt durchradiert haetten. Alles in Allem gab es nach 20 Minuten wenige gute Zeichnungen, viele die so klein waren, dass das Original fast groesser wirkte, und einige andere bestanden aus nicht viel mehr als 10 verschmierten Stichen...
Waehrend die Schueler noch zeichneten, skizzierte ich schnell die Bluete an der Tafel und versah wieder die wichtigsten Teile mit Beschriftungslinien. Das Melde-Aufsteh-Anschreibspielchen klappte jetzt schon ganz gut, nur dass dieses Mal (und dafuer hatte ich vollstes Verstaendnis) die Begriffe viel schwieriger waren und es somit auch mehr Anschriebfehler gab. Die Schueler durften natuerlich wieder ihr geliebtes Buch benutzen, doch trotzdem stellte es ja eine neue Leistung dar, die Bluetenorgane von der fiktiven Buchbluete auf eine reale Zeichnung zu uebertragen.

Als die Bluete dann fertig beschriftet war, lies ich die Schuler die Organe in ihrer eigenen Zeichnung ergaenzen. Und da noch ein bisschen Zeit uebrig war, holte ich noch schnell von draussen eine Hibiskusbluete (leider einer dieser Hybriden, bei dem alle Blaettertypen doppelt und dreifach vorhanden sind... man findet hier fast keine natuerlichen Blueten mehr...alles Genkrueppel) und zeigte an diesen den Kindern die vier wichtigen Teile einer Bluete: Calyx, Corolla, Androecium und Gynoecium.
Ich verwendete auch hier mal das Nachsprechprinzip von Lehrer B, da es sich ja schon um Zungenbrecher handelt. Danach begann ich diese 4 Teile an die Tafel zu schreiben, und schrieb dahinter, was die Funktion dieser Teile war. Leider wurde genau in der Mitte des Ganzen die Pausenpfanne geschlagen und somit musste ich mit den 4 Teilen einer Pflanze in der naechsten Stunde weiter machen.

Die dritte selbstgehaltene Stunde

Am Morgen vor der Stunde, sagte mir Lehrer B, dass er etwas bei seinem Haus mit seiner Familie zu erledingen habe, und ich somit heute auf mich alleingestellt waere. Ich sagte, dass es kein Problem sei, dabei hatte ich ja keine Ahnung auf was ich mich eingelassen hatte.
Als ich den Raum betrat und wieder nach der letzten Stunde fragte, war es wieder das selbe Problem wie beim letzten Mal. Nur dass ich dieses mal keinen Uebersetzer dabei hatte. Somit musste ich die Wiederholung selber machen. Schon nach wenigen Minuten merkte ich, dass der Geraeuschpegel heute besonders hoch war (nicht dass er an anderen Tagen nicht auch hoch gewesen waere, aber heute hatte es dieses chaotische Papierknoellchenschmeisser-Flair. Selbst mein geliebtes "Tschub" konnte da nicht viel ausrichten. Einmal musst ich sogar den Unterricht kurz unterbrechen und ich versuchte den Kindern mit dramatischem Unterton klar zu machen, dass sie mir zuhoeren muessten, wenn sie spaeter gerne ein Motorad und ein schoenes Haus wollen... Zugehoert haben sie mir dann auch... aber nur fuer 3 Minuten. Und nach 20 Minuten wusste ich auch wieso.

Da ich die Funktionen der Bluetenteile die Kinder ja schlecht raten lassen konnte, wollte ich mal testen, ob die Kinder die Texte im Buch lesen und verstehen koennen. Somit fragte ich, wer denn gerne einmal den Part ueber die Corolla vorlesen wollte. Da meldete sich keiner. Vermutlich mussten die Kinder noch nie vor den anderen Vorlesen. Deshalb nahm ich erst mal einen der lauhalsigsten dran und sagte ihm, er solle vorlesen. Die halb geschriehenen Silben hatten wenig mit Englisch zu tun und es war schon von der Betonung und der Vorlesedauer her klar, dass hier nichts vom Satz verstanden wurde. Ich versuchte es dann mal bei einem der etwas Stilleren. Allerdings war auch sein Vorlesen so still, dass ich ihn erstmal auf seinen Stuhl stellen lies, damit er merkt, dass er nicht fuer sich, sondern fuer alle lesen soll. Es wurde dann auch etwas lauter. Doch nachdem der erste Satz heruntergestottert wurde, fragte ich eine Verstaendnisfrage. Das war natuerlich viel zu weit von mir gedacht. Dann fragte ich nach der Bedeutung einiger Schluesselwoerter wie "attract". Wieder konnte es mir keiner sagen. Danach fragte ich den Vorleser, ob er denn wuesste, was "have" bedeutet. Er guckte mich nur gross an und schuettelte den Kopf.
Daraufhin brauchte auch ich erstmal ne kurze Pause, um mir der Tragweite dieser Erkenntnis klar zu werden. Ich hatte nun schon 3 Tage unterrichtet, ohne dass auch nur die Haelfte der Klasse die wichtigsten Worter verstanden hat, die ich benutzte. Und ich musste leider feststellen, dass ich mit dem Unterrichten eigentlich nur die Zeit der Kinder verschwendete, da sie nichts von mir lernen koennen. Dies war auch der Grund, warum ich mich dazu entschloss, nach dieser Sektion (es sollten noch 3 weitere Stunden folgen, die ich allerdings nicht mehr komplett beschreiben werde) nicht weiter in dieser Klasse zu unterrichten.

Wieso unterrichtet man ein Fach in einer Sprache, die die Kinder nicht verstehen? Auch die ganzen Buecher und Uebungsaufgaben sind alle in English und die Schueler bestizen nicht mal ansatzweise die Faehigkeiten, diese eigenstaendig zu bearbeiten. Wieso....?

Trotzdem musst die Stunde weitergehen, und ich entschloss mich die Schluesselbegriffe nun nur noch am Gegenstand und nicht mehr durch Worte zu erklaeren. Somit holte ich wieder Hibiskusblueten und zeigte den Kindern wie eine Bestaeubung (Pollination) ablaueft. Als ich mit der Bluete in die Mitte der Stuhlreihen ging, zeigten sich die Kinder auch wieder sehr interessiert und sie sahen genau zu, wie ich den gelben Pollen der Bluete auf die Narbe der Anderen brachte. Um dann die Pollination noch etwas zu verstaerken, fragte ich, wer gerne einmal bestaeubt werden will. Manche hatten wohl Angst davor, doch den Mutigen streute ich etwas Pollen auf ihr Haupt. Das Gelaechter war gross und ich hoffte das dieses Erlebnis etwas haengen bleibt.
Trotzdem war es die ganze Zeit laut in der Klasse und ich ging richtig geschlaucht und ungluecklich aus der Klasse.

Gesammelte Eindruecke der letzten Stunden

Um das Ganze etwas abzukuerzen werden jetzt nur noch die Schluesselerlebnisse der letzten 3 Stunden zusammengefasst.
In den naechsten Stunden ging es ueber die Bestaeubung zur Samenbildung, dann zu den Samenverbreitungsstrategien und Schliesslich zu den Bedingungen fuer das Keimen einer neuen Pflanze.
Zur Pollination: Ich habe ja schon einmal beschrieben, wie ich es versuchte zu erklaeren und da es am naechsten Tag wieder keiner wusste, habe ich genau das Gleiche noch einmla gemacht. Dann wusste es am naechsten Tag wieder keiner und somit habe ich danachsogar ein Rollenspiel mit den Schuelern durchgefuehrt. 2 Schueler stellten Baeume mit Hibiskusblueten in der Hand dar und die anderen Schueler sollten beantworten, wie sich die beiden denn bestaeuben koennten. Es wurde sogar Wind genannt (da hatte mal wieder jemand verbotenerweise ins Buch geguckt) und durch Hilfen meinerseits kahmen die Schueler dann auch auf die Insekten. Denn lies ich einen Schueler den Schmetterling spielen (zwei Bluetenblaetter zwischen den Fingern als Schmetterlingsersatz) und ihn von Bluete A zu Bluete B fliegen.

Doch trotzdem konnten mir die Scheuler diese Frage: "What is Pollination?" bisher noch nie beantworten. Nicht mal an den Schmetterling konnten sie sich erinnern. Wie man sich dann fuehlt, koennt ihr euch hoffentlich denken...

Genauso war es auch bei der Samenverbreitung, als ich einen Samen des Silk-Cotton-Trees mitgebracht hatte und die luftigen Samen in die Klasse blies. Trotzdem konnte mir auch nach der Wiederholung dieser Demonstration keiner die Verbreitung der Samen durch den Wind als Beispiel nennen. Ich kann bis heute nicht verstehen, wie man bei so viel Anschaulichkeit und Wiederholung nichts mitnehmen kann. Ich hoffe ja einfach, dass sie meine Frage mal wieder nicht verstanden haben. Aber irgendwie war meine Lust am unterrichten nach dieser Woche schon bei Null. Im Folgenden habe ich es mir deswegen zur Aufgabe gemacht, die Lehrer bei ihrem Unterricht zu unterstuetzen und mit ihnen zusammen Unterrichtsmethoden zu ueben und anzuwenden.
In der folgenden Woche werde ich einmal versuchen, ob die Schueler auch von sich selber lernen koennen, denn ich werde versuchen eine Expertenrunde durchzufuehren. Damit der Stoerfaktor der Sprache ausgeschlossen werden kann, habe ich Lehrer B gebeten, fuer diesen Zweg doch mal bitte Arbeitsblaetter in Nepali anzufertigen.
Ueber die Ergebnisse werde ich dann hier berichten.

© Jan Schäfer, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fotospielplatz der Welt, ich komme! 3 Wochen Indien dann 3 Wochen Nepal anschließend 3 Monate arbeiten in einem Kinderdorf (Pokhara). Dabei hoffe ich auf viele interessante Orte, Personen und Situationen zu treffen.
Details:
Aufbruch: 14.03.2009
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 29.08.2009
Reiseziele: Indien
Nepal
Chitwan Nationalpark
Der Autor
 
Jan Schäfer berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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