Bien Salud en Argentina

Reisezeit: Januar - August 2007  |  von Jelena K.

Salta: Beethoven, Kobolde und ABM

10.07.
So, der Nationalfeiertag (9.Juli) ist vorbei und somit habe ich das Projekt Chor mit einem doch noch gelungenen Konzert "Ode an die Freude" abgeschlossen. Die Proben verliefen leider etwas argentinisch chaotisch. Es fehlte einfach die gewohnte deutsche Disziplin. Es neigt sich jedoch nun nicht nur dieses Projekt zum Ende, sondern gleich mein ganzer Saltaaufenthalt. Diese Woche ist meine letzte Praktikumswoche angebrochen. Grund genug, so finde ich, ein kleines Salta-Resumé zu erstellen:
meine Praktikumszeit war insgesamt unheimlich spannend. Ein bisschen habe ich ja bereits berichtet, aber in der Tat lerne ich immernoch jeden Tag aufs Neue hinzu. Die letzten 4 Wochen verbrachte ich in der Neurologie. Hier habe ich nochmal einige unglaubliche Dinge erlebt: das Problem liegt dabei hauptsaechlich in Formalitaeten. Patienten muessen sich fuer Magnetresonanzuntersuchungen in private Praxen begeben. Dafuer muessen sie zunaechst Erlaubnis bei ihrer Krankenkasse einholen, sofern sie eine haben oder eben beim Gesundheitszentrum, da diese Untersuchungen sehr teuer sind. Fuer die Neuro nur leider von grosser Bedeutung und so kommt es nicht selten vor, dass Patienten eine Ewigkeit warten bis sie wirklich diese Untersuchung machen koennen. Dadurch geraet dann natuerlich nicht nur die Diagnostik, sondern letztlich auch die Therapie in Verzug und ich habe erlebt, dass sich Patienten zunehmend verschlechtert haben bis sie endlich die adaequate Therapie erhalten konnten. Hinzu kommt noch, dass Patienten oft auf Krankentransporte angewiesen sind, diese jedoch so unzuverlaessig sind, dass daran Untersuchungen bis zu 4Mal in Folge gescheitert sind. 4 Tage ohne Thjerapie kann manchmal eine Ewigkeit sein!

Desweiteren durfte ich erleben, dass wir bei einer akuten Erkrankung erst so spaet zu einem Konsil gerufen wurden(nach einer ganzen Woche!!!), dass schwere bleibende Schaeden kaum noch zu verhindern sind.- ja, da faellt einem dann schon mal nicht mehr als Kopfschuetteln ein! Generell haben unsere Patienten immer quer verteilt im ganzen Krankenhaus gelegen. Da sei doch mal die deutsche Ordnung gelobt! Die Argentinier sind in dieser Hinsicht doch einfach umstaendlich und letztendlich ineffizient. Tagtaeglich faellt doch immer wieder auf, dass zu viele Menschen zu wenige Dinge tun und trotzdem Chaos herrscht. Jeder Bereich hat seinen eigenen Sekretaer, doch wenn man Blaupapier oder gar einen Anforderungsschein fuers MRT braucht, dann muss erstmal 10min. danach gesucht werden. In Deutschland haette schon laengst der geruhsamste Chef seine Nerven verloren: hier trinkt man halt 'nen Mate in der Zwischenzeit und dann geht´s irgendwann weiter! Und eines sei doch mal lobend erwaehnt: es wird so gut wie nie genoergelt, weder von Seiten des Personals, noch von Patienten!!! EEGs habe ich mir auch bereits angesehen. Es gibt sowohl Papier- als auch Computerableitungen, die Durchfuehrung ist durchaus verbesserungswuerdig, aber da nimmt sich so manches deutsche Labor auch nichts. Andere elektrische Potentiale koennen z.Zt. leider nicht gemessen werden, da das Geraet defekt ist- das wiederum ist sehr argentinisch: bis etwas repariert ist dauert es- und solange gibt´s diese Messung halt nicht. Bei dringender Notwendigkeit muessen die Patienten mit bereits beschriebenem Aufwand in private Praxen gebracht werden. Tja, so laueft das eben ab in einem oeffentlichen Krankenhaus einer kleinen Stadt wie Salta. In Buenos Aires sollen etwas europaeischere Zustaende herrschen und auch im privaten Bereich sieht das sicher anders aus. Das Problem liegt einfach in der Organisation. Die Aerzte bekommen von mir ein grosses Lob. Ich konnte viel von ihnen lernen und wenn man ihnen die Moeglichkeit gibt, koennen sie mit deutschem Niveau mithalten.

Das Wort "Arbeitsbeschaffungsmassnahme" schwirrt einem nicht nur im Krankenhaus durch den Kopf. Die Argentinier wissen einfach fuer alles einen Job zu erfinden. Steigt man in ein Taxi ein, so haelt einem jemand die Tuer auf und moechte fuer diesen grossartigen Job am liebsten noch Geld, im Supermarkt gibt es jemanden, der das Obst abwiegt, einen weiteren, der an der Kasse alles in Platiktueten verpackt, nicht zu vergessen natuerlich den Kassierer und wenn man einfach nur wissen will, wo etwas steht, dann muss ganz bestimmt mindestens eine andere Person hinzugeholt werden.

Weitere Kuriositaeten? Naja, z.B. das Wechselgeld: wenn man 2,90 zahlen muss und 3Peso gibt, dann bekommt man nicht selten einen Bonbon zurueck. Bei 2,97 dagegen gar nichts, denn kleinere Einheiten als 0,05 gibt es nunmal gar nicht. Die Frage, warum es diese Preise ueberhaupt gibt, sei einmal dahingestellt. Man sage sich einfach: Ich bin halt in Argentinien!

Die letzten Wochen durfte ich noch lernen, dass tatsaechslich nicht wenige Argentinier an Kobolde und Fantasmen glauben. Wenn auf unerklaerliche Weise Licht brennt, sich Dinge bewegen, ein Bild von der Wand faellt oder Sonstiges, dann gibt es nur eine Erklaerung: das war ein Kobold! Nicht zuletzt spielen Kinder mit Kobolden! Ich kann euch nur in sofern beruhigen: ich habe noch keine gesehen! In meiner Umgebung ist Gott sei Dank auch keiner von diesem Wahn betroffen.
Ihr seht aber, auch nach 5Monaten wird´s nicht langweilig hier. Man lernt eben nie aus. Ich werde nun meine letzte Zeit hier geniessen und meld mich dann gewiss bald um Euch zu erzehlen wohin es dann weitergeht!!!

Ganz liebe Gruesse, Eure Jeli!!!

© Jelena K., 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Spanisch+Medizin, 2 Leidenschaften, eine Reise: medizinisches Praktikum in Argentinien
Details:
Aufbruch: 27.01.2007
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 04.08.2007
Reiseziele: Argentinien
Chile
Bolivien
Der Autor
 
Jelena K. berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.