Laenger als geplant...

Reisezeit: August 2004 - April 2005  |  von valesca schaefer

Kanada: Baerenhunger!

Email vom 28. September 2004

Den habe ich heute schon den ganzen Tag ... wie ich finde, auch verdient!
Denn immerhin bin ich gestern Nachmittag nach Victoria zurueck gekommen, nachdem ich den Juan de Fuca Marine Trail geschafft habe!!!
47km in 4 Tagen... ich entwickele auf meine alten Tage doch noch so etwas wie Ehrgeiz

Fuer die Neugierigen:
http://www.genio.net/pallas/
http://www.sookeoutdoors.com/juandefucatrail/
http://www.juandefucamarinetrail.com/

deshalb keine ausfuehrlichen Details, die auch dort nachzulesen waeren.
Aber...
bereits am Trailhead in China Beach wurde ich gewarnt, nicht am Bear Beach zu Campen, da dort ein agressiver Baer sei! Wie ich spaeter erfuhr, hatte er/sie bereits Rucksaecke verschleppt und Essen aus den
Baeumen ergattert. Aber nur deshalb wollte ich nicht auf den Trail verzichten und habe halt meine ganze Planung umgeschmissen, frau ist ja flexibel (huestel). Daher kam es dann zu einer Leistung von 12km am ersten und 16km am zweiten Tag.
Ausserdem habe ich meiner schoenen & lauten Bear-Bell vertraue. Und siehe da, es hat sich bewaehrt, ich habe tatsaechlich einen Baeren gesehen! Ganz wohl war mir bei der Begegnung nicht, ich hatte gerade mein Lunch (bestehend aus Trockenobst) verspeist und ueberlegte, ob ich noch einen Fruit-Bar hinterher schieben sollte, als ich aufblickte und der Baer keine 50m von mir entfernt stand und seine Nase witternd in die Luft hielt. Kann es sein, dass Baeren ziemlich kurzsichtig sind?
Jedenfalls habe ich meinen Kram geschnappt, dabei dem Baeren erzaehlt, dass ich ihm nichts boeses will, ihm aber auch nichts geben werde und mich verdrueckt. Etwa zeitgleich mit dem Baer, der wohl doch keinen Hunger auf Datteln von einer ziemlich stark mueffelnden Hikerin hatte

Das einzig Dumme ist, dass ich kein Photo gemacht habe!!!

Dafuer aber etwa 100 andere...

Nebenbei habe ich mich etwas mit dem Thema Luxus auseinander gesetzt.
Alle mal kurz ueberlegen, was Luxus ist (ich freue mich auf
Rueckmeldung!)
Also:
Wie sieht es aus mit jederzeit verfuegbarem Trinkwasser?
Stimmt, sollte fast schon ein Menschenrecht sein. Dann ist aber Luxus, wenn nicht Verschwendung, wenn man das zum Waschen oder gar fuer die Toilettenspuelung benutzt!
Ich habe fuer jeden Liter erst mal 2-3 Minuten mit dem Filter pumpen muessen...
Ist es Luxus, es sicht leisten zu koennen, abnehmen zu wollen (oder zu muessen)?
Wie steht es mit der Zeit?
Ist meine Reise allein deshalb schon Luxus, weil ich mir die Zeit nehmen, mich um mich selbst zu kuemmern? Warum ist in der westlichen Welt jeder so beschaeftigt, dass er fuer sich selbst und andere, wichtige Sozialkontakte oft keine Zeit zu haben scheint? Gilt denn nur der etwas, der viel beschaeftigt ist (oder scheint)?

Morgenstimmung am Juan-de-Fuca-Marine-Trail

Morgenstimmung am Juan-de-Fuca-Marine-Trail

Auf der Wanderung war ich bis auf wenige kurze Begegnungen allein. Nie einsam. Auch nicht an den Abenden, da andere Leute auf den selben Campgrounds waren. Denn ich hatte mich ja auf ein paar Tage absoluter Einsamkeit eingestellt.

Ich weiss nicht, ob ich sagen kann, dass ich von der Natur wirklich ueberwaeltigt gewesen bin. Vielleicht, weil ich schon so viel gesehen habe? Ich muss das etwas revidieren. Ueberwaeltigt war ich nicht, aber wahrlich beeindruckt! Die Baeume sind so hoch, dass es gar keine Chance gibt, das auch nur irgendwie auf einem Photo festzuhalten.

Der wahrscheinlich groesste Unterschied zum West Coast Trail ist, dass der Fuca Trail lange Strecken durch Gebiete fuehrt, die mal Kahlschlag waren. Beeindruckt hat mich, wie sich die Natur davon erholt, wenn man sie laesst. Wie schnell sich ein schoenes dichtes Gruen entwickelt, aber auch, wie erschreckend lange es dauert, bis der "urspruengliche" Zustand wiederhergestellt sein wird. Wenn es ueberhaupt jemals dazu kommen wird.

Ansonsten sind mir viele Squirrels begegnet (die zu schnell sind, um sie im Bild festzuhalten), einige Schlangen, viele Schnecken und natuerlich Voegel. Hier ist wirklich alles ein bisschen groesser, sogar die Rotkehlchen haben die Groesse einer Amsel...
Ich finde es jedanfalls immer wieder erstaunlich, wie sehr ich mit meinen mitteleuropaeischen Wurzeln verankert bin. Da sehe ich einen Vogel und denke " ach, ein Spatz", um dann festzustellen, dass der Vogel ja nur so aehnlich aussieht, aber sicherlich irgendwas ganz anderes ist.
Pilze gibt es in Huelle und Fuelle, aber von denen lasse ich ja auch zuhause meine Finger...

Es ist jedenfalls schon erstaunlich, mit wie wenig Essen man auskommen kann...
Nicht ganz freiwillig, das gebe ich zu. Ich habe, ich traue mich kaum, es zu erzaehlen, eine falsche Gaskartusche gekauft und das erst am ersten Campground gemerkt! Aber ich hatte in meinem Sicherheitsdenken sehr viel zu Essen dabei und Porridge schmeckt ja auch kalt ganz gut. Sogar der Instant-Reis wird weich, wenn man ihn nur lange genug
einweicht...
Allerdings muesste ich jetzt meinen Guertel etwas enger schnallen, wenn es denn ein weiteres Loch gaebe ...

In diesem Sinne:
Es gruesst der Sack voll Hirschgeweih

Valesca, die nun noch ein paar Tage auf der Insel verbringen wird.

P.S.
In der Jugendherberge gilt der Tausch 2 Stunden Putzen gegen eine freie Uebernachtung. Sogesehen muss ich da noch so manche Wohnung auf Vordermann bringen...

© valesca schaefer, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Waehrend meiner Diplomarbeit beschloss ich, meine Freunde in Uebersee zu besuchen. Zwei, maximal drei Monate, dachte ich. Nach einem ersten Besuch im Reisebuero (he, es gibt ein round-the-world-ticket!) wurden daraus schnell drei bis vier Monate. Erste Tourenplanungen brachten es dann auf fuenf bis sechs Monate und letztendlich werde ich fast acht Monate unterwegs gewesen sein... So sollte die Route aussehen: Kanada - Hawaii - Fiji - Neuseeland - Japan und dann kam noch Alaska dazwischen!
Details:
Aufbruch: 31.08.2004
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 21.04.2005
Reiseziele: Kanada
Vereinigte Staaten
Fidschi
Neuseeland
Japan
Der Autor
 
valesca schaefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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