Mit dem Motorboot von Drachten(NL) nach Rathenow

Reisezeit: März / April 2023  |  von Michael Pullich

Das Boot

Die Safari 1050 Sunshine

Die Safari 1050 Sunshine

Das Boot ist eine etwa 30 Jahre alte, aber sorgfältig gepflegte Safari Houseboat 1050. Sie hat Rumpf und Aufbauten aus Stahl, ist 10,50 m lang, 4,0 m breit, hat einen Tiefgang von ca. 1,0 m und benötigt eine freie Durchfahrthöhe von 4,15 m (nach Abbau der Fernsehantenne). Durch Abbau des Lampenträger-Bügels und der Persenning über dem Fahrstand sowie Umklappen der drei Frontscheiben lässt sich die benötigte Höhe auf ca. 3,50 m weiter verringern (Vorsicht, von mir nicht geprüft). Ein 135-PS-Diesel bewegt das Boot mit einem Gewicht von geschätzten 5 Tonnen mit einer Höchstgeschwindigkeit von ca. 14-15 km/h. Der Kraftstofftank fasst ca. 400 l. Der Kraftstoffverbrauch liegt nach unserer Einschätzung bei mittleren Umdrehungen (ca. 10 km/h) bei 4-6 l/h, bei „Hebel auf dem Tisch“ auch deutlich mehr. Die Schraube ist linksdrehend; je ein kräftiges elektrisches Bug- und Heckstrahlruder sorgen für leichte Manövrierbarkeit. Der Fahrstand befindet sich mit den notwendigen Instrumenten unter einer geschlossenen Persenning oben an Steuerbord. Er ist von Oberdeck sowie vom Wohnraum (über eine Treppe) erreichbar. Dieser Zugang ist von der Kajüte aus verriegelbar. Vorn hat die Kajüte eine auch von außen abschließbare Schiebetür zum Freisitz.Vor der Kajüte und hinter dem Fahrstand sind je eine Freifläche verfügbar.
Alles, was für seemännische Führung des Bootes und die Bedürfnisse der Crew erforderlich ist, ist in einer relativ umfangreichen Ausstattung an Bord. Mit dem Chartervertrag wird die Ausrüstungsliste und eine Bootsbeschreibung übersandt (s. auch Internet www.dedrait.com).

Die etwas ungewöhnliche Form der Kajüte beherbergt achtern zwei abgeschlossene Kabinen mit Fenstern zur Seite und nach achtern und mit Betten für je 2 Personen an Bb und Stb. Jede Kabine hat einen abschließbaren Waschraum mit je einer eigenen elektrischen Vakuum-Toilette, einem Waschtisch mit kaltem und warmem Wasser (wird über den Motorkühlkreislauf mit Wärmetauscher versorgt und ist morgens noch warm) und ausreichendem Stauraum. Eine gemeinsame Dusche auf der Steuerbordseite ist leider nur durch die Steuerbordkajüte erreichbar. Ein Wassertank von 1000 l Inhalt versorgt die Wasserverbraucher. Ein Schmutzwassertank soll nachgerüstet worden sein (in deutschen Gewässern Vorschrift), war für uns aber nicht ersichtlich. Unsere Abwässer gingen außenbords. Ich werde weder in NL noch in D jemals vom Boot aus baden. Während unserer Reise mussten wir trotz sehr seltenen Duschens (wo es ging an Land) einmal Wasser nachtanken, weil die Toiletten mit Frischwasser gespült werden, meines Erachtens unnötig. Rund ums Boot gibt es für diesen Zweck genügend Wasser. Der Stauraum in den Kabinen ist begrenzt. Der Wohnraum ist mit einer Küchenzeile mit 4-flammigem Gasherd, Spülbecken, Mikrowelle, Kaffeemaschine, Wasserkocher und Kühlschrank sowie Stauraum versehen. Ein Sofa (auf dem notfalls noch ein Kind schlafen könnte), ein Tisch mit 4 Stühlen, Fernsehapparat, Radio und CD-Spieler sowie eine ansprechende elektrische Innenbeleuchtung vervollständigen die Einrichtung. Steckdosen für 220 V sind ausreichend vorhanden. Sie funktionieren mit Landanschlusskabel, während der Fahrt wenn der Motor läuft und beim Stillliegen, so lange die Batteriespannung ausreicht (über einen Spannungswandler 12/220V). Eine USB-Steckdose mit 2 Steckplätzen und eine 12V- Steckdose (für KFZ-Stecker) am Schaltpanel der Kajütenrückwand ergänzen die Anschlussmöglichkeiten für Geräte. Gewünscht hätte man sich USB-und Kfz-Steckdose auch im Fahrstand, um ein GPS oder Navi betreiben zu können. Wir haben dies Problem mit Verlängerungskabeln lösen müssen. An allen Fenstern (Isolierglas) sind Vorhänge zum Zuziehen vorhanden. Die Scheiben von Küche, Toiletten und Schlafkabinen lassen sich durch Schieben öffnen (von innen verriegelbar). Eine Dieselheizung mit Wasserkreislauf und Heizkörpern in der Kajüte und in den Toilettenräumen heizt in kalten Nächten. In den Toiletten reichte sie aus, in der Kajüte war die Wirkung nicht ausreichend (der kleinere Heizkörper der Kajüte wurde nicht warm und wir hatten kalte Nächte unter 0° C). Der Dieselverbrauch der Heizung liegt bei ca. 0,5 l/h, ohne Landstrom reicht die vollgeladene Batterie nicht immer für einen Betrieb die ganze Nacht (wir hatten eine Solltemperatur von 15 °C eingestellt, die in der Kajüte nicht erreicht wurde).

Leider hatte unser Boot einige erst während der Fahrt erkennbare Mängel.

Kurz nach der Abfahrt kam der erste Alarm von unten. Das Wasser aus der Küchenspüle lief nicht ab. Ohne „Prümpel“ ließ sich der Mangel nicht beheben. Gespült und Gemüse gewaschen wurde während der ganzen Fahrt in einer Kunststoffschüssel, der Inhalt wurde anschließend über Bord gekippt.

Nach der ersten Benutzung der 3 Scheibenwischer im Fahrstand war nach einer viertel Stunde der backbord äußere Wischermotor festgefressen und glühend heiß. Wir mussten die elektrische Verbindung trennen, um die beiden restlichen Wischer nutzen zu können. Zu unserer Überraschung ließen sich die beiden anderen Wischer nach der Benutzung nicht mehr ausschalten, der Kippschalter rief keine Reaktion mehr hervor. Das bescherte meinem Bruder ein Fitnessprogramm, denn jedes mal, wenn die Wischer gebraucht wurden (und das war leider ziemlich häufig), musste er vom Fahrstand die Treppe hinunter zum Sicherungskasten und die entsprechende Sicherung ziehen bzw. einsetzen.

Die Positionsleuchte an Stb war ohne Funktion. Ich konnte zwar unterwegs ein (BSH-geprüftes) Ersatzleuchtmittel kaufen, aber da die laut Bootsbeschreibung vorhandene Werkzeugkiste nicht an Bord zu finden war, konnte ich die Leuchte nicht öffnen und reparieren.

Der Drehzahlmesser für den Motor auf dem Fahrstand war ohne Funktion. Egal ob Vollgas, Leerlauf oder aus, er zeigte immer 500 1/min an.

Der Kompass auf dem Fahrstand war ohne Funktion. Er zeigte nach Belieben entweder NE oder SW an, aber keine andere Richtung. Bei der Fahr über den Dollart etwas doof, wenn die Fahrtanweisung lautet 23° rechtweisend zu steuern. Zum Glück hatte ich meinen eigenen GPS dabei.

Zur Batterieüberwachung sind auf dem Fahrstand 3 Voltmeter vorhanden. 2 waren ohne Funktion.

Das Signalhorn funktionierte einmal bei der Übergabe, dann nicht mehr (Sicherung heil).

Nach einem Tag war die erste Gasflasche nach zweimaligem Kochen leer (11 kg, 2 sind an Bord), die zweite Flasche reichte aber für den Rest der Reise.

Die Vakuum-Toilette an Backbord war ab dem zweiten Tag ohne Funktion. Die Sicherung war heil, die Kontrollleuchten leuchteten aber nicht und es tat sich mit der elektrischen Dreiknopf-Bedienung nichts mehr. Vermutung: das Steuerungsrelais hatte seinen Geist aufgegeben. Mit Bordmitteln nicht zu reparieren.

Die Kraftstoffanzeige im Fahrstand machte uns Kummer. Sie stand am Abend des 5. Tages (davon waren wir einen Tag wegen eines Streiks des Schleusenpersonals nicht gefahren) nahe bei Reserve. Der Tank enthält 400 l, und wir konnten eigentlich bei bisher 31 Fahrstunden nicht viel mehr als 180 l verbraucht haben. Da aber für die nächsten 2 Tage keine Tankstelle am Wasser in Sicht war, wurden in einer aufwendigen 2-stündigen Aktion nach zahlreichen Telefonaten mit Hilfe eines netten Herrn, der uns 2 Kanister lieh und uns mit seinem Auto dreimal zu einer Straßentankstelle fuhr, vorsichtshalber 100 l Diesel beschafft. Ich wollte nicht das Risiko eingehen, den Tank auf dem Mittellandkanal leer zu fahren. Wegen der nötigen Entlüftung der Kraftstoffanlage wäre das der GAU gewesen. Wie sich dann herausstellte, war der Tank nach der Aktion wieder fast voll und meine Berechnung einigermaßen zutreffend. Wir peilten in der Folge den Tank mit einem Zollstock und ignorierten die Anzeige.

Am 7. Tag nachmittags sah ich mit Sorge, dass der Öldruck immer weiter sank. Abends stand er bei warmer Maschine im Leerlauf bei 0,6 Bar, Warnleuchte und Alarm waren aber noch aus. Als ich am Morgen des 8. Tages die Maschine startete, ging der Alarm trotz kalten Öls bei Erhöhung der Drehzahl nicht mehr aus. Maschine aus und Blick unter die Bodenbretter in den Motorraum. Obwohl Herr Voss bei der Übergabe untersagt hatte, am Motor Kontrollen durchzuführen, stellte ich fest, dass kein Öl mehr am Messstab zu sehen war. Ich rief bei der Technik von De Drait an, um zu erfahren, wie groß das Ölvolumen in der Maschine ist. Der Mitarbeiter musste erst mit anderen sprechen und teilte mir bei dem Rückruf nach 30 min mit, man wüsste das in Drachten auch nicht, vielleicht 3 l? Aber die Maschine hatte nach meiner Einschätzung mindestens 10 l Ölinhalt. Glück im Unglück: 200 m von unserem Liegeplatz war ein großer Laden für Binnenschiffer. Dort konnte ich das kleinste Gebinde Öl (20 l) und einen zum Einfüllen benötigten Trichter kaufen. Wir mussten 10 l Öl nachfüllen, bis die Max-Marke des Messstabes erreicht war. In der Folge der Reise mussten wir täglich Öl ergänzen, der Verbrauch betrug für 4 Fahrstunden ca. 1 l, und am Ende der Reise waren die restlichen 10 l aufgebraucht.

Am Boot wurden nach der Übernahme vom vorherigen Besitzer durch De Drait einige technische Änderungen vorgenommen. In der Handakte zum Boot war aber der alte Zustand beschrieben, die Änderungen waren nicht eingearbeitet.
Eine sich vom Kleber lösende LED-Lichtleiste und zwei Löcher in Vorhängen sowie teilweise in der Isolierschicht beschlagene Fenster komplettierten die Mängelliste. Außerdem war der in der Ausrüstungsliste genannte Rettungsring nicht an Bord.

© Michael Pullich, 2023
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fahrt mit einem gecharterten Motorboot auf Prinzessin-Margriet-Kanal, Dollart, Ems, Mittellandkanal, Elbe und Havel.. Erfahrungen mit Vercharterer, Boot und Reise
Details:
Aufbruch: 24.03.2023
Dauer: 15 Tage
Heimkehr: 07.04.2023
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Michael Pullich berichtet seit 4 Monaten auf umdiewelt.
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