Venezuela individuell April/Mai 2007

Reisezeit: April / Mai 2007  |  von Jens-Torsten Bohlke

Tag 23 ... wieder in Caracas

Gegen 8 Uhr gehe ich raus aus dem Hotel und erblicke einen stark bewölkten Tag. Ich speise in der Bäckerei Sandwich mit Schinken und 2 Liter Multisaft aus den Anden für 11.000 Bolivares und sehe mir gegenüber mit Blick aus dem Fenster eine der letzten Stunden von RCTVas an. Dann gehe ich zurück ins Hotel und warte in Stock 4 darauf, dass die hübsche studentische Hilfskraft das Internetcafe aufschliessen kommt. Sie freut sich, mich wiederzusehen. Ich freue mich auch und lese meine Mails für 2.000 Bolivares. Darunter den Wunsch der Verwandtschaft, doch was Exotisches für die lieben Kleinen mitzubringen. So bin ich dann auch um 11 Uhr in einem Geschäft, wo es TShirts mit Papageien-Motiven usw. gibt ... hoffentlich exotisch genug für die lieben Kleinen in Deutschland ... . Auch hinter etwas Salsa-Musik auf CDs bin ich hinterher und kaufe da 5 Scheiben für 12.500 Bolivares. Da ich noch genug Geld habe, leiste ich mir eine Paella für 14.000 Bolivares plus 1,5 Liter Mineralwasser für 4.000 Bolivares (Restaurantpreis). Gegen 12.30 Uhr verlasse ich die gastliche Stätte namens "3 B", was für "Bueno, Bonito y Barato" steht. Und ich stehe draussen in strömendem Regen... .

Nach einigen vergeblichen Versuchen, irgendwo einen Regenschirm aufzutreiben, trete ich den Heimweg durch die Nässe an. Im Hotel brauche ich erstmal eine Dusche und wechsle mein nasses TShirt. Im Regierungsfernsehen melden sie den Beginn der Regenzeit mit bisher keinen nennenswerten Vorkommnissen. Ich filme ein wenig das Fernsehprogramm und lege eine Siesta ein, als das Kinderprogramm beginnt. Spätnachmittags gehe ich raus und esse in Rudy´s Pollobroaster, wo sich alle Beschäftigten als Anhänger des Comandante outen und mich freundlich aufnehmen. 10 Millionen x Chavez für Bush, habe es im letzten Wahlkampf hier geheissen ... und nun nehme ich Chavez mit nach Belgien, das finden sie gut!

Gegenüber ist ein Callshop von CANTV, einem seit wenigen Tagen nicht mehr vom Privatkapital besessenen Konzern. Ich rufe Miguel an, der mich um 19 Uhr abholen kommen wird. In der Bäckerei trinke ich für 3.000 Bolivares eine 1,5 Liter Flasche Mineralwasser und sehe mir an, wie einiges aus dem RCTVas-Gebäude rausgeschleppt wird in Kleinlaster. Dann gehe ich ins Hotel und widme mich wieder dem Fernsehprogramm. Dort geht es in den Nachrichten um den Schaden, welche kriminelle Schieberbanden anrichten, die preislich verbilligte Lebensmittel aufkaufen und in Nachbarländern teuer weiterverkaufen. Es werden Festnahmen gezeigt und auch die Empörung der Leute über die Schieberbanden. Ich denke mir, mit moralischen Appellen allein ist das Problem kaum zu beheben... .

Gegen 19 Uhr kommt Miguel. Wir fahren zur Zentrale der KP Venezuelas im Cantaclaro. Dort werde ich herzlich verabschiedet. Zugleich lädt man mich zu einer Pressekonferenz am morgigen Samstag ein, wo ich bis 11 Uhr teilnehmen soll. Anschliessend soll Miguel mich zum Flughafen fahren. Um 21 Uhr sind wir bei Miguel zuhause, wo sein Sohn mir noch ein Gitarrenständchen gibt. Ich lausche der Musik aus den Llanos, aus Kuba und aus klassischen Stücken. Dann kommt die Pizza, wir essen. Miguel gibt mir ständig Whisky on the Rocks aus. Im Fernsehen können wir Teile der Rede von Hugo Chávez auf der Telesur-Veranstaltung verfolgen. Der Präsident fordert die höchsten Würdenträger der katholischen Kirche auf, sich bei den Indios für 500 Jahre Mord und Unrecht zu entschuldigen. Und natürlich noch viel mehr... er verspricht die alsbaldige Verstaatlichung der Kühlhäuser und Schlachthöfe, um die Kontrolle des Volkes über die Lebensmittelversorgung beim Fleisch sicherzustellen und den Schieberbanden einen wirksamen Riegel vorzuschieben. Sogar vor dem Einsatz der Armee würde er da nicht mehr zurückschrecken, denn das Wohl des Volkes würde auf keinen Fall kriminellen Elementen ausgeliefert bleiben. Aha! Es gibt jede Menge Beifall aus dem Saal, die Kadetten sind aufgestanden für standing ovations. Und sowohl der neue "Kanal 2" als auch CANTV würden in Zukunft von Frauen geleitet werden. Der Präsident stellte die beiden Frauen öffentlich vor.

Gegen Mitternacht treffe ich wieder im Hotel ein. Gut N8!

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Dieser Reisebericht enthaelt meine ersten Erfahrungen mit Venezuela, wohin ich gereist bin, um mich insbesondere ueber die politische Entwicklung unter Hugo Chavez kundig zu machen und natuerlich dieses Land ausgiebigst kennenzulernen.
Details:
Aufbruch: 26.04.2007
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 20.05.2007
Reiseziele: Venezuela
Der Autor
 
Jens-Torsten Bohlke berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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