Venezuela individuell April/Mai 2007

Reisezeit: April / Mai 2007  |  von Jens-Torsten Bohlke

Tag 9 ... an der Plaza de la Revolucion

Ich verlängere früh erstmal meinen Hotelaufenthalt in Caracas und zahle am heutigen Freitag erst mal 4 Übernachtungen = 120.000 Bolivares bis Dienstag in der Hoffnung, dass die Kamera am Montag repariert ist. Montag früh werde ich auf jeden Fall deshalb im Sony Center erscheinen. Ansonsten kontaktiere ich einige Freunde von der PCV. Als studierter Historiker mit Spezialisierung auf Lateinamerika und Kommunist ist mir Venezuela so sympathisch, dass ich ernsthaft mit dem Gedanken eines Umzugs hierher spiele. Wie ich erfahre, will Venezuela binnen 3 Jahren den gesetzlichen 6-Stunden-Arbeitstag bei vollem Lohnausgleich einführen, um die Arbeitslosigkeit endgültig zu beseitigen. In den verbleibenden Jahren sollen neue Industrien und in der Landwirtschaft auf dem Boden der zerschlagenen Latifundien neue Arbeitsplätze entstehen. Der Präsident fordert die Banken auf, sich am Aufbau des Sozialismus hier mit günstigen Krediten für Genossenschaften und Wirtschaft zu beteiligen, andernfalls bleibe nur die Nationalisierung auch aller Banken. Dass er seinen Worten Taten folgen lässt, hat er im Ölsektor bewiesen, da ist nun alles nationalisiert und verstaatlicht worden. Während die Beziehungen zu den USA mit OAS-Austritt Venezuelas und Ausscheiden des Landes aus Weltbank und IWF einem Tiefpunkt entgegensteuern, beteiligt sich China mit fast doppelt soviel finanzieller Investition wie Venezuela an solchen Projekten wie der Banco del Sur der ALBA-Staaten Venezuela, Kuba, Bolivien, Ekuador, Nikaragua und Haiti. ALBA soll Integration und gerechte Handelsbeziehungen bringen, aber auch jede Menge wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitsplätze im Sinne einer gesunden Binnenkonjunktur der beteiligten Länder. Dazu soll eine eigene Logistik mit Flugzeugen und Schiffen und Pipelines aufgebaut werden. Haiti als ärmstes Land Lateinamerikas ist beteiligt, allerdings nur als Nehmerland und Empfänger von Solidarität der anderen Länder.

Schon am frühen Vormittag bin ich an der Banco de Venezuela nahe der Metrostation Chacao und hole mir 250.000 Bolivares (ca. 90 Euro) am ATM. Dann fahre ich zur PCV, wo meine auf DVDs vorliegenden Filmaufnahmen vom 1. Mai in Caracas begeistert kopiert werden. Alle haben Spass, sich und Bekannte auf den Aufnahmen wiederzuerkennen. TShirts mit Hugo Chavez darauf und CSs mit revolutionärer Musik bekomme ich am Platz der Revolution nahe dem Capitolio und direkt am Regierungsgebäude, so erfahre ich. Dies ist der einzige Platz, wo diese Dinge in Caracas erworben werden können. Die PSUV verteilt auch TShirts umsonst an ihre grosse Anhängerschar. Ich fahre also mit der Metro nach El Silencio, der anderen Seite von El Capitolio, und bewundere erst einmal das Denkmal für die Feuerwehrleute, die bei einem Grossbrand in den 40er Jahren in Caracas ums Leben kamen. In einem kleinen Restaurant trinke ich eine Ananaslimonade von Pepsi für 2.000 Bolivares und bekomme eine leider mit wenig Fleisch am Knochen ausgestattete sopa de res für 8.000 Bolivares. Dann frage ich mich weiter zum Plaza de Bolivar durch und finde einen guten Souvenirladen, wo ich für 5.000 Bolivares einen brauchbaren Stadtplan von Caracas nebst Landkarte von Venezuela kaufe. Eine Cuadra weiter ist der Plaza de la Revolucion. Dort kaufe ich mir 2 TShirts für 15.000 Bolivares pro Stück. Dazu für 5.000 Bolivares einen Würfel mit Hugo Chavez und Fidel Castro. Für einen schwarzen Schal mit Papagei darauf will der Händler 30.000 Bolivares, da steige ich aus und lasse mich auch nicht auf 25.000 Bolivares ein. 8.000 Bolivares zahle ich pro DVD und kaufe mir die Sondersendung "La Hojilla" mit Hugo Chavez sowie seine Rede vor der UNO in 2006 auf DVD. Auf der Maidemonstration hatte mich der Song "Mi comandante se queda" ("Mein Kommandant bleibt") begeistert, und ich bekomme die Musik-CD "Frente revolucionario de cantores - Lloviznando cantos - www.lloviznandocantos.org" mit auch diesem Song darauf für 2.000 Bolivares. Etwas müde gelaufen setze ich mich in das kleine Imbissrestaurant unter freiem Himmel an der Plaza de la Revolucion und leiste mir für 6.000 Bolivares eine cachapa de pollo, einen schönen saftigen Maisfladen mit Hähnchenfleisch, dazu für 2.000 Bolivares einen frischgepressten Guyaba-Nektar. Welcher so mundet, dass ich noch einen nachbestelle.

Danach lasse ich mich zu einem Gang durch die Einkaufsgassen verleiten, komme an der Metrostation La Hoyada vorbei und fahre dann schliesslich erschöpft für 15.000 Bolivares per Taxi 30 min durch Staus zurück nach Quinta Crespo in die Gegend meines Hotels. Das Taxi hält praktischerweise direkt an der Bäckerei La Doublette, wo ich für 4.000 Bolivares 3 Liter Trinkwasser in 2 Flaschen kaufe und damit die wenigen Schritte zum Hotel laufe. Nach Dusche und kurz mal in die DVDs und die CD reinsehen und reinhören verbleiben mit 90 min für das Internetcafe im 4. Stock, wo ich meine Mails erledige. Die Genossen in Mérida haben reagiert und ihre freundliche Einladung wiederholt, sie würden sich alle sehr auf mich freuen. Ich freue mich schon darüber sehr. Abends gönne ich mir Ruhe mit meinem noch nicht ganz ausgeheilten linken Bein und den immer noch vorhandenen Gliederschmerzen, zu denen sich einige juckende Moskitostiche gesellen. Ich werde mir also umgehend ein Nachbehandlungsmittel für die Moskitostiche besorgen müssen, diese Insekten scheinen sich gerade gut zu vermehren. Nachts schalte ich den Ventilator doch wieder ein, damit er die Moskitos wegpustet. Gut N8!

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Dieser Reisebericht enthaelt meine ersten Erfahrungen mit Venezuela, wohin ich gereist bin, um mich insbesondere ueber die politische Entwicklung unter Hugo Chavez kundig zu machen und natuerlich dieses Land ausgiebigst kennenzulernen.
Details:
Aufbruch: 26.04.2007
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 20.05.2007
Reiseziele: Venezuela
Der Autor
 
Jens-Torsten Bohlke berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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