Durch den Monsun - Südindien 2014

Reisezeit: Juli / August 2014  |  von Julia S

Kochi: Gewürze, chinesische Fischernetze und Kathakali

Namaskar zusammen!

Bei entspannten 90% Luftfeuchtigkeit und ca. 30 Grad sind wir (Walther aus Italien, Nisse aus Australien, Emma, Billy und Paul aus den Staaten und ich) die 1,5 km vom Hostel in Alleppey zur Busstation mit Gepäck zu Fuß gegangen. Logo! Da muss man sich dann immerhin keine Sorgen mehr machen, dass man im Localbus vielleicht eine Toilette braucht ... alles schön ausgeschwitzt!

Die Fahrt war nett und schnell, jeder konnte ein wenig seinen Gedanken nachhängen und sich den frischen Fahrtwind um die Nase wehen lassen. Alle außer mir waren vor den Backwaters bereits in Kochi gewesen und navigierten mich fix zum Hostel, wo dann vier von uns (die Jungs und ich) einen Schlafsaal belegten (die beiden Mädels blieben nicht mehr über Nacht, da sie den Nachtzug nach Bangalore nehmen). Mit den drei Boys und einem Inder in einem Schlafsaal ... das war schon immer mein Traum, wobei ich anerkennen muss: es hat keiner schlimm geschnarcht und das Zimmer im Vedanta Wake Up war tadellos sauber! Da aber nur für eine Nacht Platz war, bin ich dann für die zweite und dritte Nacht in ein nettes Homestay gewechselt (Fort Muziris).

Mit meiner "Reisegruppe" habe ich noch ein wenig die Stadt, beziehungsweise den Teil, der sich "Fort Kochin" nennt, erkundet, dann gab es noch ein gemeinsames Abendessen beim Tibeter mit superleckeren Momos und einem gemütlichen Kingfisher Ausklang des Abends. Beim Frühstück im Pepper House (TOLLES Café! - wer hier ist fragt sich einfach durch, die Location kennt jeder) haben wir ein gehaltvolles und wirklich interessantes Gespräch über amerikanische, italienische und deutsche Geschichte geführt ... so intensiv unterhalte ich mich selten mit Leuten, die ich erst kurz kenne! Thanks to all of you, guys! Es folgte eine herzliche Verabschiedung - mit Billy aus North Carolina bin ich feste für Münster verabredet und Walther mal irgendwo in Europa zu treffen wird sich auch machen lassen ... trotzdem ist das Verabschieden unter Backpackern jedes Mal ein merkwürdiges Gefühl zwischen Bedauern, dass es nur eine kurze Begegnung war, aber auch Freude darüber, wieder alleine zu sein und neue Leute zu "sammeln". Emma aus Boston werde ich definitiv Anfang August in Hampi im "Laughing Buddha" wiedersehen, wunderbar!

So, jetzt aber zu Kochi! Kochi (oder auch Kochin / Cochin) ist bis heute eine florierende Handelsstadt. Durch die günstige Lage am Wasser, die Verteilung unterschiedlicher Stadtteile und Hafenbereiche sowie auf der Landseite die Nähe zu den Tee-/Kaffee- und Gewürzplantagen an den Hügeln der Westghats und den praktischen Backwater-Transportwegen Richtung Meer waren auch die seefahrenden Kolonialmächte hinter diesem Fleckchen keralesischer Erde her. Die Portugiesen und Holländer sowie natürlich auch die Engländer haben sich hier die ein oder andere Rupie unter den Nagel gerissen.
Der schönste Stadtteil (Insel) ist Fort Kochin, entlang der "Küstenstraße" kann man auf der Westseite der Insel toll am Wasser entlangflanieren und dabei die chinesischen Fischernetze bewundern!

Chinesische Fischernetze bei schönstem Sommerwetter ...

Chinesische Fischernetze bei schönstem Sommerwetter ...

... und hier mit drohendem Monsunschauer!

... und hier mit drohendem Monsunschauer!

Ich genieße es, mich einfach treiben zu lassen und so die Stadt zu entdecken. Ich verlaufe mich in den engen Gassen des muslimischen Viertels und werde gentlemenlike und mit viel Spaß, allerdings auch unter dem in STADIONLAUTSTÄRKE (Alter!) getätigten und deshalb nachhaltigen Freitagsruf des Muezzin wieder auf die Hauptstraße gebracht. In der Santa-Cruz-Cathedral macht sich wieder der bereits in Tamil Nadu bewunderte Kitsch - hier allerdings noch etwas portugiesischer angehaucht - bemerkbar. Puuuuh! Ohne Neon-Heiligenschein, blinkendem Neonrosenkranz und Co. geht hier nichts.

Von außen geht es ja noch in Heiligkreuz!

Von außen geht es ja noch in Heiligkreuz!

Das brennt auf der Kontaktlinse!

Das brennt auf der Kontaktlinse!

Im Großen und Ganzen aber auch nett, ich hab mich wohlgefühlt!

Im Großen und Ganzen aber auch nett, ich hab mich wohlgefühlt!

Natürlich darf die dazugehörige Schule, in diesem Falle eine Mädchenschule, nicht fehlen! Fand ich gebäudetechnisch ziemlich attraktiv, vor allem das Eingangstor nehme ich als repräsentativen Entrée wahr!

Ist doch etwas ansprechender als eine Betontreppe, oder?!

Ist doch etwas ansprechender als eine Betontreppe, oder?!

Dass es sich um eine Mädchenschule handelt, lässt sich problemlos am Farbkonzept der Drahtesel erkennen!

Dass es sich um eine Mädchenschule handelt, lässt sich problemlos am Farbkonzept der Drahtesel erkennen!

Hier in Fort Kochin unterläuft mir auch die wohl touristischste Aktivität der gesamten Reise und ich setze mich in eine Kathakali-Show. Man sieht den Darstellern bereits bei der aufwändigen Schminkprozedur zu und bekommt anschließend ein mittelalterliches indisches Epos vorgetanzt. Die Musik und die Bewegungen sind faszinierend, trotzdem habe ich ein ziemliches "Zoo-Gefühl" und fühle mich in der Touri-Maschinerie nicht wohl.
Fotografieren war mal wieder streng verboten und so habe ich nur ein Plakat abfotografiert.

That's Kathakali! (Ein kleine, aber wirklich nur ankratzende Erläuterung zu dieser typisch südindischen Kunstform bietet der Film "Life of Pi")

That's Kathakali! (Ein kleine, aber wirklich nur ankratzende Erläuterung zu dieser typisch südindischen Kunstform bietet der Film "Life of Pi")

Eine weitaus interessantere Begegnung, die nur zustande kam, weil ich die Gitarre meines Homestays entdeckt hatte, war die mit meinem "Gastgeber". Der hatte mich zum Abendessen bereits mit Ravels Bolero und Tschaikowskys Klavierkonzert beschallt (nicht ganz so laut wie der Muezzin) - das ist mir in Indien auch noch nicht passiert.
Dieser Herr setzt sich also einfach dazu, als ich ein wenig vor mich hin klampfte und versank. ein weiterer Grund, Inder zu bewundern, augenblicklich ganz in diesem Moment.
Anschließend begann er ein Gespräch über Musik, und als er spitzgekriegt hatte, dass ich Musiklehrerin bin, gab es kein Halten mehr. Ich musste ziemlich viel Fachwissen über Bach, Mozart und Tschaikowsky auspacken (übrigens konnte ich dabei feststellen, dass das Gerücht, Beethoven sei Österreicher und Hitler Deutscher, sich hartnäckig bis nach Indien hin hält ... unglaublich).
Bis halb zwölf haben wir noch zusammengesessen und ich kenne nun die wichtigsten Künstler aus der umfangreichen indischen CD-Sammlung des Hausherrn! Dafür lohnt sich reisen, ich liebe diese nicht planbaren Begegnungen, die einem ein Lächeln ins Gesicht und noch viel nachhaltiger in die Seele zaubern. Überraschend!

Überraschend ist auch, dass ich soooo flexibel mit meinen Reiseplänen umgehen kann. In Goa regnet es 22 Stunden pro Tag, so dass ich mich nach Kochi morgen noch einmal Richtung Süden orientieren werde. In einem Ashram in Thiruvananthapuram habe ich mich für einen 3,5 tägigen Yoga-Vipassana-Anfängerkurs eingeschrieben und wandle somit auf den "Triffst Du Buddha, töte ihn"-Spuren Andreas Altmanns, wenn auch nur in der Light Version. Alle elektronischen Devices muss ich dann abgeben, den nächsten (vielleicht etwas erleuchteteren Bericht gibt es also wahrscheinlich erst so am 30./31. Juli! Am 31. Juli sitze ich 26 Stunden im Zug, um mich Richtung Hampi (dann sind es bis Mumbai nur noch 14 Stunden) zu bewegen.

So long, take care! Eure Jule/ia

© Julia S, 2014
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wieder fliege ich nach Indien - diesmal wird allerdings der Süden erkundet. Mal sehen, wie der Monsun dieses Jahr so ausfällt ...
Details:
Aufbruch: 06.07.2014
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 06.08.2014
Reiseziele: Indien
Der Autor
 
Julia S berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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