Über Indien zu den hohen Bergen in Nepal und zurück!

Reisezeit: März - August 2009  |  von Jan Schäfer

Die Annapurnaumrundung

Die Vorbereitungen

Der Singdi-trip hatte meine Trekkinglust in keinster Weise geschwaecht.Ganz im Gegenteil; ich hatte durch diese Tour gerade erst wieder richtig Lust bekommen in die Natur und in die Berge zu ziehen.

Nachdem ich alle Reisefuehrer der Bibliothek ein wenig durchforstet hatte, war mir auch schnell klar, was ich wollte. Ich wollte mal richtig tief in die hochalpinen Regionen des Himalya vorstossen und den heiligen Pilgerpfad der indischen Saddhus folgen. Nach 2 Monaten arbeiten im Kinderdorf sollten die 2 Wochen Ferien auch schoen genutzt werden... Der Annapurna curcuit sollte es sein. Und ich wollte ihn alleine, ohne Traeger und ohne Guide bestreiten.

Dieser 180 Kilometer lange Weg beginnt an der Suedostflanke des maechtigsten Bergmassives auf diesem Planeten und schlaengelt sich gegen den Urzeigersinn um die Spitze des Lamjung Himal (6983m) den Marsyangdi Nadi River hinauf. Dieser Fluss hat im Laufe der Jahrmillionen ein viertausend Meter tiefes Tal in das Zentralmassiv des Himalaya gegraben und diese 100 Kilometer lange Narbe stellt einen der aeltesten Handelswege zwischen Indien und China dar.
Nachdem man angenehm langsam in immer groessere Hoehen aufsteigt und die Berspitzen des Annapurna II (7937m), IV (7525m) und III (7555) links neben sich gelassen hat, erklimmt man einen der hoechsten und aeltesten Paesse der Welt, den Thorung La (5416m). Dieser verbindet die beiden tiefsten Taeler der Welt und man folgt dem Lauf des schwarzen Flusses (Kali Gandaki Nadi) Richtung Sueden zurueck in tiefere Gefilde. Der Kali Gandaki Nadi frisst ein weit laeufiges Tal zwischen die Bergspitzen des legandaeren Dhaulagiri (8172m, siebthoechster Berg der Welt) und dem Nilgiri (7061m). Nachdem man 70 Kilometer bergab gegangen ist, nehmen sich die meisten Trekker von Tatopani aus (Aufmerksame Leser wissen bereits, dass hier die heissen Quellen sind und mein erster Trek dort endete) einen Jeep und dann den Bus nach Pokhara.

Blau (Bus) 
Gruen (Jeep) 
Rot (Fuss)
Gruener Fleck (Uebernachtung)

Blau (Bus)
Gruen (Jeep)
Rot (Fuss)
Gruener Fleck (Uebernachtung)

Das Hoehenprofil des Treks

Das Hoehenprofil des Treks

Wenn ich mein Vorhaben mit einigen aus der Bevoelkerung besprach, bekahm ich nicht viel Mut zugesprochen. Ich wuerde keine Berge sehen (hab ich schon, ist mir auch gar nicht so wichtig und zu meiner Einstellung zu den Bergen gibt es spaeter mehr), es wuerde viel Regnen (ich bin vorbereitet!), ich braeuchte doch einen Guide... (Wofuer? Der Weg ist ausgeschildert, ich kann mir meine Lodge schon selber suchen, ich moechte nicht bei jeder Pfanze, die ich ablichte, ein schlechtes Gewissen haben, dass ich den Zeitplan meines Guides kaputtmache und ausserdem hab ich sowieso nicht die Kohle um die 20 Dollar pro Tag fuer ihn zu bezahlen. Nein, ich wollte, musste mal alleine los. Ich habe eine gute Karte und ein Hirn, das muss schon irgendwie reichen. Ausserdem sollte der Weg meine weniger positive Einstellung zu Guides leider keines Wegs verbessern. Dazu spaeter mehr)

Ich breitete also alle meine Sachen in meinem Zimmer aus und packte penibel meinen Rucksack, bei dem ich auf jedes Gramm achtete. Ich fuellte sogar meine Sonnencreme in eine leere Insektenspraydose, um Gewicht zu sparen. Insgesamt wog mein Rucksack mit den Schuhen nur etwa 7 Kilo, aber da waren die fast 5 Kilo schwere Kameraausruestung noch nicht im Sack und auf die konnte ich unmoeglich verzichten.

Am 29.6 sprang ich im wahrsten Sinne des Wortes mit Sack und Pack auf den Bus nach Pokhara auf und erledigte in der Stadt noch meine letzten wichtigen Einkaeufe, zu denen der groesste Schirm in ganz Lakeside, die winzigste Tube Zahnpast und ein Bussticket nach Dumre gehoerten. Nach dieser Shopping tour verbrachte ich den Rest des Abends vor meinem Lieblingsmusikladen und unterhielt ein bisschen die touristischen und einheimischen Vorbeiziehenden.

Als ein huebsches Maedchen gerade den Laden verlassen wollte, stimmte ich mit tief verstellter Schmalzstimme "Pretty Woman" an und sie konnte nicht anders, als sich umzudrehen und mich anzugrinsen. Ich kahm schnell mit der Amerikanerin ins Gespraech und ich folgte ihr in ihre und meine Lieblingskneipe (busy bee), wo wir mit dem Rest von ihrer Volunteergruppe einen netten Abend verbringen sollten. Es tat sehr gut, sich mal wieder gepflegt auf Englisch zu unterhalten. Doch wir alle mussten frueh ins Bett, da auf uns alle eine lange Busreise am naechsten Tag warten wuerde.

The busy bees

The busy bees

Tag 1.

Sechs Uhr morgens: Syrie weckt mich in meinem Lieblingszimmer in meiner Lieblingslodge (Hotel Mandala) doch ich bin schon laengst wach. Ich war so aufgeregt, dass ich kaum geschlafen habe. Schuhe an, Rucksack auf. Hinaus auf die Stassen von Pokhara. Taxi gefeilscht, frisches Gebaeck fuer die Fahrt durch die heruntergelassene Fensterscheibe bezahlt und ab zum tourist-bus-park. 4 Stunden Busfahrt nach Dumre (350 Rupies), der Verkehrsknotenpunkt zwischen Pokhara und Kathmandu, ueber den ich schon einmal ein fiebrig, finsteres Kapitel geschrieben habe (siehe Fahrt von Kathmundu nach Pokhara).

Ich verliess den Highway (ein Highway wird in Nepal dadurch definiert, dass zwei Fahrzeuge gefahrlos aneinander vorbei fahren koennen, ohne langsamer werden zu muessen) und schnappte mir an einer vermatschten Seitenstrasse einen Localbus (100 Rupies) nach Besisahar. Mein riesiger Trekkingrucksack wurde vorne beim Fahrer zischen die Regalbretter, Deckenpackete und anderen Habseligkeiten der anderen einheimischen Fahrgaeste gequetscht. Nach 2 Stunden Fahrt an endlosen Reisfeldern und harmlosen Berglandschaften entlang, erreichte der Bus Besi Sahar einer typischen nepalesischen Kleinstadt, die eigentlich keiner grossen Erwaehnung wert ist. Der Trekker wird nur an einem Ende rausgeworfen und muss die geschaeftigte Hauptstrasse Richtung Norden zur Jeepstation laufen. Die netten Vehikel, die hier auf einen warten, wuerde ich mal spontan als Mini-Local-Gelaende-Bus (kurz MLGB) bezeichnen. Fuer 150 Rupies ging es schaukelnd und ruckelnd durch den Matsch des Vorhimalayas in Richtung Kudi, dass wir schon nach 30 Minuten erreichen sollten. Man kann zwar noch weiter fahren, ich beschloss aber dennoch bei leichtem Regen auszusteigen und die restlichen Kilometer zu Fuss zu gehen.

Klein aber OHO!

Klein aber OHO!

Kaum war ich unter meinem Schirm die ersten Meter gegangen, machte der MLGB wieder halt und ein Asiate in vollter Trekkingmontur stieg aus. Chin Jae ist 36, buddistischer Moench aus Suedkorea und reist gerade durch Asien. So, jetzt wisst ihr genauso viel ueber ihn, wie ich, denn Chin Jae sprach leider weder Englisch noch Deutsch noch Franzoesisch und auch kein Wort Nepali. Nur Suedkoreanisch. (Und ich dachte schon ich waere tapfer, so alleine loszuziehen, aber voellig ohne Kommunikationsmoeglichkeiten zu reisen ist noch mal ne Spur abgebruehter). Mit Haenden und Fuessen stellte ich mich vor und wir gingen schweigend durch den Regen die ersten Kilometer Matschpiste zum Touristcheckpost, wo wir unsere Trekkingpaesse und Unterschriften zur Verfuegung stellen mussten. Wie noch so oft auf dem Trek, so versuchte auch diese nette Dame im Touristenoffice, sofort mit Chin Jae ein Gespraech auf Nepali anzufangen. Sie guckte dann doch ein wenig verdutzt, als ich ihr dann auf Nepali antwortete, dass Chin Jae kein Nepali spricht. (aber ich ein bisschen, Yeah, krieg ich mein Dal Bhat jetzt billiger )

Chin Jae

Chin Jae

Eigentlich war es ja immer schon mein Traum, mit einem buddistischen Moench zu reisen. Doch hatte ich dabei dann doch an tiefsinnige Gespraeche gedacht und mir brannten hunderte Fragen auf der Zunge, doch wir sollten auch ohne viel Gerede ne tolle Zeit miteinander Verbringen.

Ich konnte in dem riesigen Registrierungsbuch erkennen, dass wir an diesem Tag die ersten Trekker waren und 4 Australier 22 Stunden vor uns diesen Punkt passiert hatten, allerdings schien ansonsten tote Hose auf dem Trek zu sein.

Dieser kleine Hausaffe tat mir irgendwie leid...

Dieser kleine Hausaffe tat mir irgendwie leid...

Die Landschaft am Beginn des Treks

Die Landschaft am Beginn des Treks

Da der Tag schon langsam alt wurde, beschlossen wir (naja eigentlich hab ich fast immer die Entscheidungen faellen muessen) in Nadi Bazar unsere erste Nacht zu verbringen.
Kaum erblickten wir die ersten Hauser, da kam schon eine nette Lodgebestizerin auf uns zu, um uns einzuladen. Und hier erkannte ich auch schon den wichtigsten Vorteil der Offseason (Nebensaison), denn auf die Nachfrage nach dem Zimmerpreis sagte sie nur: "Room free!" Ei, wie geil ist das denn, an dem Punkt wurde mir klar, das meine 18000 Rupies auf jeden Fall fuer die 2 Wochen Reichen wuerden.

Hier mal ein kleiner Einwurf zur Nebensaison:
In allen Reisefuehrern und auch in den Trekkingbroschueren steht drinne, dass man die Monsunzeiten doch tunlichst meiden sollte. Ich frage mich erlich gesagt warum?

Aber zuerst mal die Nachteile der Nebensaison:
- es regnet viel (Ja, aber eigentlich nur Nachts, und wenns mal tagzueber regnete, wars nie mit dem Pokhara Monsun zu vergleichen; insgesamt kann ich mich nur an 2 Tage erinnern, an denen es mal 3 Stunden geregnet hat)
- viele Blutegel (es ist ja fast ein bisschen schade drum (insgeheim hatte ich mich schon auf den kostenlosen homoeopatischen Aderlass gefreut), aber ich hatte keinen einzigen Blutegel. Ich hab einmal einen am Wegesrand gesehen und hab mich dabei nostalgisch an die guten, alten, blutigen Zeiten in Singdi erinnert, als die Blutegel noch den Weg regierten)
- man sieht die Berge nicht (Ja da ist schon ganz schoen viel Nebel davor, das stimmt, aber mit hohen Bergen ist es wie mit schoenen Bruesten; angemessen Verpackt, sieht das Ganze noch ansprechender aus. Je weniger man von den interessanten Stellen sieht, umso reizvoller wird die ganze Sache. Ausserdem veranlassen sie einen dazu, um fuenf Uhr morgens aufzustehen, um noch einen luesternen, unverhuellten Blick auf sie zu erhaschen )

- viele der Healthpost, 'Kinos' und Save drinking Water Stations waren ausser Betrieb (nur die Trinkwasserstationen stoerten mich anfangs, doch wenn man mit freundlicher Beharrlichkeit vor diesen Bretterbuden stehenbleibt, kommt schon irgendwann ein netter Mensch vorbei und fuellt einem 2 Liter gefiltertes Wasser fuer 70 Rupies ab)

Und dann kommen auch schon die Vorteile:
- wenig Trekker (die Auslaender, die mir in der ersten Woche begegnet sind, kann ich an einer Hand abzaehlen, genauer an 4 Fingern. 1 Kanadier, der gerade mit seinem Guide abstieg und mit dem ich 3 Minuten lang ueber den Weg plaudern konnte; Rosin die Irin und Will der Amerikaner auf die wir in Manang stossen sollten; und Chin Jae mit dem ich lief aber keine komplette Unterhaltung fuehren konnte. Manchmal konnte man stundenlang den Pfad entlangwandeln, ohne auch nur einer Menschenseele ueber den
Weg zu laufen. Somit hatte das ganze noch den Anschein einer Erkundungstour und man musste die Aussichten und tollen Momente mit niemandem teilen)

- Angebot und Nachfrage regeln den Preis, oder? Das spuerte man hier besonders. Fuer unsere ersten 4 Uebernachtungen bezahlten wir insgesamt 0 Rupies (nur das Essen, dass aber mit etwa 400 Rupies fuer Abendessen und Fruehstueck, ganz okay war) und insgesam habe ich auf dem Trek vielleicht 1500 Rupies fuer Zimmer bezahlt. Man musste auch gar nicht fragen, ob sie ein Zimmer frei hatten (natuerlich, weil alle Lodges leer sind) sondern man musste nur noch uber den Preis des Dal Bhats feilschen. Und dabei hatte man stets alle Truempfe in der Hand. (Tja, du kannst dir heute 300 Rupies verdienen, oder wir geben unser Geld an der naechsten Haustuer aus... du hast also nicht viele Moeglichkeiten, den Preis hoch zu halten; Sorry, aber Kapitalismus ist leider so (ich haette nie gedacht, dass ich dieses System einmal toll finden wuerde, aber in diesem Fall war es mal ganz lustig es auszunutzen))

- Wir hatten immer die besten Zimmer, mit der schoensten Aussicht (wenns denn mal was zu gucken gab), ueberall niedrige Preise und stets waren wir hoch willkommene Gaeste.

Naja soviel zu diesen allgemeinen Vorraussetzungen, die dem Weg ein wenig von seiner Kommerzialitaet (30.000 Touristen pro Jahr) nahmen.

In unserer ersten Lodge hingen viele Moskitonetze in den Zimmern (doch ab 2000 Metern sollte es sowieso keine mehr geben und somit war ich mir sicher, dass ich beim Fliegennetz die richtigen 400 Gramm eingespart hatte) und die komplette Lodge ist das was ich einfach mal als einfach gezeichnen wuerde.

Weil einfach, einfach einfach ist!

Weil einfach, einfach einfach ist!

Lodge Nr. 1

Lodge Nr. 1

Wie viele Sachen braucht man fuer eine nepali Dusche? Man nehme: 8 Bambusstangen, 5 Wellbleche, ein Holzbrett (dass genau etwas zu klein sein sollte um so etwas wie Handtuch oder Kleidung darauf ablegen zu koennen), einen paar Rohre und einen Duschkopf (kann man auch weglassen) und als echten Luxusartikel bringt man noch den obligatorischen Spiegel an. Ach ja, das Loch im Boden fuer den Abfluss nicht vergessen!

...

...

Das Wasser in dieser Reinigungszelle war so warm, wie eine Solardusche nach 3 Stunden diesigem Sonnenschein eben wird. Man konnte sich gerade so drunterstellen, ohne mit einer Lungenentzuendung am naechsten Morgen aufzuwachen. (die erste richtig WARME Dusche, sollte noch 150 Kilometer entfernt sein, doch zum Glueck wusste ich dies in dem Moment noch nicht)

Nach dieser Erfrischung entspannte ich ein wenig in dem bluehenden Garten der Lodge, waehrend der tosende Fluss seine felsgraue Milch den Hang hinunterpresste. Ich breitete vor Chin Jae meine Karte wie eine Picknickdecke aus und versuchte ihm den Weg ein bisschen zu erklaeren. Chin Jae hatte nur die Karte aus dem Touristen Office, auf der noch nicht mal einige Orte eingezeichnet waren, in denen wir uebernachten sollten. (Ganz zu schweigen von den ganzen Bergen und Gletschern, die wir noch sehen sollten)

Danach zog Chin Jae seine Hosenbeine hoch und zeigte mir seine zerstochenen Waden.
Sie muessen furchtbar gejuckt haben, denn all die kleinen rotbraunen Stichzentren hatten einen pochendroten eurogrossen Entzuendungsring. Ich konnte nicht herausfinden, ob dies das Werk des Staatsfeinds Nr.1 war, aber vom Kaliber her koennte es passen. Eine spaeter gestelle Diagnose (Chin Jae sollte von den Stichen noch n paar was haben) deutete auf Bedbugs hin, aber auch nach einer Stirnleuchten und Schlafsack-ausschuettel-aktion, konnten wir keine Blutsauger finden...)

Unter meinem mattgruenen Fliegengitterhimmelbett schief ich zu dem Donnern des Marsyandi Nadi ein, waehrend die Geckos, Maeuse ,oder was auch immer es war, unsere mit Tuechern behangene Zimmerndecke als Mangnege misbrauchten.

Der Marsyandi Nadi

Der Marsyandi Nadi

© Jan Schäfer, 2009
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Worum geht's?:
Fotospielplatz der Welt, ich komme! 3 Wochen Indien dann 3 Wochen Nepal anschließend 3 Monate arbeiten in einem Kinderdorf (Pokhara). Dabei hoffe ich auf viele interessante Orte, Personen und Situationen zu treffen.
Details:
Aufbruch: 14.03.2009
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 29.08.2009
Reiseziele: Indien
Nepal
Chitwan Nationalpark
Der Autor
 
Jan Schäfer berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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